Die Soldaten gaben, wie es schien, ziemlich erleichtert den Weg frei. Trojanas genoss grossen Respekt bei ihnen und es wäre ihnen sehr unangenehm gewesen, ihn zu verhaften.
Aellia atmete auf und folgte dem jungen Solianer, in etwas entfernt liegende Gemächer, welche einiges freundlicher eingerichtete waren, als der Raum in dem sie vorher festgehalten worden war. Die Räume hatten weiss getünchte Wände und wurde von hohen weissen, im oberen Bereich, reich verzierten Säulen, gestützt. Trojanas führte sie in einen Raum, wo sich ein Tisch und einige Stühle befanden. Dort bat er sie, Platz zu nehmen. Einen Moment lang schauten sie sich schweigend an. Schliesslich begann Trojanas zu sprechen. „Es tut mir sehr leid, dass… du so etwas Schreckliches mit meinem Vater erleben musstest, ich erkenne ihn beinahe nicht wieder. Er ist so von Hass und Rachsucht erfüllt.“ „Es ist zum Glück glimpflich abgelaufen“, meinte sie, ohne irgendwelche Klage in ihrer Stimme. Sie war es sich gewöhnt, mit Schmerzen umzugehen, auch wenn sie die Schläge des Königs noch immer fühlte und ihr Gesicht mittlerweile schlimm angeschwollen und blutunterlaufen sein musste. Mitleid zeichnete sich auf dem Gesicht von Trojanas ab. „Warte mal, ich hole etwas kaltes Wasser, du musst Schmerzen haben. Du blutest auch etwas.“ Er nahm einen weichen Stofffetzen und wischte ihr das Blut ab, welches ihr aus der Nase lief. Sie war erstaunt über seine Besorgnis, denn auf dem Schlachtfeld hatte er sehr kühl gewirkt. Hatte seine Veränderung wohl mit der Verfinsterung der Sonne zu tun?
Durch das offene Fenster hörte man den Aufruhr, der seit diesem Ereignis in der Stadt ausgebrochen war. Trojanas schaute einem Moment hinaus. „Mein Volk ist sehr aufgeregt und durcheinander. Ihr Gott wurde einfach verdunkelt. Das ist ein schlimmes Ereignis, welches Angst bereitet. Man hat mir das prophezeit. Man sagte, die Göttin werde den Gott unterwerfen.“ Er ging zu einem nahe liegenden Becken und liess aus einer metallenen Röhre, etwas Wasser hineinlaufen. Die Solianer besassen bereits ein richtiges Leitungssystem, welches alle mit dem kostbaren Nass aus dem Himmels-Tränen See versorgte. Aellia staunte sehr darüber, auch wenn sie etwas Ähnliches schon von den Lunariern her kannte, welche auch Wasser aus den Flüssen, nach oben in ihre Stadt pumpten. Trojanas befeuchtete einen weiteren Lappen und hielt ihr diesen an die schmerzende Wange. Es war sehr wohltuend und die Harpya war sehr dankbar.
Einerseits aber, wurde sie auch etwas verlegen und fühlte sich wie ein hilfloses Kind, denn ihre Hände waren immer noch gefesselt. Trojanas lächelte auch etwas verlegen, als er so nahe neben ihr kniete und ihr den kühlenden Lappen an die Wange hielt. Er wusste auch nicht warum, diese Frau… sie brachte ihn irgendwie, auf ungewohnte Weise, durcheinander. Sie war noch immer nackt. Ihre purpurrote, schimmernde Haut, spannte sich über ihre wohlgeformten Brüste mit den dunklen Warzenhöfen und ihre muskulösen, aber zugleich fraulichen Schultern und Arme. Ihre langen schwarzen Haare umrahmten ihr Gesicht mit den wundervollen, dunkelblauen Augen und kitzelten leicht seine Hand. Sie duftete irgendwie anders, als die Frauen seines Volkes, aber es war ein Duft den er mochte. Seine dunklen Augen wanderten ungewollt ihren Bauch herab, zu ihrer von Federn bedeckten Scham, aber sofort ermahnte er sich zur Selbstbeherrschung und erhob sich schnell wieder. „Ich…weiss nicht, besser wäre es eigentlich, du könntest den Lappen selbst halten. Doch kann ich dich losbinden, ohne dass du mich dann gleich überwältigst und verschwindest?“ Aellia nickte. „Ich werde nicht zu fliehen versuchen.“ „Mein Vater würde jetzt sagen, traue nie dem Wort einer Harpya, aber ich glaube ich kann mich auf dein Wort verlassen.“ „Das kannst du. Bei den Harpyas ist Wortbruch eine Schande.“ „Würdest du bei deiner Göttin Lilithia schwören?“ „ Ja, zumindest für den Moment.“ „Nun gut, das reicht erst mal.“ Er öffnete ihre Fesseln an Händen und Beinen. Erleichtert rieb sie sich die Handgelenke. „Danke Trojanas… für alles“, sprach sie. „Es ist das Mindeste was ich tun kann, denn ich weiss, dass mein Volk Schande über sich gebracht hat. Wir hätten das alles nicht tun dürfen, wir hätten die Göttin mehr achten sollen.“ „Ja, dem kann ich nicht widersprechen. Ihr habt die Lunarierinnen einfach entführt, ohne Rücksicht auf ihre Gefühle und die Gefühle ihre Familien. Das Volk des Silbermondes ist ganz anders als die Solianer, ganz anders als die Harpyas. Sie gründen zusammen Familien, sie bleiben oft ein Leben lang zusammen. Der Raub der Frauen, war ein schreckliches Verbrechen und… die Lunarier werden sich das nicht gefallen lassen, sie werden alles daran setzen sie wieder zurück zu holen. Sie sind zum Äussersten entschlossen, davon bin ich überzeugt und sie werden dadurch enorme Kräfte entwickeln.“ „Du meinst ein Krieg steht uns bevor?“ „Ja, mit vollkommener Gewissheit. Dadurch, dass die Männer und Frauen der Lunarier miteinander so enge Bindungen eingehen, sind sie in diesen Dingen viel leidenschaftlicher, als unsere Völker. Bei euch werden nicht so enge Bindungen eingegangen zwischen Frauen und Männern. Die Frauen sind bei euch nur Mittel zum Zweck. Genauso…wie bei den Harpyas auch die Männer nur Mittel zum Zweck sind. Ich habe den Hass deines Vaters erlebt und… es scheint ganz so zu sein, als sei dies zu einem grossen Teil die Schuld meines Volkes. Wir haben die Männer ohne Respekt behandelt und euer Volk tut nun dasselbe mit den Frauen. Wir haben eigentlich ein gemeinsames Schicksal, ein Schicksal, dem man sich nicht einfach so entziehen kann. Gerade darum sollten wir andere Lösungen finden, wenn möglich gewaltlose Lösungen, Lösungen die allen gleichermassen dienen. Ich bin mir der Schuld meines Volkes bewusst und ich sehe es als meine Aufgabe, es zum Umdenken zu bewegen.
Ich hatte vor einiger Zeit einen Unfall, während eines Angriffes auf die Stadt des dunklen Mondes und wurde von den Lunariern gesund gepflegt. Dadurch lernte ich einen Mann kennen. Er ist Heiler und wir verliebten uns ineinander.“ Als sie das sagte, spürte Trojanas einen seltsamen Stich im Herzen, aber er liess es sich natürlich nicht anmerken. „Er…ist mein fester Gefährte, er und ich werden zusammenbleiben und gemeinsam unsere Kinder aufziehen. Durch ihn lernte ich die Lunarier besser kennen, ihre Kultur und glaub mir Trojanas, es ist eine wunderbare Kultur, eine Kultur des Ausgleichs. Man verehrt dort Gott und Göttin gleichermassen und alle sind gleichberechtigt, Männer wie Frauen. Sie sind ein friedliebendes Volk, ein Volk das sich stets um gewaltlose Lösungen bemüht und sehr einfühlsam ist. Ich habe ihnen davon berichtet, dass wir einen Männernotstand im Land des dunklen Mondes haben und es haben sich einige männliche Lunarier freiwillig dazu bereiterklärt, mein Volk vor dem Untergang zu retten.
Anfangs war es mein Auftrag, die Lunarier ausfindig zu machen, alles über sie in Erfahrung zu bringen um ihnen dann, sollte es nötig sein, zusammen mit den andren Harpyas, einige ihrer Männer zu rauben. Ich ging davon aus, dass dies nur mit Gewalt möglich ist, an eine andere Lösung, habe ich in meiner Arroganz gar nicht gedacht. Für mich waren Männer zweitklassige Geschöpfe, auf deren Gefühle man grundsätzlich keine Rücksicht nehmen muss. Und ich dachte alle geflügelten Völker seien so gefühlsarm wie wir. Doch… als ich dann die Lunarier und Nannios näher kennenlernte, da erkannte ich plötzlich, das ich und mein Volk auf einem schlimmen Irrweg sind. Im Land des Silbermondes war alles anders, ich erkannte dort, was Zusammenhalt, was Liebe heisst, erkannte wie unerfüllt eigentlich mein Leben ist.“
Sie hielt inne und starrte nachdenklich ins Leere.
Trojanas war irgendwie sehr erschüttert, wie bekannt kam ihm doch die Geschichte, die sie ihm erzählte, vor. Auch er hatte genauso gedacht, vor einiger Zeit. Er hatte das Gefühl gehabt, er müsse auf weibliche Geschöpfe keine Rücksicht nehmen, da es ja um den Fortbestand seines Volkes ging. Doch nun, eröffneten sich ihm ganz andere Wege, Wege, die er bisher gar nicht überdacht hatte. Wer wusste, ob die Lunarier den Solianern nicht auch geholfen hätten, wenn sie sie darum gebeten hätten? Doch die Solianer waren zu arrogant zu überheblich gewesen. Er, war zu arrogant und zu überheblich gewesen. Er hatte all das was der Frauenraub nach sich ziehen würde, gar nicht bedacht. Er hatte sich nicht um die Gefühle der Lunarier gekümmert, einerseits weil er dachte sie seien etwas ähnlich strukturiert wie die Solianer, ohne wirklich feste Bindungen einzugehen, andererseits auch, weil er den Frauenraub damit gerechtfertigt hatte, dass er damit ja sein Volk vor dem Untergang rettete. Er schämte sich auf einmal schrecklich und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Wegen seinem unbedachten Handeln, hatte er nun vermutlich sogar einen Krieg ausgelöst und die Lunarier würden ihnen jetzt nicht mehr helfen ausser vielleicht… ein Gedanke reifte in ihm, aber er wagte ihn noch nicht auszusprechen, denn er wusste, dass dies grosse Schwierigkeiten nach sich ziehen würde. Und da war ja auch noch sein Vater… „Das was du mir da erzählst erschüttert mich zutiefst“, sprach er zu Aellia „ich…war mir der Tragweite des ganzen noch gar nicht so bewusst bisher. Ich hatte zwar schon ein etwas schlechtes Gewissen, als ich den Auftrag erhielt, die Frauen zu holen. Ich tat es dennoch, weil ich glaubte mein Volk müsse so gerettet werden und weil… ich meinem Vater immer loyal ergeben war. Doch nun…weiss ich erst, wie schrecklich falsch es war. Wir hätten mit den Lunariern reden sollen, sie näher kennenlernen.“
Aellia schaute den jungen Mann, der etwa in ihrem Alter war an, er wirkte nun richtig niedergeschlagen. Seine ganze Arroganz, seine Härte, war von ihm gewichen. Irgendwie berührte sie das. Sie musterte ihn und fand, dass er wirklich sehr gut aussah. Er hatte glattes, schwarzes, langes Haar. Seine Haut, welche sich über seinen muskulösen Körper spannte, war bronze- orange. Seine Männlichkeit hatte sich etwa aufgerichtet, als er ihr so nahe gewesen war, aber er hatte sich gut beherrscht, was ihr sehr gefiel. Er schien sie wirklich zu respektieren, vielleicht die erste Frau, die er in seinem Leben respektierte. Sein Gefieder gefiel ihr ebenfalls. Es passte sich seiner Haut auf sehr schöne Weise an, war rot und mit einigen orangen Federn durchzogen. Dadurch entstand eine besondere Schattierung, welche sie irgendwie an ein nächtlich loderndes Feuer erinnerte. Seine dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen, waren von markanten, schön geschwungenen Brauen überspannt.
Trojanas Mund war voll, was in einem interessanten Kontrast zu seinen kantigen, eher härteren Zügen stand. Ja er gefiel ihr wirklich und… sie überlegte sich, wie es wohl war mit ihm die sexuellen Wonnen zu teilen.
Dass sie über solche Dinge nachdachte, war für die geflügelten Völker nichts verwerfliches, denn wenn man sich einen Gefährten erwählt hatte und mit ihm eine feste Beziehung einging, hiess das nicht zwangsläufig, dass man auch körperlich immer treu sein musste. Bei den Harpyas sowieso nicht, denn sie liessen sich ihre sexuelle Freiheit niemals nehmen.
Sie legte sanft ihre Hand auf seinen glatten, kräftigen Arm und er schien unter ihrer Berührung, leicht zusammen zu zucken. Sein Blick verriet ihr, was unter dem Tisch mit seiner Männlichkeit passierte, erneut richtete sie sich auf. Trojanas wehrte sich gegen diese Gefühle, gegen das Begehren, das ihn auf einmal mit unbändiger Macht durchströmte. Diese Frau…sie war so besonders, so schön, kriegerisch und doch voller Liebe und Mitgefühl. Er dachte erneut, dass die Göttin in etwa so sein musste. Und wenn das wirklich so war, dann würde er ihr mit Freuden dienen… „Du erinnerst mich irgendwie an die Göttin“, sprach er. Aellia war überrascht von diesem Kompliment und natürlich auch sehr geschmeichelt. Doch sie erwiderte. „Der Göttin ist niemand gleich“, „Doch, ich glaube du schon. Es ist so eigenartig, ich hatte bisher wahrlich keinen Respekt vor den Frauen. Ich sah sie alle, mehr oder weniger, als farblose, eindimensionale Geschöpfe, ohne wirkliches Leben, ohne wirkliche Kraft in sich. Doch seit ich dich traf… du bist so vollkommen anders, so einzigartig, schön und stark.“ „Alle Frauen haben eine Göttin in sich, man muss sie nur herauszulocken verstehen. Du hast den Frauen, denen du bis jetzt begegnet bist, gar keine solchen Fähigkeiten zugesprochen, aber sie würden sie auch besitzen, genauso wie in jedem Mann ein Gott verborgen ist. Ich habe das auch nicht geglaubt, bis ich zu den Lunariern kam, aber es ist so und es liegt an uns, das zu erkennen und zu erwecken.“ Trojanas lauschte gebannt ihren Worten, die ihn irgendwie mehr denn je erregten und er konnte nicht mal sagen, weshalb genau.
Er dachte wieder an seinen Traum und auf einmal stellte er Aellia eine seltsame Frage: „Fühlst du dich stark genug, gegen mich zu kämpfen?“ Sie schaute ihn etwas verwirrt an. „Ja…natürlich fühle ich mich stark genug, mich wirft nichts so schnell um, die paar Schläge durch deinen Vater…ich bin mich anderes gewohnt. Aber warum willst du kämpfen?“ „Ich kann es auch nicht genau sagen, aber es ist mir irgendwie ein Bedürfnis. Es soll kein so ernster Kampf sein, eher ein Art…Kräftemessen…“ „Ein Kräftemessen? Nun ja…wenn du meinst.“ Aellia verspürte irgendwie selbst eine eigenartige Erregung bei diesem Gedanken. Dieser junge Solianer reizte sie irgendwie, sie war auf seltsame Weise von ihm fasziniert, auch wenn die Gefühle zu ihm, nicht mit denen zu Nannios zu vergleichen waren. Trotzdem Trojanas war ganz anders und bestimmt würde es Spass machen, mit ihm zu kämpfen und wer ahnte… was sonst noch. „Welche Waffe?“ „Das spielt eigentlich keine grosse Rolle. „Vielleicht ein Schwert?“ Er holte aus dem Nebenraum ein edles Schwert mit rotgolden verziertem Griff. Die Klinge war scharf und gebogen. Auch er trug so ein Schwert bei sich. „Ja, ich kann mit allem umgehen.“ „Du bist erstaunlich“, sprach er „ich hätte nie gedacht, dass es eine Frau wie dich gibt.“ „Die meisten von uns sind so.“