In diesem Augenblick jedoch, verdunkelte sich der Raum, ein Schatten kroch durch die Fenster herein! Solianas hielt in seiner schändlichen Tat inne und blickte sich erstaunt um.
Die Türe wurde im selben Moment aufgerissen und Trojanas stürzte aufgeregt herein. „Vater!“ rief er. „Die Sonne, sie verfinstert sich!“
Aellia konnte den Ausdruck in Trojanas Gesicht zwar nicht sehen, aber sie merkte welcher Schrecken in seiner Stimmte mitschwang. Leise dankte sie ihrer Göttin. Was auch immer hier geschah, das musste ihr Werk sein.
Solianas Blick war ebenfalls von Angst und Schrecken erfüllt, er vergass die Harpya und flog hinauf zum Fenster. Trojanas schwebte nun in Aellias Blickfeld. Er wollte seinem Vater folgen, aber seine Augen wandten sich ihr verwirrt zu. Es sah aus, als ob er erschrocken sei, über die Art wie sie hier wehrlos an Händen und Füssen gefesselt lag. „Was bei Heliosus… Vater! Was machst du mit ihr?“ Der König reagierte nicht, er starrte nur zum Fenster hinaus. Ein finsterer Schatten schob sich immer mehr über die Sonne, das Land und der Palast wurden beinahe wie zur Nachtzeit verdunkelt. Schliesslich sah man von Heliosus nur noch einen schmalen leuchtenden Rand und dann… gar nichts mehr! Es war als hätte ihn die Schwärze die sich über ihn breitete verschluckt. Und…auf einmal schien es, als stehe ein dunkler Mond am gerade noch lichtdurchfluteten Himmel!
Trojanas schaute nur von unten zu, er nahm einen Dolch vom Gürtel und schnitt die Stricke, welche Aellia fesselten, bis auf eine der Handfesseln durch. Eine unglaubliche Erleichterung durchströmte sie und sie setzte sich auf. Ihre zerdrückten Flügel entfalteten sich wieder, als sie von dem schmerzhaften Druck ihres Körpers befreit wurden. Mit einem Anflug von Dankbarkeit, sah sie den jungen Solianer an. Dieser schien ehrlich besorgt um sie. Doch sogleich dachte sie daran, dass er sie eigentlich erst in diese Lage gebracht hatte und ihre Miene verfinsterte sich wieder. Zornig sprang sie auf und wollte den Solianer angreifen, doch der eine magische Strick, der noch an ihrem andern Handgelenk befestigt war, riss sie zurück und sie griff ins Leere. Trojanas hatte ihren Angriff kommen gesehen und sich gerade so weit von ihr entfernt, dass sie ihn nicht erreichen konnte. „Was um alles in der Welt tust du da Sohn!“ rief der König aus. „Warum befreist du sie?“ „Weil es unwürdig und ehrlos war, sie so festzubinden!“ gab Trojanas zurück. „Was nur ist in dich gefahren Vater? Was wolltest du mit ihr tun? Er schaute auf die halboffene Hose von Solianas und Abscheu zeichnete auf einmal sein Gesicht. „Du…wolltest ihr Gewalt antun und das, während sie so vollkommen ausgeliefert war? Das ist vollkommen ehrlos, wie konntest du nur?“ Aellia die noch weiter verzweifelt versucht hatte sich zu befreien, hielt inne und lauschte dem Gespräch. Es erstaunte sie, dass der Königssohn sich plötzlich so für sie einsetzte, das hätte sie von ihm nicht erwartet. „Du hast den Zorn der Göttin auf uns geladen Vater, indem du ihr das antun wolltest!“ sprach Trojanas weiter. „Wir alle haben ihren Zorn auf uns geladen. Sieh nur, die Göttin unterwirft unseren Gott! Man hat mir das prophezeit, aber ich wollte es nicht glauben, bis…die Sonne sich verfinstert hat! Wir werden von ihr für unsere Frevel bestraft.“ „Was faselst du da, Sohn? Die Göttin kann den Gott niemals unterwerfen und was für Frevel meinst du? Wir haben keine Frevel begangen. Das da…“ er deutete auf die immer noch verdunkelte Sonnenscheibe „muss eine andere Erklärung haben.“ „Mit Frevel meine ich, was wir uns erlaubt haben. Wir haben einem andern Volk einfach die Frauen geraubt und du…wolltest eine Tochter der dunklen Mondgöttin aufs Schrecklichste demütigen.“ „Sie hat das verdient, alle Weiber…haben nichts besseres verdient! Sie sind nur Huren, zweitklassige Geschöpfe. Wir haben das Anrecht darauf, sie zu unterwerfen und mit ihnen alles zu machen, was uns beliebt. Denn sie…“er deutete in Aellias Richtung „würden es auch nicht anders machen. Ich weiss wovon ich spreche Sohn. Du kannst dir nicht vorstellen welches Leid die Frauen, insbesondere diese verfluchten Harpyas, über mich und die andern Männer im Reich des dunklen Mondes gebracht haben. Sie haben uns wie niedrige Tiere behandelt, uns auch nur benutzt, wie es ihnen beliebte, ohne Rücksicht auf unsere Gefühle, unsere Ehre.“ „Aber das gibt dir doch nicht das Recht, dasselbe zu tun und das auf noch schändlichere Weise! Du hast sie einfach hier festgebunden und wolltest weiss was mit ihr anstellen. Das hat niemand verdient.“ „Doch sie hat es verdient, sie soll bezahlen für alles was die Harpyas mir und meinem Vater einst antaten!“ Ein irres Leuchten glomm auf einmal in Solianas Augen auf, es war irgendwie diabolisch und Trojanas wich einen Schritt zurück. Doch sogleich fasste er sich wieder. Der Schatten vor der Sonne zog sich nun auf einmal wieder zurück und alles wurde wieder so wie es am Anfang war. Doch der junge Solianer kümmerte sich wenig darum. Er schaute seinen Vater nur mit einer Mischung aus Abscheu und Erschütterung an. „Vater, was du da redest…was du da tust… Es ist Wahnsinn! Diese Harpya hat nichts mit deinem Schicksal zu tun, das war vor vielen Jahren, sie war damals noch nicht einmal geboren. Du kannst sie doch nicht einfach für alles bestrafen, was man dir einst antat, das dient schlussendlich niemandem und…sie ist eine würdige Gegnerin, welche einen gewissen Respekt verdient hat. Wenn du sie kämpfen gesehen hättest! Glaub mir, wenn wir nur einige von ihrer Art in unsere Reihen hätten, wir wären unbesiegbar. Doch du willst nur deine niedrige, böse Lust, deinen Rachedurst an ihr stillen. Das funktioniert jedoch nicht. Die Göttin ist an ihrer Seite und wir haben der Göttin die letzten Jahrhunderte viel zu wenig Respekt entgegen gebracht. Das rächt sich nun, darum haben wir auch diese Probleme mit den Frauen.“
Aellia lauschte den Worten von Trojanas mit wachsendem Interesse und auch mit etwas mehr Respekt für ihn, denn es sah ganz so aus, als mache er sich mehr Gedanken, als sie bisher angenommen hatte. Er spürte intuitiv, dass den Weg den sein Volk eingeschlagen hatte, den vor allem auch sein Vater eingeschlagen hatte, nicht der Richtige war. Vielleicht konnte sie ihn sogar für ihre Sache gewinnen und vielleicht gab es doch noch mehr Hoffnung als sie geglaubt hatte. „Was du das sagst mein Sohn ist Blasphemie!“ empörte sich Solianas. „Das weisst du genau. Der grosse Sonnengott ist unser alleiniger Herrscher, die Göttin spielt nur eine unbedeutende Nebenrolle. Du hast dich von diesem Weib bereits korrumpieren lassen, dabei sagte ich dir doch, dass du da sehr vorsichtig sein musst. Ich weiss doch wie viel Elend die Herrschaft von Frauen anrichten kann. Du hast das nie auf diese Weise erlebt. Ich dachte du stehst hinter mir. Ich habe an dich geglaubt ich wollte dich nach meinem Tod zum König machen. Doch du…trittst alles mit Füssen. Du stellst dich gegen mich wegen…der da!“ Er deutete mit Verachtung auf Aellia, die nun ganz ruhig dasass und keinen Fluchtversuch mehr unternahm. Ihr unberührter Blick, mit dem sie den seinen erwiderte, brachte den König erneut in Rage, aber er hielt sich zurück. „Ich stand auch immer hinter dir Vater, ich habe deine Aufträge immer zur Zufriedenheit ausgeführt, ich war dir loyal ergeben, aber du bist nur noch von Hass und Rachedurst zerfressen. Du hast, wie ich sagte die Göttin aufs Schlimmste beleidigt, das was du mit ihr…“ er deutete auf Aellia „gemacht hast oder machen wolltest, hat das Mass zum Überlaufen gebracht, darum hat sich die Sonne verdunkelt, gerade in diesem Moment. Es ist ein Omen, das ich nicht ignorieren kann. Und das auch noch so kurz, nachdem wir die Lunarierinnen entführt haben. Alles scheint in Aufruhr geraten zu sein, wegen unseres Handelns.“ „Aber unser Volk wäre dem Untergang geweiht, wenn wir die Frauen der
Lunarier nicht geholt hätten!“ versuchte der König seinen Sohn zu überzeugen. „Ja, das stimmt. Und mein Volk liegt mir auch mehr am Herzen als alles andere, ich würde alles tun um es zu retten, aber wenn ich gute Entscheidungen für mein Volk treffen will, darf ich gewisse Dinge nicht einfach ausser Acht lassen. Vielleicht gäbe es andere Wege, als die die wir bisher beschritten.“ „Ja, es gäbe andere Wege“, mischte sich nun Aellia ins Gespräch, was ihr einen weiteren von Verachtung und Hass erfüllten Blick des Königs einbrachte. „Du hast hier gar nicht zu sprechen Weib!“ rief er aus. „Du bist nur Abschaum, du hast keinerlei Ahnung von den richtigen Wegen!“ „Bitte lass sie ausreden!“ sprach Trojanas „vielleicht hat sie ja einen guten Vorschlag, der uns hilft unsere Probleme zu lösen.“ Der König wurde noch aufgebrachter, Wahnsinn zeichnete sich in seinem Gesicht ab. „Mein Sohn hat sich tatsächlich von einer Frau korrumpieren lassen! Es ist einfach unfassbar! Ich dachte du seist eine stärkere Persönlichkeit. Diese Hexe wickelt dich nur ein und du merkst es nicht einmal.“ „Es reicht jetzt Vater! Du bist nicht mehr dich selbst, deine schwere Vergangenheit, scheint dich korrumpiert zu haben. Du bist der Vernunft nicht mehr zugänglich zur Zeit. Darum werde ich die junge Harpya in meine Obhut nehmen. Ich kann sie dir nicht mehr überlassen und ich habe grosses Interesse an ihren Vorschlägen, die uns vielleicht helfen könnten.“ Er legte seine Waffen zur Seite und bewegte sich auf die Harpya zu. „Wie du siehst bin ich nicht bewaffnet, ich bin also auf keinen Kampf mit dir aus, ich möchte dich nur an einen andern, besseren Ort führen, wo du nicht mehr so schrecklich behandelt wirst, wie hier.“ Ich muss dich zwar schon wieder fesseln, aber sicher auf eine angenehmere Weise.“ Er rief nach einigen Soldaten, die die Harpya von der Pritsche losbanden, ihr aber gleich wieder die Hände und auch Füsse mit den magischen Stricken fesselten. Sie konnte zwar gehen, aber sonst konnte sie nichts tun. Sie liess alles, ohne Widerstand zu leisten über sich ergehen, es war zurzeit besser so. Als sie den düsteren Raum verliessen, wo der König Aellia hingebracht hatte, vernahmen sie hinter sich auf einmal hysterischen Schrei: „Nein ich werde sie dir nicht einfach übergeben Trojanas! Sie ist meine besondere Gefangene, es ist mein Vorrecht sie zu besitzen.“ „Ich glaube nicht, dass eine Harpya jemals jemandes Besitz sein kann“, erwiderte Trojanas etwas sarkastisch. „Sie ist mein Gast. „Nehmt ihr meine Gastfreundschaft an, grosse Kriegerin?“ Aellia nickte wohlwollend in seine Richtung und sprach „Ja, ich nehme sie an“. Solianas kam herausgelaufen und rief: „Wache haltet die beiden auf!“ Die Wachen wirkten etwas verwirrt, gehorchten ihrem König aber und stellten sich Aellia und Trojanas in den Weg. Der Solianer merkte wie sich ihre Muskeln anspannten, auch er war nervös, liess es sich jedoch nicht anmerken und sprach mit ruhiger Stimme an seinen Vater gewandt. „Willst du mich etwa bedrohen Vater? Ist das wirklich in deinem Sinn? Wir sind vom gleichen Blut und da ich die Harpya gefangen habe, ist es auch mein Recht sie zu verhören. Ich raube sie dir ja nicht, ich habe sie dir schon ausgeliefert, erinnerst du dich?“ Sein Blick nagelte seinen Vater fest, eine stumme Zwiesprache die den Soldaten verborgen blieb. Aellia wusste was sie bedeutete. Der König zögerte einen Moment. Er wollte sein Gesicht nicht verlieren, so meinte er: „Nun gut, so soll es sein, aber sie bleibt unsere Gefangene.“ Trojanas nickte, sagte aber nichts. „Ihr könnt sie gehen lassen Männer! Zurzeit habe ich sowieso wichtigeres zu tun, jetzt…da sich die Sonne verfinstert hat. “