»Hauptmann«, begann Maestro und hob den Blick.
Angesprochener sah ihn nach wie vor unvermittelt an und wartete auf eine mögliche Wendung der misslichen Lage. Die Kälte, welche die Horden der Dämonen mit sich brachten, blieb allgegenwärtig und die Nebel umschlossen unlängst das gesamte Umland.
»Denkt an eine Zeit, an eine Welt, an der allein ihr beschreibt, was zu geschehen bereit.«
»Wir verlieren hier und ich soll an WAS denken? Seid ihr trunken?«
Der Recken lächelte und meinte dies augenscheinlich ernst. Er sah hinüber zu Luan und bat auch sie, über eben Gesagtes nachzudenken und den Mann zu ihrer Rechten zu befragen. Seltsam, selbst von ihr erntete er fragende Blicke, wenngleich sie mit krauser Stirn der Bitte nachkam.
Der Feind nährte sich unentwegt und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Kämpfe sich bis zu ihnen vorgelagert haben.
Maestros Augen skandierten eine Sprache, die so etwas wie Forderung ermahnten. »Sprecht«, grollte er. »Aber überlegt nicht ewig.«
Der Hauptmann schluckte und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe kein Wort«, gab er Kleinbei.
»Noch einmal. Wie würdet ihr ein Flecken Erde beschreiben, an welchem ihr jetzt gerne wäret? Mit eurer Frau, eurem Kind. Wie müsste dieses Land aussehen, riechen, sich anfühlen? Nun macht schon.«
Die Züge in seines Gegenüber erhellten sich, als er endlich begann zu verstehen. So, offensichtlich auch weitere, die dem Gespräch lauschten und wissend nickten. Luan begleitete einige der Bauern wie zur Flucht gerufen durch die Reihen der Verteidiger, andere sodann in die hinteren.
Der Hauptmann sah sich stirnrunzelnd um und fing an zu erzählen.
»Ich liebe das Wasser. Mein Haus, das meiner Frau und Kinder soll unmittelbar an einem kristallblauen See stehen. Ein kleines Boot am Steg und ein Blumenbeet im hinteren Teil des Gartens. Am schönsten wäre ...«
Der Mann sprach aus dem innersten seiner Seele, so als wäre dies sein letzter Tag. Womöglich noch wenige Momente seines Daseins.
Links wie rechts vom Maestro spürte er mehr als das er es bewusst wahrnahm. Die Kälte ließ von ihm ab.
Er hörte seinem Hauptmann nicht weiter zu. Er lauschte. Sein Gehör bediente sich der Wesensart seines magischen Artverwandten und erkannte den wallenden Aufschrei.
Belle behielt Recht und musste schmunzeln.
Erschrocken sah sich der anführende Soldat wie viele andere rings herum um. Auch sie konnten es jetzt spüren.
Die Nebel wichen vor ihnen zurück. Die gierig nagende Kälte zerrte nicht mehr an ihrem Innersten und gab sie schlussendlich frei.
»WEITER«, brüllte Maestro aus Leibeskräften. »Erzählt einem jeden, wie ihr eure Zukunft seht. Was euch antreibt und wie ihr liebt! Ladet sie ein, in euer wohliges Heim!«
Bestätigende Rufe und zustimmendes Geleit brandete auf, als von überall Geschichten und Zukunftsmelodien zusammenhanglos erzählt wurden. Niemand der Anwesenden hörte dem anderen zu und kein einzelner dachte daran, einen Zuhörer zu haben.
Die frostigen Winde jedoch erhörten sie und nahmen ab, das Gebrüll der Dämonen dafür zu. Wütend hieben sie mit ihren Pranken umher, doch die Nebel zerrten sie mit sich. Weg und fort aus dem Tal.
Sonnenstrahlen brachen durch das triste, alles einvernehmende Grau des Himmels. Aus den hohen Lüften erscholl der Ruf eines riesigen weißen Falken. Er jagte den Fliehenden hinterher.