Es war einmal eine kleine Seele. Die wollte gerne etwas Besonderes sein - „und mitten auf einer großen Wildblumenwiese leben“. Das schärfte sie Gott besonders ein, bevor sie sich auf die lange Reise vom Himmelreich auf die Erde machte.
Dort landete sie, wie alle Seelen, gerade so, wie sie Gott gebeten hatte. Idyllisch war es um sie her. Viele große wunderbare Kräuter und Blumen umgaben sie. Doch leider konnte keiner sie sehen oder hören – so weit entfernt standen die anderen Wildblumen, die alle viel, viel größer waren.
Da fühlte sich die kleine Seele sehr einsam und sie wünschte nichts sehnlicher, als geliebt zu werden.
Die Sonne kam und ging, die Monde kamen und gingen. Es wurde warm, es wurde kalt. Die kleine Seele haderte mit Gott: „Glücklich wollte ich sein und in einem Paradies. Aber was hast du stattdessen gemacht? Du hast mich so klein erschaffen, dass niemand mich bemerkt!“ Tränenn rollten ihre winzigen Wangen hinab. Ihr war so kalt, sie wollte Gott bitten, sie zurückzuholen ins Himmelreich, damit sie wieder die Wärme der anderen Seelen spüren konnte.
Doch Gott hatte Erbarmen. „Du sollst dich immer an mich erinnern, deswegen habe ich dir meine Farbe gegeben. Wenn du dich an mich erinnerst, wird dir auch viel wärmer.“
Doch die kleine Seele fühlte sich weiter einsam. „Was nützt mir die Farbe des Himmels? Mich sieht ja doch keiner!“
Da geschah ein Wunder: „Plumps!“ Mit dumpfem Geräusch landete ein seltsames Wesen auf der Wiese. Es hatte keine Wurzeln. Dafür konnte es laufen.
„Was mache ich hier, hier ist ja nichts Besonderes“, sagte das Mädchen. Es rupfte an ein paar Margeriten und betrachtete den Boden. „Oh! Wer bist du denn?“ Erst als sie genauer hinschaute, konnte sie die winzige blaue Blüte sehen.
Es war das Kleid der kleinen Seele. „Meinst du mich?“ Ihr Herz hüpfte. Dieses riesige fremde Wesen hatte sie ausgewählt! „Kommst du von Gott?“
Die Riesin lachte. „Von Gott? Ich? Lass das nicht meine Eltern hören. Die sagen immer, ich sei ein Satansbraten.“ Ein Finger näherte sich und strich über die sternenförmige Blüte. „Aber du! Du bist so vollkommen. Wie kann etwas so Winziges so perfekt gestaltet sein?“
„Ich bin nur eine kleine Wiesenblume, die anderen beachten mich überhaupt nicht“, entgegnete die kleine Seele, „aber du – du bist so riesig. Erzähl mir etwas von der Welt.“
„Was soll ich schon erzählen? Ich bin nur ein kleines Mädchen. An mir ist nichts besonders und von der Welt weiß ich auch nicht viel.“
„Für mich bist du besonders! Du bist die erste Seele, die mit mir spricht“, sagte die kleine blaue Blume.
„Ich gehe nicht einmal zur Schule. Und es gibt viele Kinder auf der Welt. Millionen. Aber du, du bist besonders.“
„Ich bin nur eine kleine blaue Blume auf einer großen Wiese.“
„Na hör mal, du bist weit und breit die einzige Blume deiner Art – fast hätte ich dich nicht entdeckt, so klein bist du. Hätte ich nicht auf meinen Bauch gehört, ich hätte mich nicht einmal hier hingesetzt. Dann hätte...“
„Auf deinen Bauch gehört?“
„Ja, da war plötzlich so ein warmes Gefühl. Das sagte mir ganz klar, ich soll mich hier hinsetzen – sonst hätte ich dich nicht entdeckt.“
„Passiert dir das öfters, dass dein Bauch dir was sagt, das du nicht verstehst, und dann lernst du jemanden kennen?“
„Naja, eigentlich nicht. Aber immer, wenn es so warm wird in meinem Bauch, und ich höre zu, dann passiert etwas Wunderbares.“
„Und was ist jetzt Wunderbares passiert?“
„Ich habe dich gefunden! Das ist ein Wunder. Du bist fast unsichtbar. Und so vollkommen wie ein Stern. Hätte ich mich irgendwo anders hingesetzt, ich hätte dich nicht getroffen!“
„Oh.“
„Und ich finde es toll. Ich mag einzigartige Blumen. Ich werde dich bestimmt nicht vergessen.“
Da schmolz das Herz des kleinen Blümchens. Ihr Wunsch wurde erfüllt. Obendrein wurde es geliebt, einfach nur so – weil es auf der großen Wiese stand und gesehen wurde! „Nun kann ich gut zurück zu Gott gehen“, sagte die kleine Seele, „ich werde geliebt.“ Doch bevor es zurückkehrte, sorgte Mutter Natur dafür, dass sich ganz viele Sternchen-Blumen bildeten und alle in der Farbe des Himmels blühen. Sie heißen: Vergissmeinnicht.