(Mias Sicht)
Mehr als ihn anzustarren bekam ich nicht zu Stande. Er konnte das unmöglich ernst meinen.
„Mein ich aber.“, antwortete er auf meine Gedanken, wofür ich ihm am liebsten geschlagen hätte.
„Du kannst Andrew nicht einfach opfern. Ich habe alles getan, was du wolltest. Jetzt kannst du mir auch mal helfen.“
Baal zuckte ohne zu zögern mit den Schultern.
„Es gibt nun mal Opfer.“
„Das kannst du nicht machen, Andrew ist doch nur da rein, um mir zu helfen.“, konterte ich.
Ich fühlte mich elend, als ich das ausgesprochen hatte. Andrew war nur wegen mir in Gefahr und starb vielleicht sogar.
Tränen stiegen in mir auf, die ich sofort bekämpfte.
„So leid es mir auch tut, Mia. Aber ich werde sicher nicht da rein spazieren und ihn raus holen.“
Er nicht, ich schon, ging mir durch den Kopf.
Zu spät erkannte ich Baals verdunkelte Augen und prüfenden Blick auf mir.
„Was hast du vor?“
„Nichts.“, antwortete ich unschuldig und lächelte ihn sogar an.
Ball zuckte etwas zurück, gerade so, als hätte er einen Schlag bekommen.
„Schlag dir das aus dem Kopf.“
Meine Brauen schossen nach oben.
„Was denn?“, natürlich wusste ich, was er meinte, aber ich hatte nicht einmal an einen Plan gedacht.
„Du hast einen Plan?“
Langsam schüttelte ich den Kopf.
„Was soll ich denn für einen Plan haben?“
Baal sah mir tief in die Augen und ich wusste, dass er versuchte, meinen nächsten Gedanken zu erfassen. Konnte es aber unmöglich schaffen, denn mein Kopf war leer, ich dachte an nichts.
„Mia, hör auf.“
„Was mach ich denn?“
„Du hast irgendwas vor, lass es sein.“
Ich hatte noch nie gern Befehle entgege genommen und es war einfach erheiternd, Baal nahezu verzweifelt zu erleben, auch, wenn es nur ein klein wenig war.
„Ich werde nicht zulassen, dass du Andrew da raus holst.“
„Wie willst du mich aufhalten? Wenn ich nicht bei Tyron auftauche, wird er seine Leute schicken und die werden dich verraten.“
Baals Augen weiteten sich etwas, als er bemerkte, dass ich Recht hatte. Wenn er Tyron weiterhin stellen wollte, musste er seinen Aufenthaltsort weiterhin verheimlichen.
„Mia, das ist kein guter Plan.“
Ich zuckte kurz mit den Schultern.
„Ich habe nicht mal einen.“, gestand ich schließlich.
„Noch schlimmer, du kannst da nicht einfach rein spazieren und ihn mal fragen, wo Andrew ist und ob er ihn nicht gehen lassen könnte.“
Das wusste ich auch, wie ich Tyron kannte wird er wütend sein, dass nun auch Vassago weg war.
Ich wollte gar nicht wissen, wie Tyron mich diesmal bestrafen würde.
Zischend atmete ich aus, als mein Blick auf die Uhr neben mir fiel, um zwölf.
Fluchend sprang ich auf und wollte ins Badezimmer, bis mir plötzlich schwarz wurde vor den Augen und ich zur Seite kippte.
„Du solltest nicht aufstehen.“
Baal stand neben mir, sein linker Arm um meine Schulter gelegt und seine rechte Hand umfing meinen Oberarm.
„Willst du mir etwa eine Entschuldigung schreiben?“
Baal seufzte, ob wegen meiner Frage, oder weil er wusste, dass ich Recht hatte und zu Tyron musste, konnte ich nicht genau einschätzen.
Ich löste Baals griff und ging ins Badezimmer, mich fertig machen.
Nachdem ich mich wieder angezogen hatte, ging ich direkt den Flur und wollte die Wohnung verlassen, als Baal mich rief.
„Mia, warte mal.“
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und drehte mich um.
Er kam direkt auf mich zu, löste dabei seine Kette und hing sie mir um. Mir hatte die Kette schon von Anfang an gefallen, aber ob ich eine Kette von einem Dämon haben wollte, wusste ich nicht so genau.
„So kann ich zumindest etwas auf dich aufpassen, ohne, dass er Verdacht schöpft.“
Ich zog meine Brauen nach oben, fragte aber nicht weiter nach, wie denn ein Stück Metall mir helfen konnte. Bei einem Gegenstand von einem Dämon fragte man so etwas nicht mehr, man nahm es hin.
„Danke.“, murmelte ich und verließ die Wohnung.
Ich strich mir auf dem Weg zu meinem Wagen über den Nacken, da, wo er mich berührt hatte.
Was genau er da noch gemacht hatte, außer die Kette zu schließen, wusste ich nicht, aber diese Stelle kribbelte noch immer
Ich dachte nicht weiter darüber nach, sondern steig in meinen Wagen und fuhr zum großen Bürogebäude.
Meine Beine fühlten sich an wie Blei, als ich aus dem Wagen stieg, in das Gebäude und zum Aufzug ging.
Die Nervosität stieg immer weiter in mir, bis mein gesamter Körper kribbelte und ich das starke Bedürfnis hatte, wieder nach unten zu fahren und wegzulaufen.
Allerdings war es dafür bereits zu spät, als der Aufzug sich öffnete und Tyron vor mir stand, mit wütendem Blick.
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(Andrews Sicht)
Ich erkannte mein Gegenüber nicht, das Licht blendete mich noch immer.
„Ein Mensch.“, stellte mein Besuch fest, sein Tonfall mehr als abwertend.
„Ein Dämon.“, entgegnete ich gereizt, auch wenn ich nicht wirklich sicher war, ob es so war.
Allerdings wiedersprach er auch nicht, also war es wohl so.
Der Dämon hockte sich vor mich und sah mich direkt an. Obwohl ich ihn nicht wirklich erkannte, bemerkte ich sofort, dass er anders war als Tyron oder Baal.
„Wie bist du hier gelandet?“, fragte er.
„Durch Tyron, denk ich.“, antwortete ich knapp.
Ich wusste es wirklich nicht mehr so genau, dass Letzte, an das ich mich erinnerte, war, dass ich Tyron vor mir stehen sah. So nahm ich an, dass er Schuld war.
„Er geht mir auf die Nerven, dabei bin ich nur hier in der Hoffnung, diese Frau noch einmal zu sehen.“
„Welche Frau?“, fragte ich genauer nach.
Konnte er Mia meinen? Hatte er sie gesehen?
„Leider weiß ich nicht, wie sie heißt, sie hat mich hierher geschickt“
„Sie wusste, dass du ein Dämon bist?“
Ich kam mir vor wie bei einem Verhör und ich hatte die Rolle des Polizisten erwischt.
„Ja, natürlich.“
Sie war es wohl doch nicht, Mia wusste von alldem nichts, oder hatte Baal bereits geredet oder Tyron?
„Ich glaube ich hau hier wieder ab, vielleicht seh ich sie auch so mal wieder.“
„Du machst mich nicht rein zufällig los?“, fragte ich schwach grinsend.
Einem Dämon zu trauen war genauso, als würde man einen ausgehungerten Löwen nach dem Weg fragen. Aber so schlecht standen meine Chancen vielleicht nicht, wenn der Dämon hier raus und nichts mit Tyron zu tun haben wollte, hatten wir genaugenommen denselben Weg.
Die Silhouette vor mir stand wieder auf, kurz hörte ich eine Art klicken und meine Fesseln sprangen auf.
„Danke.“, murmelte ich etwas verwundert, rieb meine Handgelenke und stand auf.
Mein Körper fühlte sich an, als hätte ich Tage hier gesessen.
„Ich glaube, wir müssen beide in dieselbe Richtung, wie wärs, wenn wir gleich zusammen gehen?“, fragte er und ging Richtung Tür.
„Klar, warum nicht.“
Ich folgte dem Dämon nach draußen in den Gang.
„Sind wir im Keller?“, fragte ich etwas verwundert, als wir im Gang standen.
Ich sah weitere Türen mit Beschriftungen. Hinter den meisten Türen befanden sich alte Büromöbel oder Akten.
„Dachtest du, er bringt dich in die Hölle? So viel Macht besitzt selbst er nicht.“, entgegnete er.
„Vielleicht nicht gleich die Hölle, aber etwas für Dämonen typischeres.“
Der Dämon neben mir lachte vor sich hin, während ich ihn ansah. Er sah zwar nicht viel älter aus als ich, wirkte aber um einiges Älter.
„Wieso warst du eigentlich hier unten?“
Er zuckte fast beiläufig mit den Schultern.
„Ich habe mich gelangweilt, Tyron wollte ich erst einmal aus dem Weg gehen.“
„Ich dachte, du wolltest zu ihm.“
„Wegen der vorhin erwähnten Frau; aber Tyron ist schlecht gelaunt, seit seine Arbeiter verschwinden.“, erklärte er kurz.
Hatte es wirklich angefangen? Hatte Baal es wirklich geschafft, Sam und Vassago in die Hölle zu befördern?
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte der Dämon nun und riss mich aus meinen Gedanken.
„Andrew.“, antwortete ich kurz.
Ich hatte sicher nicht vor, mich mit ihm anzufreunden, aber ich wollte zumindest freundlich bleiben, wenn er mich schon da raus geholt hatte.
„Tony.“, stellte er sich vor und reichte mir seine Hand, die ich leicht zögerlich entgegennahm.
„Warum hat Tyron dich da fest gehalten?“, fragte Tony schließlich und öffnete eine Tür, die eine Treppe offenbarte.
„Genau weiß ich das nicht, ich wollte zu meiner Frau, als ich Tyron schließlich gegenüberstand, wurde ich bewusstlos und fand mich hier unten wieder.“
Ob Tyron wusste, dass ich darüber Informiert war, was er war?
„Wir haben da noch ein Problem. Wir kommen direkt in Tyrons Büro raus.“
Meine Brauen schossen in die Höhe.
„Der Keller führt fast ganz nach oben zu Tyrons Büro?“
Tony schüttelte den Kopf.
„Es gibt zwei verschiedene Zugänge, den für Menschen und den für Dämonen. Der hier ist für die Menschen nicht sichtbar.“
Ich sah ihn verwundert an.
„Nur mal zur Info, du hast selber festgestellt, dass ich ein Mensch bin.“
Tony nickte und lachte leise.
„Du hast mit Dämonen zu tun und wurdest von einem gefangen gehalten. Das ist sozusagen genau dasselbe, als wärst du einer.“
Diese Erklärung klang logisch, ich nahm es einfach hin und blieb knapp hinter Tony vor einer weiteren Tür stehen.
Er drehte sich etwas zu mir, legte einen Finger auf seinen Mund und bedeutete mir, ruhig zu sein.
Ich war ihm wirklich dankbar, dass er mir half, hier raus zu kommen. Für einen Dämon war er wirklich in Ordnung.
Tony öffnete die Tür einen Spalt und spähte in den nächsten Raum.
Ich hörte sofort Tyrons wütende Stimme, er stritt mit jemandem.
„Ich dulde nicht länger, was du hier treibst!“
„Es ist doch nicht meine Schuld, wie wärs, wenn du mal Vassago oder Sam sagst, dass die mich in Ruhe lassen sollen?“, entgegnete eine vertraute Stimme.
Ich schob Tony beiseite und späte selber durch den Spalt. Ich wusste, dass es, soviel ich auch hoffte mir das einfach nur einzubilden, so sein würde. Ihre Stimme würde ich unter tausenden wieder erkennen.
Und da stand sie, mit verschränkten Armen und herausforderndem Blick auf Tyron gerichtet, meine Mia.
Sie sah genauso wunderschön aus, wie an dem Tag, als ich sie verlassen musste. Ihre Augen zeigten, wie müde sie sein musste. Wie lange hat sie denn nicht mehr geschlafen?
Plötzlich fiel mir der glänzende Kettenanhänger auf, den sie trug. Ich kannte den irgendwo her, aber konnte den nicht gleich zuordnen. Als es mir aber schließlich doch einfiel, dachte ich, mich trifft der Schlag.
Diese Kette gehörte Baal, warum trug sie das Ding jetzt? Oder es war nicht Mia, sondern Baal? Was war hier los?