(Mias Sicht)
Das Leben ist wie ein Spiel: Geld ist der Würfel, Freundschaft und Liebe sind die Bonuskarten, Trennung, Tränen und Herzensbrüche die Minuspunkte... Doch keiner kann gewinnen, denn jeder hat sein eigenes Ziel!
In meinem Leben waren die Minuspunkte Tyron und Baal meine Bonuskarte, mit etwas Glück könnte ich doch noch Gewinnen. Allerdings hatte ich Angst vor der Offenlegung der Karten, wenn ich zu niedrig würfelte, könnte ich so Andrews und mein gemeinsames Leben zerstören, wenn ich es nicht schon längst getan hatte. Er war bereits verletzt und das nur, weil er mit mir zusammen war.
Mein Blick fiel auf Tyron, er stand mit verschränkten Armen vor Baal, ein falsches Lächeln auf den Lippen.
„Ich fühl mich geehrt, was führt dich zu mir?“, fragte er.
Ich hatte geglaubt, dass Tyron anders reagieren würde, sobald er Baal sah. Sam hatte überrascht und auch ängstlich gewirkt. Bei Tyron erkannte ich leichte Verwunderung, aber das war auch schon alles.
„Stell doch keine so offensichtlichen Fragen.“, knurrte Baal, er strahle reine Wut aus. Seine roten Augen wirkten noch dunkler als sonst.
„Mir fallen einige Gründe ein. Da ist die Tatsache, dass ich mich oberhalb des Reiches aufhalte, dass ich eine kleine Armee aufstellen wollte…“, zählte er auf und zählte auch jeden Punkt an seinen Fingern ab. „Hab ich was vergessen? Ach ja, ich habe den König getötet.“
Ich stutzte, als ich von dem Tod des Königs hörte. Ich nahm an, dass Baal in dessen Namen unterwegs war und Tyron zurückholte.
„Dafür und noch einiges mehr wirst du angeklagt.“, zischte Baal.
Mein Blick fiel nun auf Baals Begleiter, als sie einen Schritt nach vorn machten. Sie sahen wirklich identisch aus, angefangen von ihren schwarzen Schuhen, über ihre blauen Jeans, die weißen Hemden und bis zu ihren eisblauen Augen und schwarzen Haaren.
Ich war wirklich fasziniert von diesen Augen, bis sie flüchtig einen Blick auf mich warfen und grinsten. Durch den Anblick ihrer Reißzähne zuckte ich kurz zusammen. Natürlich wusste ich, dass es keine Menschen waren, dennoch erschreckte es mich.
Während die beiden sich Tyron näherten, ließ ich mich wieder auf den Boden sinken, mein Kopf schmerzte und das Blut, welches aus der Wunde an meinem Hinterkopf trat, ran meinen Nacken nach unten. Es fiel mir schwer den Kopf an zu heben und zu Tyron zu sehen. Dieser grinste noch immer und wartete seelenruhig auf die beiden Zwillinge.
Noch bevor die beiden Tyron erreichten, knurrten sie auf und flogen im nächsten Moment zurück und krachten lautstark gegen die Wand.
Ihr Aussehen änderte sich schlagartig, die menschliche Haut änderte sich in blau-grüne Schuppen und ihre Kleidung in eine Art Rüstung. Einer trug diese in schwarz, während die andere weinrot schimmerte.
Baal nahm seinen finsteren Blick nicht von Tyron, der noch immer an Ort und Stelle stand.
„Glaubst du, ich vertrau auf irgendwelche Dämonen?“, fragte Tyron und schüttelte, fast enttäuscht, den Kopf, während er weiter sprach. „Ich habe die nutzlosen dazu genutzt, um mich selbst zu stärken, Meister.“, er spie „Meister“ aus, als wäre es Gift in seinem Mund.
Baal lächelte verächtlich. „Glaubst du denn, dass deine Chancen so höher sind, zu überleben?“, fragte er und klang sehr erheitert.
Ich rieb über meine Augen, denn meine Sicht wurde immer unklarer. Allerdings half es nicht, dass ich für eine Sekunde meine Augen schloss und tief durchatmete. Noch immer schwirrte mein Kopf, aber ich zwang mich dazu, meine Augen wieder zu öffnen und die Szenerie weiter zu verfolgen.
Ich musste schon etwas verpasst haben, denn in Tyrons Hand befand sich eine Pistole, eine, für Dämonen, simple Handfeuerwaffe, und er zielte damit auf Baal.
Erheiterung spiegelte sich in seinen Augen, als Tyron das Wort ergriff.
„Ich bin auch im Stande, dich zu töten.“
„Damit?“, fragte Baal fast lachend und deutete vage auf die Waffe.
Tyron aber schüttelte den Kopf. „Die ist nicht für dich.“
Baals Begleiter standen wieder neben ihm. Der Dämon in der schwarzen Rüstung, wandte sich an Baal und flüsterte ihm etwas zu, was ich unmöglich verstehen konnte, aber Baals geschockter Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes erwarten.
Ein lauter Knall, ein Schuss, um genau zu sein, richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Tyron. Die Waffe war nun auf mich gerichtet. Erst jetzt merkte ich, dass meine Hand auf meinem Bauch lag.
Sehr langsam senkte ich meinen Blick und entdeckte das Blut, welches zwischen meinen Finger hervor quoll. Das Atmen fiel mir schwerer und das Schwindelgefühl übermannte mich nun vollkommen.
Während ich zu Boden fiel und ich in die Bewusstlosigkeit sank, hörte ich, wie mein Name gerufen wurde. Entsetzen und Panik lagen in der Stimme, aber ich konnte sie nirgendwo einordnen.
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(Baals Sicht)
Ich hatte gedacht, es verhindern zu können, hatte gedacht, es abwenden zu können, aber nicht einmal ich konnte das.
Direkt nachdem mir Akatash ein „Jetzt“ zu geflüstert hatte, fiel der Schuss. Einen kurzen Moment saß Mia da, betrachtete ihre Hand und fiel schließlich zu Boden.
Wie angewurzelt stand ich da, blickte auf Mias leblosen Körper und konnte nicht erfassen, was eben passiert war.
Mein Blick huschte zu Andrew, der bis eben noch bewusstlos und mit einer blutenden Wunde am Boden gelegen hatte. Er schrie ihren Namen, soviel Schmerz und elend lag darin, dass ich das erste Mal sowas wie Mitleid für ihn empfand.
Ich sah wieder zu Tyron und erst jetzt entdeckte ich Chival, der neben ihn trat. Sein vorsichtiger Blick begegnete meinem, er hatte Angst vor mir, ich konnte es förmlich auf der Zunge schmecken, diesen süßlich, bitteren Geschmack.
„Verschwinde wieder nach unten und ich lass Milde walten.“, befahl ich mit einer stark vibrierenden Stimme, die Mia liebend gern Dämonenstimme nannte. Diese Stimmlage jagte jedem Menschen mehr Angst ein, als einem Dämon.
Chivals Augen weiteren sich, bevor er sich verneigte, ein kurzes „Danke, Meister.“, nuschelte und verschwand.
„Nur Feiglinge.“, murmelte Tyron und ließ die Waffe wieder verschwinden.
„Du wirst bereuen, dass du hier hoch gekommen bist.“, zischte ich ihn noch immer mit meiner vibrierenden Stimme.
„Ich hatte noch nie Angst oder Respekt vor dir.“, stellte Tyron klar und blickte auf seine Uhr am Handgelenk.
Ich wusste, dass er etwas vorhatte, ich kam nur nicht darauf, was es war.
„Sei mal ehrlich, Baal. Hast du wirklich geglaubt, dass du hierher spazieren und mich einschüchtern kannst, dass ich zurückkomme, ohne Widerstand zu leisten?“, fragte er höhnisch und lehnte sich gegen die Schreibtischkante.
Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich meinen können, dass er sich langweilte. Meine Gedanken streiften etwas ab, ich dachte immer noch über Tyrons Pläne nach. Seine Gedanken lagen für mich im Verborgenen, was mir zeigte, dass er wirklich mächtiger geworden war.
„Ich habe sehr gehofft, dass es nicht so ist.“, entgegnete ich und konnte kaum erwarten, seine Schreie und sein Flehen zu hören, sobald der Amon sich um ihn kümmerte.
„Ich glaube, wir sollten langsam zur Sache kommen, ich habe noch einige Termine und meine Assistentin ist leider verhindert.“, meinte nun Tyron und sah grinsend zu Mia.
Es versetzte mir ein Stich, sie regungslos und in einer kleinen Blutlache liegen zu sehen.
„Er wartet auf euren Befehl.“, wisperte Akamanah, dass ich ihn fragend ansah. Allerdings blieb mir die Frage im Hals stecken, als ich Flaga auf dessen Schulter sah.
Ich nickte langsam und wandte mich wieder an Tyron, nachdem ich noch einen kurzen Blick auf Mia geworfen hatte. Andrew hockte neben ihr, seine Hände auf die blutende Wunde gedrückt. Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie er zu ihr gegangen war.
„Du hast recht, wir sollten zur Sache kommen.“, stimmte ich ihm nun zu und sah flüchtig zu Flaga, der die Botschaft verstand und in eine kleine Flöte blies. Ein schriller Ton erklang und sofort wurde die Luft schneidender und lud sich bedrohlich auf.
Weiter links des Raumes erschien eine Silhouette, die langsam zu einem vollständigen Körper wurde.
Der Besucher trug eine schwarze Kutte, nichts war zu erkennen, bis auf seine leuchtende grüne Hand, die eine Kette hielt.
Er rührte sich nicht, stand einfach da und hielt die Kette. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit, zog er einmal stark an der Kette und von einer Sekunde zur nächsten stand eine Kreatur neben ihm, die einem Hund glich.
Statt dem Fell, besaß dieser Hund eine dunkelgrüne Haut, seine Augen leuchtenden bernsteinfarben. Er knurrte aufgebracht und entblößte seine spitzen Zähne. Sein gelblicher Speichel tropfte zu Boden und zischte leicht. Aus seinen riesigen Pranken ragten scharfe Krallen nach draußen.
Garm lebte schon seit Jahrhunderten und diente schon dem Vater meines Großvaters. Mit seiner Zunge leckte er über seine Nase und sah sich hechelnd um, bis sein Blick meinen traf.
Augenblicklich stellten er seine spitzen, felllosen Ohren auf und wartete auf einen Befehl.
Der Name des Dämons, der die Aufgabe hatte, Garm unter Kontrolle zu halten, war Mergi. Er wurde damals von meinem Vater dazu verdonnert, den Höllenhund im Auge zu behalten. Mergis Fähigkeiten bestanden darin, dass er sowohl Menschen, als auch Dämonen gewaltig auf die Nerven ging. Durch seine Taubheit konnte er nie ausgetrieben werden, nur durch ein bestimmtes Ritual, ohne Worte, schaffte es mein Vater. Nur einen bestimmten Ton konnte er hören, den wiederum nur Flaga kannte.
Mein Blick fiel auf Tyron, er wirkte immer noch ruhig, sogar fast erheitert.
„Meister.“, zischte Akamanah. Sofort fiel mein Blick auf ihn, bis ich sah, dass er wütend zu Mergi sah. Dieser nahm seine Kapuze ab, allerdings machte er das normalerweise nie. Niemals zuvor hatte jemand sein Gesicht gesehen.
Ein Ruck ging durch meinen Körper, als Pruflas sein Gesicht offenbarte. Pruflas war der Großherzog und rechte Hand des Königs. Seine schwarzen Haare reichten bis knapp zu seiner Hüfte, seine Ohren spitz und erinnerten an eine Elfe, seine Augen genauso rot wie meine.
Allerdings verstand ich nicht, was er hier wollte, nur Mergi konnte die Kette halten, es sei denn, er wurde abgelöst, also getötet.
„Was mischst du dich hier ein?“, fragte ich aufgebracht und verschränkte meine Arme vor der Brust.
„Ich wollte nur sehen, ob ihr zurechtkommt, Meister.“, antwortete er und verneigte sich leicht.
„Wo ist Mergi?“, fragte ich nach, ohne auf seine Bemerkung, ich käme wohl nicht wirklich zurecht, einzugehen. Ich wusste, dass es bereits lange dauerte, aber ich musste mit Planung an die ganze Sache rangehen.
„Er ist verschwunden.“, entgegnete er ernst.
Meine Brauen schossen in die Höhe, er konnte nicht einfach gehen, er war an Garms Kette gebunden. Allerdings musste dieses Thema warten, als Erstes musste Tyron verschwinden.
Ein verzweifeltes Seufzen dran an mein Ohr, dass ich erneut meinen Kopf zu Andrew und, der noch immer Bewusstlosen, Mia wandte. Andrew versuchte die Wunde abzudrücken, aber ich sah, wie stockend ihr Atem ging. Es würde nicht mehr lange dauern und der Amon würde kommen. Sie hatte es nicht verdient, in die Hölle zu kommen, aber durch die Hilfe, die sie bei Tyrons Plan geleistet hatte, gab es keine andere Möglichkeit.
„Na schön, aber erledige seinen Job.“, verlangte ich zischend und wandte mich wieder Pruflas zu.
Er nickte, legte seine Hand auf Garms Schulter und ließ die Kette verschwinden. In einer uralten Sprache redete er auf den Höllenhund ein, der nun knurrte und die Zähne fletschte. Tyrons Augen weiteten sich nun, als er wohl endlich erkannte, dass es sein Ende war.
„Das kannst du nicht machen!“, brüllte er, aber meinte nicht mich, sondern Pruflas.
Noch bevor er ein weiteres Wort sagen konnte, sprang Garm los und stützte sich auf Tyron. Im selben Moment, als er seine Zähne in Tyrons Schulter schlug, verschwanden beide. Garm brachte Tyron in die Hölle, wo er hingehörte und der Amon sich seiner annehmen würde.
„Was meinte er?“, fragte Akatash, an den Großherzog gerichtet.
„Würdet ihr nicht um euer Leben betteln wenn ihr wüsstet, es geht vorbei?“, fragte er schulterzuckend. Diese Erklärung klang logisch für mich, dennoch fragte ich mich, warum er sich nicht an mich gewandt hatte, nur ich hätte den Befehl wiederrufen können und nicht Pruflas.
Ich stand neben Andrew und Mia, noch immer drückte er die Wunde ab und blickte ihr ins blasse Gesicht, aber es brachte nichts mehr, sie tätigte nun ihre letzten Atemzüge und ich spürte bereits, wie sich die Luft erneut auflud und der Amon langsam erschien.
„Tu endlich was, ich weiß, dass du sie noch retten kannst.“, zischte Andrew und drehte seinen Kopf zu mir, dass er mich direkt ansah.
Ich konnte ihr nicht mehr helfen, wenn der Amon kam, konnte niemand ihn mehr aufhalten. Nur, wenn ich gegen mehr als zehn Richtlinien verstieß, könnte ich etwas drehen.
„Du bist mir etwas schuldig, Baal.“, fuhr er mich an, aber noch immer erwiderte ich nichts.
Alle Blicke wandten sich der schwarzen Gestalt zu, die nun aus der Ecke trat und langsam auf Mia zuhielt. Der Amon blickte mich an und nickte mir zu.
Niemals erschien der Amon vollständig, immer blieb er verdeckt, dass die Menschen ihn nicht sehen konnten, bis auf die Toten. Aber diesmal erschien er in seiner vollkommenen Gestalt.
„Meister.“, begrüßte er mich und sah auf Mia hinab. Andrew legte einen Arm um sie und zog sie näher an sich.
„Verschwinde, du wirst sie nicht bekommen!“, brüllte er wütend und drehte sich wieder mir zu. „Ich schwöre dir, wenn du sie sterben lässt, mach ich dich fertig.“
Akamanah und Akatash lachten leise, verstummten aber augenblicklich, als ich sie finster anblickte.
Wieder begegneten sich unsere Blicke. Ob die beiden es glaubten oder nicht, er konnte es wirklich, er konnte mich fertig machen. Er hatte nicht die vollkommene Kraft, aber einiges besaß er, auch wenn Andrew diese noch nie zuvor genutzt hatte.
„Ich habe dir jahrelang gedient, was ich niemals hätte tun müssen. Du weißt, dass ich es nur getan habe, um Tyron wieder dahin zurück zu schicken, wo er hingehörte, damit er die gerechte Strafe für den Tod unseres Vaters erhält. Du bist sie mir einfach schuldig.“, redete er auf mich ein. Es wunderte mich nicht mal, dass er mit dieser Masche kam, ich hätte ja niemals gemusst, aber auch er hatte seine Pflichten. Und laut dem Kodex in unserer Welt, durften die Kinder den getöteten Vater rächen. Es hatte mir nur nie wirklich geholfen, dass Andrew ein halber Dämon war.