7. April 2016 - 7:00 Uhr
Am siebten Tage war Gott mit seiner Schöpfung längst fertig und machte erst mal ne Pause. Hannah und Meg hingegen fingen am siebten Tag erst so richtig an. Zu unserer Verteidigung: Gott ist ein Profi, und wir dagegen blutige Anfänger.
Was für ein Anblick das war: Hannah hatte all die Beutel mit unserem Blut sorgfältig auf meinem Schreibtisch aufgeschlichtet. Mehrere Liter. Wir fühlen uns gut - etwas schwach und erschöpft, vielleicht sogar schwindlig, aber gut.
Wir sind froh, dass das Experiment nun beginnen kann, dass wir nicht mehr jeden Tag an der Nadel hängen müssen, und vor allem - endlich ist unser Kühlschrank wieder leer.
Nochmal zum Mitschreiben: Keinesfalls Nachmachen. Okay?
8:00 Uhr
Hannah und ich befüllten vorsichtig über einen Trichter unseren 5-Liter Erlenmeyerkolben mit dem Gemisch aus Blut und einigen anderen Stoffen, die Newton in seinem Journal erwähnte.
Kalk war wichtig - wir verwendeten gemahlene Muscheln und Schneckenschalen, die wir zuvor in meinem Mörser stundenlang zerstäubt hatten.
Außerdem erwähnte Newton, dass das Beimischen von frischem Morgentau das Ergebnis stark begünstigen würde. Habt ihr eine Ahnung wie anstrengend es ist, jeden Morgen vor Sonnenaufgang durch Wald und Wiese zu wandern, um eine Flasche mit Tautropfen zu füllen? Besten Dank für die Augenringe, Isaac!
Außerdem fügten wir noch einige weitere Stoffe bei, die ich an dieser Stelle noch nicht erwähnen werde. Sollte das Experiment ein Erfolg werden, denken wird darüber nach, die genauen Schritte zu veröffentlichen.
Ich hätte nicht gedacht, dass der Geruch so übelkeitserregend sein würde. Wir fühlten uns schnell, als arbeiteten wir in einer Metzgerei.
9:00 Uhr
Der letzte Check ob alles passt...
Feuerlöscher: bereit.
Gaskartuschen: ausreichend vorhanden.
Rolladen: abgedunkelt.
Das Rezept: Mehrfach durchgelesen und halbwegs kapiert
Hannah gebührte schließlich die Ehre, mit einem Streichholz den Brenner zu entfachen und die Flamme auf ein kleines Maß zu stellen.
Für ein gutes Ergebnis durfte die Hitze nicht zu groß sein.
Jetzt hieß es abwarten und destillieren.
10:00 Uhr
Wow, es hat eine ganze Stunde gedauert, aber der Behälter hat nun eine gute Temperatur. Die Flüssigkeit beginnt langsam zu zirkulieren. Die Glasbrücke beschlägt bereits ganz leicht.
12:00 Uhr
Es tut sich nicht viel, doch ich bin immer noch aufgeregt. Hannah erklärt mir in einer Tour, weshalb es chemisch gesehen eigentlich gar keinen Sinn macht, Blut zu destillieren, woraus es besteht, und weshalb alle wichtigen Proteine darin durch die Hitze denaturiert würden... Aber wenn ich die Wahl zwischen ihrer Schulweisheit und der Aufzeichnung von Newton habe, dann vertrau ich einfach mal dem Typen, der die Schwerkraft erfunden hat, oder so ähnlich.
13:00 Uhr
Der erste Tropfen!
In der Brücke ist der erste Tropfen einer farblosen, seltsam riechenden Flüssigkeit kondensiert, und hat sich langsam seinen Weg in den zweiten Behälter gebahnt.
Wir müssen die Flamme immer wieder hoch oder runter drehen, damit die Mixtur nicht zu köcheln beginnt.
17:00 Uhr
Die Mischung im Erlenmeyerkolben wird immer dicker und zähflüssiger, während sich im Auffangbehälter schon ein paar Zentimeter der durchsichtigen Substanz gebildet haben. Sogar ein hauchzarter Film ätherischen Öles ist auf der Oberfläche schon zu erkennen - laut Hannah dürfte das gar nicht sein!
Eine von uns muss zu jedem Zeitpunkt Wache schieben. Die Zutaten sind zu kostbar, um sie falsch zu verarbeiten. Nochmal nehmen wir uns bestimmt keine solchen Mengen an Blut mehr ab.
18:00 Uhr
Ständig sind irgendwelche komplizierten Zwischenschritte nötig, wie ich es sonst bei keiner anderen Destillation gebraucht habe. Das Rezept ist nicht leicht nachzumachen, aber wir geben unser Bestes.
Wir fühlen uns beide nicht so gut. Vermutlich liegt es am intensiven Gestank - der Geruch von erwärmtem Blut ist unbeschreiblich widerlich.
Wir legen inzwischen schon Schichten ein, in denen wir uns abwechselnd in einem anderen Zimmer hinlegen und ausruhen. Obwohl uns kalt ist haben wir die Fenster offen, um dem Geruch entgegenzuwirken.
23:00 Uhr
Fertig! Ich hatte schon Sorge, dass wir die Nacht durchmachen müssen, aber gegen Ende hin ist dann es immer schneller gegangen.
Uns ist speiübel, aber das derzeitige Ergebnis kann sich schon mal sehen lassen.
Im einen Behälter ist nun eine schwarz-rote zähe Schlacke geblieben, mit etwa der Konsistenz von Honig. Im anderen Behälter haben wir das Hydrolat mit der Essenz und dem Öl.
Jetzt noch mindestens Stunde aufräumen, alles richtig verstauen und ab ins Bett...
Das war Sulfur - morgen kommt Merkur dran, übermorgen Sal.
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Meg Out