Es vergingen drei Tage und ebenso viele Nächte. Am darauf folgenden Erwachen des ersten Tageslichtes klopfte es unverfroren wie lautstark an der Tür seines Obdachs.
Hüsteln begleitete das anhaltende Gepoche und Geräusche, als klopfe jemand Staub aus einem Teppich. »Seltsam«, bemerkte Rongard an.
»Was ist, Ser?«
»Ich kann mich erinnern. Schon merkwürdig, was für Details einem nach all den Jahren noch einfallen.« Des Reckens Mundwinkel hoben sich, als er an das Bild in seinem Geiste dachte. Kleine Fältchen zeichneten sich in seinen Augenwinkeln ab.
»Ser, wo seid ihr gerade? Was seht ihr? Lasst mich teilhaben, sodass ich es niederschreiben kann«, bat der betagte Schreiber, der sich einfühlsam gab und dem Recken Platz für sein Vorleben gab. Keinesfalls wollte er zu aufdringlich wirken, kam es doch einem Privileg gleich, die Lebensgeschichte eines der Helden Belletristicas zu Papier bringen zu dürfen.
Rongard hob den Kopf, ohne jedoch die Augen zu öffnen. Seine Hände ruhten nunmehr vollkommen entspannt und seine Brust hob und senkte sich gemächlich. »Ich bin allein, verspüre hingegen keine Furcht mehr. Ich weiß, was vergangene Nacht geschah und bin zutiefst traurig. Nie wieder sollten mich die Arme meiner Eltern umarmen und nie wieder würde ich die Liebe dieser spüren. Dennoch sind beide bei mir. In meinem Innerstes begleiten sie mich auf Schritt und tritt. Sie wachen über mich, und solange ich sie nicht vergesse, bleiben sie stets hier.« Seine Hand fand wie von geisterhandgeführt die Stelle, an welcher sein Herz pochte.
Der Schreiber rutschte unbequem auf seinem Sitzplatz umher und sog stockend Luft in seine Lungen. Schwer schien er zu schlucken. Aus glasigen Augen betrachtete er den Recken, der sich tapfer gab.
Nicht mehr ganz so schwungvoll schrieb er weitere Details hinzu, die er zu Gehör bekam. Wie ein ferner Zuschauer stand er abseits der beschriebenen Ereignisse und glaubte selbst daran, was sein Geist ihm vorgaukelte.
Er vermochte den Jungen sehen, der der Maestro einst wahr. So auch den vermeintlich Verrückten, der kam, um ein Gelöbnis einzulösen.
Mit erhobenem, wenngleich wachem Blick, sah der junge Maestro, Rongard, auf und besah den Klopfenden. Dieser war keinesfalls Alt gar schrullig, wie angenommen. Das mittlere Alter gleichwohl überschritten stand er dennoch aufrecht und gebrüstet da. Der Mann sprach kein Wort und die beiden starrten sich trügerisch an. Es mussten Minuten vergangen sein, doch niemand bewegte die Lippen.
Es war der Ältere, der dem Jüngeren die Rechte reichte und dieser danach griff. Die Tür des Hauses blieb sperrangelweit geöffnet, als die Zwei sich handhaltend entfernten. Ihre Silhouetten wurden zusehend kleiner, als sie schlussendlich mit dem Horizont verschmolzen.
»Ich kann nicht beschreiben was passierte oder wie. Eines hingegen weiß ich gewiss ... die gesamte Zeit über habe ich nicht geschlafen. Alles wurde bunter und farbenfroher, als es hätte sein können und keine zwei Atemzüge später, als lauter Farben um uns herum tanzten, kehrte alles an seinen Platz zurück. Das Gras grün, die Bäume Braun, das Wasser Blau. Alles schien wieder am rechten Platz.«
»Hattet ihr vielleicht etwas getrunken oder gegessen?«
Rongard verneinte mit schüttelndem Kopf. »Eine Art Gift? Nein. Ich kroch zuvor aus meiner Bettstatt und ging sodann mit meinem verwunschenem Onkel davon. Er führte mich auf eine Insel, auf welcher er lebte und erst dort, sprach er mit mir.«