3. Kapitel
Der dunkle Mann
Lea erschrak zu Tode, vor ihr stand ein riesiger Mann, der sie um sicher drei Köpfe überragte, Er hatte dunkle, dicke Brauen und ein sehr strenges, ja angsteinflössendes Gesicht. Seine schwarzen Haare, standen stoppelig nach allen Seiten. Sie schaute entsetzt an ihm hoch und das Kind an ihrer Seite, begann schrecklich und voller Angst zu weinen. Silberstern, kam sofort herangelaufen und stellte sich schützend neben die beiden.
Die Pferdefrau wirkte ebenfalls erschrocken. Doch sie fasste sich schnell wieder, während Lea das Kind umarmte und tröstete. „Was willst du?“ frage die Pferdefrau „du hast keine Berechtigung hier zu sein. Das ist mein Reich. Verschwinde!“ „Das kann ich leider nicht tun,“ erwiderte der Mann, noch immer mit hämischem Unterton in der Stimme. „Lea hat mich mit hergebracht. Sie ist schuld, dass dein, ach so unberührtes Reich, für mich zugänglich wurde.“ Als Lea das hörte, fühlte sie sich auf einmal elend und schuldbewusst. „Es tut mir Leid…“ sprach sie mit leiser, gebrochener Stimme zu der schönen Dame. „Ich stürze wohl alle, die mit mir zu tun haben ins Elend. Ich… muss hier weg, damit du nicht wegen mir noch Probleme kriegst, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht weiss, wer dieser… Mann ist.“
Sie schaute erneut unsicher an dem Riesen hoch und spürte wie sie anfing zu zittern, doch nicht nur das, sie fühlte sich auf einmal schrecklich unfähig, als Versagerin, voller Wertlosigkeit. „Jaja, wer bin ich wohl?“ fragte der Mann, der mit grosser Schadenfreude Leas Unsicherheit spürte. Er schien sich richtiggehend davon zu ernähren. Denn er wirkte noch kräftiger und stärker, je schwächer Lea sich fühlte. Letztere wusste nicht, wie sie dem allem begegnen sollte und als sich das Gesicht des Mannes nun noch anfing ständig zu verändern und das Aussehen von verschiedensten Leuten anzunehmen begann, mit welchen Lea einst Schwierigkeiten gehabt hatte , war auch sie nahe daran, wie das Kind laut anzufangen zu weinen. Doch gerade wegen dem Kind, das unter ihrer Obhut stand, durfte sie das nicht auch noch tun. Sie versuchte den Mann mit ihren Augen zu fixieren, um zumindest den Anschein zu erwecken, sie lasse sie sich nicht von ihm einschüchtern. Doch das war beinahe unmöglich, weil er immer und immer wieder sein Antlitz veränderte. Einmal nahm er sogar das Aussehen von Leas Vater an, welcher ja schon vor einiger Zeit gestorben war. Dann hatte er sogar mal das Gesicht ihrer Mutter. Das erschütterte sie wohl am meisten. Warum das Gesicht ihrer Mutter? Dass er die Gesichter von Menschen annahm, welche Lea so nahe standen, machte ihn wahrlich entsetzlich.
Die Pferdefrau konnte ihre schreckliche Angst und Unsicherheit spüren und baute sich vor dem Mann auf. „Du lässt Lea jetzt in Ruhe. Sie steht unter meiner Obhut.“ „Ja und auch unter meiner,“ fügte Silberstern hinzu und stellte sich dem Mann ebenfalls entgegen. Lea hielt sich dankbar an ihrem tierischen Helfer fest und so konnte sie verhindern, dass ihre Knie unter ihr nachgaben und sie zu Boden stürzte. Warum nur schwächte sie dieser Mann so? Seine Präsenz war anders, als die des schwarzen Ritters. Fast noch schlimmer, fand sie gerade, denn er war nicht zu fassen. Sie wusste nicht mal, wie sie ihn bekämpfen sollte. Gegen den schwarzen Ritter, hatte sie wenigstens noch antreten können, indem sie selbst zum Ritter wurde. Doch hier… ihr Herz klopfte bis zum Hals, das Blut rauschte in ihren Ohren, Schwindel ergriff sie.
„Lass dich nicht so sehr von ihm verunsichern!“ sprach die Pferdefrau zu ihr, doch es war, als würde ein dicker Nebel ihre Worte verschlucken. Der Schwindel wurde schlimmer und Lea lehnte sich schwer gegen Silberstern. Schwärze drohte ihr Gesichtsfeld ganz einzunehmen, doch der Arm der wunderschönen Pferdefrau, packte sie und schüttelte sie leicht. „Gib nicht auf Lea, gib nicht auf! Du kannst ihm die Stirn bieten!“ „Aber… wie denn nur?“ stiess die Angesprochene heiser hervor. Alles drehte sich um sie und dieser Mann… dieser Mann, der dann doch wieder kein Mann mehr war, der wechselte von alt zu jung, von weiblich zu männlich und all diese Gesichter, all dieser Gesichter von Mitgliedern ihrer Familie. Warum nur? Warum tat er das? Was für einen schrecklichen Scherz erlaubte er sich mit ihr? Und… sie sank in die Knie…
Nur noch ganz an Rande, nahm sie ein helles Leuchten wahr. Die Pferdefrau hob ihre Arme und schleuderte eine goldene Wasserwelle gegen den Mann. Er wurde von ihr getroffen und schrie auf. Silberstern drehte sich um und schlug mit seinen Hinterhufen aus, so dass der dunkle Geselle davongeschleudert wurde und sich schliesslich in der goldenen Welle der Pferdefrau auflöste. Doch Lea konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und fiel hinab in die Finsternis einer weiteren Bewusstlosigkeit…
„Lea, Lea!“ Eine vertraute Stimme riss sie aus ihrem dunklen Delirium. Sie öffnete die Augen und stellte erleichtert fest, dass sie wieder zurück in ihrer alten Welt war. Nathaniel beugte sich über sie. In seinen Augen lag Besorgnis. „Alles klar mit dir? Ich habe dich irgendwie nicht richtig wach gebracht. David kommt bald von der Schule. Was sollen wir kochen?“ Lea richtete sich auf und schüttelte noch den letzten Rest der seltsamen Verwirrung von sich. „Es tut mir leid… ich war irgendwie wieder weg. Ich war an einem seltsamen, aber wundervollen Ort. Da war diese Frau, eine wunderschöne Frau. Sie stellte sich mir als Pferdefrau vor. Ich habe diesen dunklen Ritter in einem Kampf besiegt… doch dann war er doch wieder da. Aber sein Pferd… schlug sich auf meine Seite. Ich war so erschöpft und dann legte ich mich im Haus der Rabenfrau hin und dann auf einmal… war ich eben bei der Pferdefrau. Ich habe den Baum gesehen, den Baum auf dem Ella und ich früher so oft herumgeklettert sind… und dann war da dieser andere dunkle Mann, der immer wieder ein anderes Gesicht hatte… Ich weiss nicht… ich wurde ohnmächtig und nun bin ich wieder hier…Zum Glück!“
Sie umarmte Nathaniel dankbar. Dieser erwiderte die Umarmung, wenn auch leicht verwirrt, ob ihren doch etwas unzusammenhängenden Schilderungen. „Du kannst mir dann später alles in Ruhe erzählen,“ meinte er „dann kann ich dir vielleicht etwas besser folgen. All das klingt interessant. Nun müssen wir aber leider kochen. Was also willst du?“ „Oh Spaghetti. Die gehen schnell, “ erwiderte Lea und fühlte sich nun schon wieder ein ganzes Stück besser. Sie war Nathaniel sehr dankbar für seine Gegenwart und sein Verständnis...