Ein eitles Wesen welches sich im Spiegel betrachtet. Ein Streichen über die glatte Haut, stille Bewunderung liegt in ihren großen, runden Augen, noch wohnt ihnen Glanz inne. Keine Spur von Ärger oder Enttäuschung, noch keine Spuren vom Leben.
Ihre Hand verfolgt die geraden Linien ihres Halses. Das helle Licht wirft sanfte Schatten auf ihren Körper. Nichts Schöneres als ihre Erscheinung kann sie sich vorstellen. Es ist alles perfekt. Das Rot ihrer Lippen, das Blau ihrer Augen, das geräuschlose Schwingen ihrer dunklen Haare, die einen Kontrast zu ihrer blassen Haut bildeten.
Schönheit blendet den Verstand. Sie ist sich ihrer Wirkung durchaus bewusst. Sie bemerkt das Starren auf ihrem Rücken, die heimlichen Blicke durch Menschenmassen. Manchmal geht ihr ihre eigene Unerreichbarkeit selbst auf die Nerven. Aber sie kann nicht anders. Eine Bindung an einen Menschen bedeutet Aufgeben, Kompromisse. Niemand ist zu Kompromissen bereit und letzendlich ist es doch nur ein Ringen um die Vorherrschaft.
Sie wird den Moment nie vergessen, wie sie mit ihrem weißen Brautkleid im Spiegel stand, zerschlagene Scherben zu ihren Füßen.
Der Traum in Trümmern auf dem Boden.
Die Locken wippten, als sie den Kopf schüttelt, sie schüttelt den Kopf , obwohl Niemand im Raum ist. Der dunkle Kopf versuchte die Gedanken zu verbannen. Gehen am Strand, der Sand rinnt durch die Zehen, ein Meer voller Weite vor sich. Ein kleiner Mensch stirbt im Blau.
Hinter so viel Schönheit steckt so viel Schmerz, den Niemand sehen will. Ist das Aussehen doch nur eine zufällige Gabe, kommt ihr ihr Inneres so verschroben und einsam vor. Ein Widerspruch.
So viele Widersprüche in einer kleinen Welt, die sich stoßen. Widersprüche in einem Niemandsland.
So wenig ist von ihr vorhanden und doch so viel mit ihr verbunden. Sie spürt das Begehren der Anderen, nach ihrem Körper, ihrem Leben, ihrer Freude. Sie wollen mir das letzte bisschen Freude stehlen. Sie wollten , wenn sie könnten. Sie gieren nach mir, aber es geht ihnen dabei keine Sekunde um mich. Sie begreifen nicht, dass es ihnen mit meinem Körper und meinem Leben nicht besser gehen würde.
Der ewige Neid vernebelt die klare Sicht, den undurchdringlichen Verstand. Trachten nach dem Anderssein.
Die Frau in dem roten Kleid sitzt vor dem Spiegel und betrachtet ihr Antlitz wie das einer Fremden. Nichts weiter als eine Maske, auch wenn sie besonders hübsch ist. Von draußen ertönen Stimmen, einzelne Wortbrocken suppen durch den Türspalt. Sie beschließt sich ihnen anzuschließen , man wird sich wundern , wo sie bleibt.