Auf dem Weg zu Kathrins Zuhause informierten zwei Polizisten die drei Freunde, was in der gestrigen Nacht vorfiel und aus welchem Grund sie bei Jona übernachteten.
»Das weiß ich doch bereits. Mein Pa' hat mich angerufen«, erinnerte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
Mira bemerkte den strengen Blick des Fahrers im Rückspiegel und knuffte Kath in die Seite. Sie räusperte sich, als sie begann, schüchtern zu fragen. »Wo ... wohin bringen sie uns? Sind wir ...«
Der Beifahrer schien sich ein Grinsen nicht verkneifen zu können. Er zuckte mit den Schultern und drehte sich den hinten sitzenden zu. »Wohin möchtet ihr denn?«
»Nur wenn es keine Umstände bereitet. Ich würde gern sehen, was diese ...«
»Ah ah ...«, unterbrach der Beifahrer und hob mahnend den Zeigefinger.
»... Verbrecher angerichtet haben, wolltest du gewiss sagen. Außerdem scheint es in Anbetracht der Situation, wer dir gegenübersitzt, zu bedenken, dass wir weder Familienangehörige noch Freunde sind. Mäßige bitte deinen Ton, junge Dame.« Kathrin senkte verlegen den Blick und besann sich ihrer störrigen Laune.
»Dennoch. Ich befürchte, dass da nicht mehr ganz so viel zu sehen sein wird. Deine Mutter hat offensichtlich alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt und jede Menge Handwerker sprichwörtlich zitiert.« Er gluckste vor sich hin und klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. »Sie ist echt taff und verdammt überzeugend.«
»Ja, das klingt wirklich wie Mom«, erklang ihre kleinlaute Erwiderung.
Auf der weiteren Fahrt interessierte den Beamten allen voran, ob und was die Drei womöglich über vergangene Zusammenhänge etwaig beitragen mochten. Es bestand auf Grund der seltsamen Vorkommnisse in der Schule wie auch der hinterlassenen Spuren im Wohnhaus Kathrins eine urtümliche Verbindung. Beide Gegebenheiten waren aus verschiedenen Gesichtspunkten heraus als tatgleich parallel zu ermitteln. Erschwernishalber und leider somit im Fokus, die drei Freunde. Ihr Alibi jedoch stichhaltig und nachgewiesen. Gewesen können sie es nicht sein, dazu fehlten ihnen Beweggründe als auch notwendige Zeit.
Dennoch schienen die Jugendlichen in dieser Sache involviert. Alle Indizien beruhten auf diesen ominösen Zeitpunkt, als Jona mitten auf dem Schulflur einer Art ›Trip‹ auflag. Erklärungen nach von einem Moment auf den Nächsten und ebenso schnell wieder vollkommen klar, aus derer Grund die Beamten von BTM-Konsum absahen.
So irrtümlich die Umschreibungen einiger Schüler waren, wurden deren Grundlagen hingen vom Schulleiter bekräftigt. Hinzu die rabiate Art des Einbruchs und unerklärbaren Spuren samt Proben.
Was oder besser wer auch immer hinter diesen Taten stand ... die Drei konnten nicht zur Lösung des Falles beitragen und wurden wie gewünscht am Elternhaus der Schülerin pflichtbewusst abgesetzt.
Vom Tathergang und bevorstehenden weiteren Untersuchungen bezüglich des Hausmeisters schwiegen beide Polizisten vehement. Sie beteuerten, dass die Kollegen als auch externe Ermittler bestmöglich für den Mann vorgehen würden.
Und nun?
Ratlos standen die Drei auf der Rasenfläche, seitlich des Hauses, und beobachteten das geschäftige Treiben der Handwerker.
»Irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt«, bemerkte Jona beiläufig, hart an der Grenze beleidigt zu wirken.
»Häh? Wie oder was hast du dir denn vorgestellt?«
»Lass gut sein, Mira. Schon schlimm genug, dass dieser ganze Mist überhaupt passiert.«
Verlegen wippte der Junge unter den Freunden auf den Hacken. Seine Wangen verzogen sich. »Ich hab's nicht so gemeint.«
Kathrin boxte ihm die linke Schulter. »Wie auch immer. Wir haben noch was vor.« Entschlossen schritt sie in Richtung Garage, wo sie wusste, dass ihr Vater dort eine ordentlich hell leuchtende Handlampe in der Ladestation verwahrte. Sie hatte keinerlei Ahnung, was man für so eine Expedition benötigte; ausgenommen von hinreichend Beleuchtung.
»Habt ihr eine Idee, was wir alles brauchen werden?«
»Ich weiß, wo Pa' seine Baustellenlampe aufbewahrt.«
»Du meinst diesen eklig hellen Strahler?«
Kath rollte mit den Augen und wippte den Kopf. »Mensch Mira, das sind LEDs und nicht son oller Kram ausm letzten Jahrhundert.«
»Ja ja.«
»Mira?«
Angesprochene sah auf und entdeckte zwei neugierig dreinschauende Augen. Diese ruhten auf ihr, als wollten diese sie ermahnen. »Was war eben mit dir?«, flüsterte Jona, während Kath in den Regalen nach brauchbaren wühlte.
»Was ... was meinst du? Du spinnst doch.«
»Und seit wann stotterst du, wenn nichts gewesen wäre?«
Mit gestrecktem Hals und ohne zurückzublicken, gab Kath auch noch ihren Senf dazu. »Hah. Na bitte. Mira, wie war das mit ... wir müssen ehrlich miteinander sein?« Siegessicher zog sie ihre alte Kinderleiter hervor, die zuvor an ihrem Apfelbaum und unter ihrem Baumhaus baumelte.
Schlicht wie einfach. Mehrere runde Hölzer waren an zwei Seilenden geknüpft.
»Ernsthaft? Eine Strickleiter?«
»Klar doch. Wer weiß«, abschließend warf sie das sperrige Geknote Jona in die Arme. »Wer dumm fragt ...«
»Mira, was war denn nun?«
Sie schnaubte und senkte den Blick. Tief sog sie Luft in ihre Lungen und brauchte weitere endlos scheinende Atemzüge um Mut zu finden. Ihre Stimme glich eher einem Hauchen. Tränen glitzerten in ihren Augen, als sie den Kopf hob. Ihre Rechte wies in Richtung der Trauerweide. Jona und Kathrin sahen dorthin, wo der Baum stand und zu sehen wäre, würde die Hauswand die Sicht nicht versperren. »Ich habe gedacht ...«
Kath tat einen großen Schritt und schlang ihre Arme um sie. Jona vergrub sein Gesicht in ihren Nacken. Gemeinsam spendeten sie ihr Kraft ... und Mut.
»Erst war da diese Stimme. Ich meine ... zuerst glaubte ich, diese aus den Unzähligen herauszuhören.« Ein Schluchzer entwich ihrem Hals, doch bewies Mira, wie viel Tapferkeit in ihr steckte. »Ich vermisse ihn so sehr und habe sein Rufen häufig geglaubt hören zu können.«
»Seit wir diesen beschissenen Brunnen fanden?«
»Wer?«
Sie überhörte die Frage ihres Freundes geflissentlich, ihr Kopf hingegen beantwortete schüttelnd die Erste. »Schon davor. Seit wir dort waren, ist es Schlimmer geworden.«
Beide ließen es dabei und sahen sich nur an. Etwas schimmerte in ihren Augen. Es waren keine Tränen ...