Ein schrecklicher Diebstahl, der fahle Ritter
Pia
Als ich jedoch in mein Gemach trete, stockt mir der Atem! Ich fühle sogleich das etwas hier ist, etwas Finsteres… Böses! Als sich meine Augen allmählich etwas an die Dunkelheit gewöhnt haben, nehme ich im hinteren Teil des Zimmers eine Bewegung wahr. Lähmende Angst ergreift von mir Besitz! „Wer ist da!“ rufe ich und knipse das Licht an. Eine Gestalt in fahlgrauem Mantel fährt herum. Ich kann ihr Gesicht jedoch nicht sehen, es ist im Dunkeln einer Kapuze versteckt. In der Hand hält sie das Medaillon der vier Naturgewalten!
„Lassen sie das!“ rufe ich und will ein Schritt vorwärts machen. In diesem Augenblick jedoch, werde ich von einer gewaltigen Macht zurückgeschleudert. Ich fühle einen harten Schlag gegen die Brust und es verschlägt mir den Atem! Ächzend versuche ich mich zu erheben. Wie doch einen Nebel hindurch, sehe ich, wie die grau gekleidete Gestalt sich dematerialisiert und verschwindet. „Nein!“ schreie ich „nein!“
Manuel
Als wir Pias Schreie hörten, liefen wir sogleich zu ihrem Zimmer. Pia war totenblass und zitterte vor Schrecken und Verzweiflung. „Mein Gott Pia!“ rief Benjamin „Was ist nur los mit dir?“ Und dann erzählte uns Pia die entsetzliche Geschichte mit dem fahlgewandeten Fremden, welcher das Medaillon der vier Gewalten einfach so an sich genommen hatte und damit verschwunden war. Auch unser ergriff nun lähmendes Entsetzen. Benjamin noch mehr als mich, weil er wusste, was das wirklich bedeutete.
„Was sollen wir jetzt bloss tun?“ schluchzte Pia. „Er hat das Medaillon. Wenn dieser Kerl nun einer dieser Reiter war, von denen Isobia gesprochen hat? Sie erwähnte doch auch einen fahlen Ritter, welcher das Verderben mit sich bringt. War das wirklich einer dieser Ritter, dann bedeutet das Chaos und Zerstörung ohnegleichen, ich darf gar nicht daran denken, es ist so entsetzlich!“ Pia schluchzte hemmungslos.
Benjamin legte tröstend den Arm um seine Schwester. „Es ist nicht deine schuld!“ versuchte er sie zu beruhigen „Du hattest keine Chance. Du hast ja selbst gesagt, dass dieser Kerl eine gewaltige Macht besitzt. Was hättest du schon tun können?“ „Ich hätte besser auf das Medaillon aufpassen müssen. Aber bisher dachte ich es sei in meiner Schatulle sicher. Oh Gott, was sollen wir bloß machen!?“ „Wenn nur Isobia noch da wäre,“ spreche ich bekümmert.
Doch in diesem Augenblick, wurde es strahlend hell im Zimmer und die Fee stand erneut vor uns. Diesmal trug sie wieder das purpurrote Gewand. Ihre tiefblauen Augen blickten ernst. „Ein eisiger Wind weht durch die Welten!“ sprach sie. „Ich habe es gespürt. Das Böse ist im Besitz des Medaillons. Ihr müsst sofort handeln, denn wenn die Mächte der Finsternis, seine Kraft entfesseln, wird alles noch viel schlimmer.“
„Noch schlimmer?“ fragte ich entsetzt. „Aber was können wir nur tun, liebe Fee? Bitte gib uns einen Rat!“
„Noch wissen die Ritter nicht, was sie mit dem Medaillon der vier Gewalten genau anfangen müssen. Ausserdem wird nicht jedem der Zugang in andere Welten gewährt. Aurelia die Kristallfrau, hat da immer noch das letzte Wort. So seid ihr den Rittern noch immer einen Schritt voraus. Nutzt diesen Vorteil! Kehrt zurück in die Welt der Märchen und Legenden, dort werdet ihr weitere Antworten finden. Brecht noch heute auf!“ mit diesen Worten verschwand Isobia.
Wie paralysiert blieben wir nach dieser dringlichen Botschaft zurück. Wir würden heute noch diese Reise antreten müssen. Dabei wusste ich noch gar nicht, ob ich schon so weit war. Denn das Medaillon hatten wir ja jetzt nicht mehr. Auch die Turners bewegten diese Gedanken, das sah ich in ihren Gesichtern.
„Wir müssen es einfach versuchen,“ sprach Benjamin . „Ich hoffe es klappt.“ „Aber wir haben noch gar nicht mit unseren Eltern darüber geredet.“ gab Pia zu bedenken. „Wir sollten sie doch vorbereiten.“
„Dafür ist es nun zu spät. Wir müssen ihnen wohl einen Brief schreiben.“ „Das wird ihnen das Herz brechen und sie wissen ja noch nicht einmal, wie sie all das einordnen sollen. Sie sind zwar offen für vieles, aber diese Geschichte ist schon sehr ungewöhnlich. Vermutlich werden sie uns für verrück halten und sich grosse Sorgen machen.“
„Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig,“ sagte Benjamin unwirsch und ich merkte, dass er mit seiner harten Schale, seine wahren Gefühle und Ängste zu verbergen suchte. Für mich war das alles ebenfalls sehr beängstigend. Was wenn ich versage, was wenn ich die Sphärenwanderung nicht hinkriege? Wenn ich hier zurückbleibe, ganz allein? Das ist ja schliesslich kein alltägliches Unterfangen. Dennoch wir müssen es versuchen. Es bleibt uns nicht anderes übrig, wie Ben richtige erkannt hat.
Dieser holte nun Papier und Schreibzeug und begann den Brief an seine Eltern zu verfassen. Ich fühlte mich auf einmal aussen vor und zog mich diskret zurück. Pia und ihr Bruder sollten ganz in Ruhe, diesen Brief an ihre Eltern schreiben. Wenigstens haben sie noch Eltern, an welche sie einen Brief schreiben können. Ich ging hinaus auf den Balkon und starrte hinunter in den Wald.
Das alles hier, es kommt mir irgendwie wie ein böser Traum vor. Ich habe doch kaum Zeit gehabt, mich richtig mit all den wundersamen und auch schrecklichen Dingen, die mir die letzten Tage widerfahren sind, auseinanderzusetzen und nun soll ich schon eine Sphärenwanderung ohne das Medaillon unternehmen. Warum nur, passierten so schreckliche Dinge um mich herum und wie soll ich mit dieser Angst, dieser Hoffnungslosigkeit, dieser… Einsamkeit, klarkommen? Ich habe mich hier so zu Hause gefühlt. Ich dachte, dass ihr irgendwie zu Pia und Benjamin gehöre, doch nun wird mir einmal mehr bewusst, dass ich schlussendlich zu niemandem mehr wirklich gehöre. Seit… meine Eltern tot sind. Das hier, alles was ich mit diesem Ort und den Turner Geschwistern verbunden habe… es ist eigentlich Illusion. Schlussendlich bin und bleibe ich ein Weise und bin allein auf der Welt… Plötzlich ergreift mich tiefe Verzweiflung und meine Augen beginnen zu brennen. Nein ich darf jetzt nicht weinen ich darf es nicht! Ich muss jetzt tapfer sein, denn das Schicksal des ganzen Omniversums steht schliesslich auf dem Spiel und im Gegensatz dazu, sind meine Probleme nichtig und klein.
Eine warme, weiche Hand legt sich auf meine Schulter und drückt sie leicht. Es ist Pia. Sie schaut mich liebevoll an und sagt: „Das alles muss für dich sehr schwer sein Manuel. Es tut mir sehr leid, dass du ein solches Schicksal erfahren musstest und ich verstehe auch, dass dir diese ganze Weltenwanderungs- Geschichte Sorge bereitet. Aber ich glaube, du wirst es schaffen. Wir sind für dich da. Du bist für uns wie ein kleiner Bruder, das solltest du wissen. Du bist nicht allein!“ Diese Worte legen sich wie Balsam auf meine Seele und tief bewegt umarmen Pia und ich uns.
„Danke! Ich glaube diese Worte habe ich gerade wirklich gebraucht!“ spreche ich.
„Das dachte ich mir,“ Pia lächelt ihr strahlendes Lächeln und es scheint als würde die Sonne mein Herz erneut erwärmen. „Das wird alles schon schiefgehen Manuel. Nur keine Sorge. Wir haben ja auch noch den Feenstaub.“