So wie es aussah brauchten sie dringend Verstärkung. „Wie geht es dir?“ fragte er Mellila besorgt, während er einen Heilzauber wirkte, der ihr wenigsten die Schmerzen nahm und ihren Kreislauf stabilisierte. Sie lächelte etwas gequält „schon viel besser, danke! Ihre Augen sahen ihn mit einer Zuneigung an, die ihn etwas verunsicherte. „Wir müssen dich von hier wegbringen. Es gibt sehr gute Heiler in unserer Armee, sie werden sich um dich kümmern. Leider kann ich hier gerade nicht weg. Es wird gefährlich werden, besonders… da sie jetzt Magier einsetzen.“ „Ja, es gibt nicht sonderlich viel von ihnen in unserem Volk, aber jene die magische Kräfte besitzen, sind sehr stark.“ „Ja, das hat man gesehen. Ich werde mein Pferd Indarimos rufen, dass er dich holt. Wenn du in unserem Lager bist, sage ihnen, dass wir dringend Unterstützung hier brauchen.“ Sie nickte. Nannios konzentrierte sich nun und tastete nach dem Geist seines Pegasosses. „Komm her zu mir, ich brauche dich, du musst eine gute Freundin von mir hier raus bringen!“ Einen Moment dauerte es, dann vernahm er die Antwort in seinem Geiste: „Wie du wünscht, ich bin gleich bei dir!“ Nannios nahm nun Mellila auf seine Arme und schwebte mit ihr zum Rand der Wehrmauer. Die Schutzglocke wanderte mit ihnen mit, zum Glück wurden sie nicht von vielen Feinden aufgehalten. Einige von ihnen blickten ihnen sogar eher neugierig hinterher, immerhin war das ein ungewöhnliches Schauspiel, welches man nicht alle Tage zu Gesicht bekam. Dass die Schutzglocke unzerstörbar war, hatten die meisten sowieso erkannt, darum widmeten sie sich lieber andren Dingen. Da die Rebellen sehr harte Gegner waren, wurde das auch von ihnen verlangt
Als Nannios den Rand der Mauer erreicht hatte, ertönte über ihnen das Rauschen mächtiger Schwingen. Der Schatten von Indarimos schob sich über die beiden. Mellila machte grosse Augen. Von so nahe, hatte sie die fliegenden Pferde noch nie gesehen. Ein weisser Schutzschild lag auch um den Körper des Tieres, Mellila sah es zwar nicht, aber sie spürte es irgendwie. Eine wunderbare Wärme und ein Friede, erfüllte sie in der Gegenwart dieses Pferdes. Es flog nun über die Mauer und Nannios schwebte ihm ein Stück entgegen. Er hievte die junge Frau, deren honigfarbenen Haare nun durchtränkt waren mit Schweiss, auf den Rücken des Tieres. Einige Pfeile und auch Speere flogen zu ihnen herauf, aber sie alle prallten von den Schutzschilden ab. „Bring sie schnellstmöglich zu den Heiler!“ befahl er „ausserdem brauchen wir hier Verstärkung!“ Der Pegasoss neigte zustimmend sein Haupt. Als er jedoch losfliegen wollte, hielt Mellila die Hand von Nannios nochmal fest und küsste sie voller Hingabe und Dankbarkeit. Er war tief berührt und meinte: „Ich werde mich bald selbst um dich kümmern. Alles wird gut!“ Dann küsste er ihre schweissgebadete Stirn und gebot dem Pferd erneut loszufliegen. Einen Moment noch schaute er ihm hinterher, dann wandte er sich wieder der Schlacht zu.
Schliesslich waren die lunarischen Frauen alle befreit und es ging jetzt in erster Linie noch darum, die eigene Haut und die Haut der Mitstreiter, zu retten. Auch Dyandra kämpfte hart. Sie war zusammen mit einer der adern Harpyas, welche sich Leviana nannte, ein paar Solianerinnen ihrer Gruppe und auch einem lunarischen Bogenschützen. Die Harpya beeindruckte Trojanas Mutter besonders. Sie war eine einzigartige Kämpferin. Einer nach dem adern fiel ihren beiden Dolchen zum Opfer, dem einen schlitzte sie die Kehle auf, dem anderen stiess sie ihre Klinge seitlich ins Herz. Eine köpfte sie mit den beiden überkreuzten Dolchen. Sie stand bereits auf einem Haufen von Toten und immer mehr folgten. Dyandra betrachtete diese groteske Bild mit gemischten Gefühlsregungen. Einerseits bewunderte sie ungemein diese Kriegerinnen des dunklen Mondes und wünschte sich, auch so eine geschickte Kämpferin zu sein wie jene. Die Harpyas versinnbildlichten für sie eine Kraft, welche sie schon seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Zwar brach diese Kraft jetzt wieder aus ihr hervor, doch andererseits stimmte es sie auch sehr traurig, dass so viele ihres Volkes hier das Leben lassen mussten. Sie hatte gehofft eine grössere Schlacht vermeiden zu können, doch eine neue Welt, forderte meistens ihren Tribut.
Der Gedanke an diese neue Welt, welche sie nun daran waren zu erschaffen, war ihr grösster Antrieb. Sie war nicht mehr die Jüngste und hatte schon einiges in ihrem Leben erlitten. Schon als ganz junges Mädchen, war sie das erste Mal von einem Mann geschwängerte worden, dieser hatte sie nicht gut behandelt, er hatte sie zu den Wonnen gezwungen. Damals war sie zu jung und zu unerfahren gewesen, um sich richtige zur Wehr zu setzen. Viele Männer, hatten seither ihr Bett geteilt. Einige nahmen sich einfach was sie wollten, ohne Rücksicht auf ihre Gefühle, andere waren etwas einfühlsamer, aber auch nicht wirklich liebevoll. Eines Tages dann, hatte Solianas sie aufgesucht und wollte sie für seinen Harem.
Damals war das für sie eine Erleichterung gewesen, denn so konnte sie wenigsten den schlechten Lebensbedingungen in den unteren Vierteln entkommen und gewann etwas an Ansehen unter dem Volk. Der König und sie waren damals noch jung und er hatte sie gar nicht so schlecht behandelt, anfangs… er sich noch für sie interessierte. Dann jedoch hatte er sich immer mehr zum Negativen verändert und Dyandra schliesslich wieder aus dem Harem verbannt, als er ihrer überdrüssig wurde. Den meisten Frauen des Harems erging es so. Sie wurden nach einiger Zeit, einfach wieder ausgetauscht. Die Herrschaft von Solianas nahm dann auch stets an Grausamkeit zu. Er schien langsam den Verstand zu verlieren und versank manchmal in tiefe Melancholie, dann wieder in unerträgliche Aggressivität. Schon recht früh entdeckte Dyandra ihre seherischen Fähigkeiten, welche sie dann auch immer mehr nutzte.
Sie erhielt schliesslich eine Vision von einer neuen Welt, welche den Frauen endlich mehr Rechte einräumen würde. Die dunkle Mondgöttin suchte sie darin auf. Sie sagte ihr, dass es Zeit sei, den Widerstand gegen die Herrschaft der Männer zu planen und fremde Völker, Dyandra dabei helfen würden, erfolgreich zu sein.
Nun war dem Moment gekommen und sie kämpfte tatsächlich an der Seite völlig fremder Völker.
Triumph und Freude erfüllte sie und das half ihr auch bei ihrem nächsten Kampf. Sie trug einen metallenen Schild und eine leichte Streitaxt mit einer Spitze an ihrem oberen Griff-Ende. Ein Mann mit einem Langschwert griff sie an. sie schlug das Schwert mit dem Schild zur Seite und rammte ihm dessen Rand gegen die Kehle. Er taumelte zurück und fasste an seinen Hals, etwas Blut rann aus der Wunde, welche jedoch nicht sehr schwer war. Als er wiederkam und die angriff, wich sie zur Seite aus. Die Klinge seines Schwertes kratzte über den schräg gehaltenen Schild. Sie drückte die Waffe mit dem Schild weg und schlug dann mit dem scharfen Ende ihrer Axt, seitlich durch den Bauch ihres Feindes. Es begann sehr stark zu bluten, der Mann hatte tiefe, innere Verletzungen und brach röchelnd zusammen. Um seinen Tod nicht zu qualvoll werden zu lassen, hob sie die Axt ein weiteres Mal und spaltete ihm den Schädel damit. Er war nun augenblicklich tot.
Von hinten spürte sie nun selbst einen stechenden Schmerz. Sie fuhr blitzschnell, halb in der Luft schwebend, herum. Ein anderer Gegner mit zwei Kurzschwertern, hatte sie erwischt, zum Glück nur gering. Sie hob ihren Schild erneut blitzschnell und versuchte ihm das eine Kurzschwert aus der Hand zu schlagen, klirrend fiel es zu Boden. Der Gegner wollte danach hechten, aber Dyandra hielt ihn auf und stiess ihm die Spitze ihrer Axt in den Bauch. Er verlor das Gleichgewicht und fiel stöhnen zu Boden, während er seine klaffende Wunde mit seiner Hand bedeckte. Er besass jedoch eine unglaubliche Kraft und erhob sich wieder, wenn auch etwas taumelnd. „Du bist ein guter Kämpfer“, sprach die Frau „Willst du dich uns nicht anschliessen?“ „Warum sollte ich mich euch anschliessen?“ fragte der Verletzte finster. Sie erklärte ihm den Sachverhalt. „Nein, ich bin Solianas loyal ergeben.“ „Dann bedaure ich das sehr!“ Er griff sie ein weiteres Mal an, wieder mit beiden Schwertern, aber er hatte grosse Mühe sich auf den Beinen zu halten. Sie schlug mit dem Schild heftig gegen seinen Kopf und trat ihm dann in den Bauch. Er taumelte und trudelte etwas durch die Luft, bis er wieder etwa Bodenhaftung bekam. Doch da war die Seherin auch schon über ihm und durchtrennte seinen Hals mit der Axt. Blut spritzte aus seiner Halsschlagader und der Kopf rollte vom Rumpf direkt vor ihre Füsse. „Wirklich eine Verschwendung“, murmelte sie bedauernd und wandte sich dann dem nächsten Gegner zu.