Noch immer völlig geflasht von der besten Nacht meines bisherigen Lebens, tapste ich ins Badezimmer. Das helle Neonlicht blendete mich. Ihre Wohnung war klein und dieses Bad glich einem Schuhkarton. Für uns reichte es, wir brauchten nicht mehr. Kurz nach dem Tod ihrer Eltern zog Em in dieses Zwei-Zimmer Apartment, für welches ihr in New York lebender Bruder aufkam, damit sie die Schule hier in Chicago beenden konnte. Ich verbrachte seitdem jede Nacht bei ihr. Doch diese Nacht war etwas Besonderes. Es war unser Jahrestag. In Gedanken spulte ich die letzte Stunde zurück. Wie weich und zerbrechlich sie sich unter mir anfühlte, wie gut sie roch und schmeckte, ging mir nicht aus dem Kopf. Grinsend öffnete ich den Mülleimer um das, was ich in der Hand hielt, zu entsorgen. Mein Blick fiel auf den Gegenstand, den ich gerade weggeworfen hatte. »Nein...«, sprach ich zu mir selbst. Ich sah noch einmal genauer hin. »Fuck ... Mist ...«, fluchte ich.
»Alles in Ordnung?«, ertönte Emilys Stimme aus dem Wohnzimmer, welches gleichzeitig als Schlafzimmer diente. Das konnte jetzt lustig werden. Ich fühlte mich wie der größte Versager, den die Welt je gesehen hatte. Unser erstes Mal dauerte ganze fünf Minuten – und nun stand ich im Badezimmer und stellte fest, dass das Kondom einen Riss hatte. Fuck ... Ich ging zurück ins Schlafzimmer. Emily lag auf dem Bett und zog sich die Decke über die nackten Brüste. Ihre Wangen waren noch immer gerötet und ihr Haar schlang sich in wirren Wellen über ihre Schultern bis hin zu ihrem Dekolleté. Sie sah verunsichert aus. Sofort bereute ich, unmittelbar nachdem ich sie entjungfert hatte, im Badezimmer ein derartiges Fluchkonzert gegeben zu haben. Trotzdem musste ich ehrlich zu ihr sein. Ich setzte mich zu ihr aufs Bett. »Naja ... keine Ahnung wie ich es dir sagen soll.«
»Jamie, spuck´s einfach aus. Ich kann nur besser darin werden, wenn du mit mir sprichst.« Beschämt senkte sie ihren Blick auf die Bettdecke.
»Hey ... oh Gott, nein. Es war ... einfach unglaublich. Ich finde keine Worte dafür, Em. Ich liebe dich so sehr, Baby.«
Sie hob den Kopf und sah mich an. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ich liebe dich auch. Aber was ist es dann?«
»Das Kondom ... ich habe gerade gesehen, dass es einen Riss hat.«
Ihre Augen weiteten sich. »Du verarschst mich?«
»Meinst du bei diesem einen Mal kann überhaupt was passiert sein?« Ich hatte wirklich keine Ahnung von Frauen und wie das so lief bei ihnen. Natürlich war ich aufgeklärt und natürlich wusste ich, dass ungeschützter Sex zu Krankheiten und Schwangerschaften führen konnte, doch es schien mir doch sehr unwahrscheinlich, zumal wir beide gesund waren und das Kondom ja nicht komplett kaputt war.
»Woher soll ich das wissen, schließlich hab ich keine Erfahrungswerte auf die ich zurückgreifen könnte«, gab sie schnippisch zurück. Sie war unsicher. Em hatte einen Dickkopf und anstatt Verletzlichkeit zu zeigen, spielte sie immer die Starke, auch wenn das bei mir überhaupt nicht nötig war.
»Es tut mir leid, Baby. Ich hab mich einfach erschrocken. Ich hoffe du weißt, dass du nichts auf der Welt fürchten musst. Ich werde immer für dich da sein.«