Dass Anya auf ihn gewartet hatte, fiel Valion erst ein, als er und Tarn zu den Knechten zurückkehrten. Anscheinend war aber auch niemand aufgefallen, dass sie eine Weile weg gewesen waren; irgendetwas anderes beanspruchte gerade die Aufmerksamkeit der Männer.
Die Knechte hatten sich am Ufer des Flusses im Kreis versammelt und starrten fasziniert auf einen Punkt in ihrer Mitte. In Anbetracht der Tatsache, dass Valion Anya mit einem Haufen Männer allein gelassen hatte, gingen ihm seltsame Gedanken durch den Kopf. Was er schließlich sah, als er sich nach vorn durchgedrängelt hatte, verblüffte ihn jedoch auf andere Art.
Im Zentrum des Kreises saßen Jefrem und Anya, zwischen ihnen ein großer, flacher Stein, der ihnen als Tisch diente. Sie konzentrierten sich beide auf die Karten in ihren Händen, und einige davon hatten sie bereits abgelegt.
Jefrem zog gerade eine weitere Karte, dann lachte er triumphierend auf. „Das kannst du nicht schlagen!“, rief er, in einem Tonfall, der von absoluter Sicherheit kündete, und schmetterte seine Karten auf den improvisierten Tisch. Irgendwo in der Menge sog jemand ehrfürchtig die Luft ein. Anya sah auf sein Blatt hinab, dann auf ihr eigenes und seufzte abgrundtief. Mehrere Männer in ihrem Rücken schüttelten ebenfalls den Kopf. Aussichtslos.
„Du hast völlig recht“, antwortete sie und legte ihre Karten offen, und einige Knechte nickten wissend. Sofort begann eine Diskussion über die Partie, getroffene Wetten wurden ausgewertet. Jemand fluchte laut darüber, dass Jefrem nicht so hoch gewonnen hatte, wie er es prophezeit hatte.
Anya wiederum lehnte sich zurück und lächelte nachgiebig, ganz die duldsame Verliererin. „Du beherrschst dieses Spiel eindeutig besser als ich.“
„Man kann nicht in allen Disziplinen glänzen“, sagte Jefrem und sammelte die Karten sorgfältig wieder ein, um sie in einer kleinen ledernen Tasche zu verstauen. „Bestimmt gibt es auch einige Gebiete, in denen du unschlagbar bist.“
„Einige behaupten, ich kenne mich ganz gut mit Männern aus.“ Anya zwinkerte ihm zu.
„Tut mir leid, Herrin, aber was das angeht, bin ich dir ebenfalls voraus!“, erwiderte Jefrem, und die Knechte lachten dröhnend darüber.
Die gute Stimmung wurde jäh unterbrochen, als sich jemand durch die Menge drängelte und genau auf Jefrem und Anya zu hielt. Es war Danilo, und er sah besorgt aus.
„Wir haben Besuch“, sagte er und deutete hinter sich. Seiner angespannten Miene nach zu urteilen war es kein willkommener. Es gab keinen, der sich nicht in die gezeigte Richtung umwandte, und gemeinsam blickten sie den Hang hinauf.
Auf halber Strecke zum Lager schien eine kleine Schar Männer zu stehen, Wächter, und wenn Valion es richtig sah, auch ein paar Diener. Und neben ihnen, unübersehbar durch das blonde Haar und die edle Kleidung, Eravier. Anya hatte wie immer recht behalten: Er war gekommen, um sie zu überprüfen.
Zwei seiner Wachen hatten sich gerade von der Gruppe gelöst, und sie waren eindeutig auf dem Weg zum Flussufer.
„Ich schätze, die sind wegen euch hier“, sagte Jefrem leise zu Anya, und obwohl er gefasst wirkte, war auch seine gute Laune verflogen.
„Das denke ich auch. Es wird das Beste sein, wenn wir uns jetzt verabschieden.“
Sie sah sich um, erspähte Valion und winkte ihn zu sich.
Valion seufzte und wandte sich schweren Herzens Tarn zu. Der schien zu verstehen, was in ihm vorging, denn er lächelte und legte Valion kurz eine Hand auf die Schulter.
„Keine Sorge, ich werde nicht weit sein. Immerhin haben wir eine Abmachung.“
Das allein genügte, dass Valion sich nicht mehr ganz so schwermütig fühlte.
„Danke für heute. Für alles.“
Valion winkte Marceus noch einmal aus der Ferne zu und stieß dann zu Anya. „Meinetwegen können wir los.“
„Sehr schön“, erwiderte sie. Doch statt voranzugehen, wandte sie sich noch einmal Jefrem zu. Sie beugte sich zu ihm hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke für den Nachmittag. Ich habe ihn sehr genossen.“
Valion hätte schwören können, dass sich Jefrems Wangen tatsächlich ein wenig röteten, und irgendein Spaßvogel ließ es sich nicht nehmen, zu pfeifen. „Das Vergnügen war ganz meinerseits“, brummte er leicht verlegen, und mehrere Männer grinsten. „Nun macht euch aber davon.“
„Wenn dieser Mann nur zu haben wäre!“, murmelte Anya, als sie außer Hörweite der Knechte waren und den Wachen entgegengingen.
„Meinst du das ernst?“, fragte Valion zweifelnd. Er mochte Jefrem, aus mehreren Gründen, aber in Anyas sonstiges Beuteschema passte er eigentlich nicht. Selbst als Anführer der Knechte konnte er nicht viel besitzen, und eine so imposante Erscheinung wie Guy war er auch nicht.
Anya schnaubte nur amüsiert. „Natürlich, warum auch nicht? Aber mich wundert nicht, dass du davon keine Ahnung hast, in deinem Alter war für mich auch jeder über 25 ein alter Mann.“
Valion verbiss sich den Protest, weil er sinnlos gewesen wäre. Hätte er gesagt, dass er sie oder Tarn überhaupt nicht alt fand, hätte sie ihn eben damit aufgezogen. „Klär mich eben auf“, sagte er stattdessen. „Ich soll ja schließlich von dir lernen, oder?“
„Na schön, wenn du darauf bestehst: Ältere Männer sind in der Regel geschickter, was die Liebe betrifft. Sie können warten, und sie wissen, was sie wollen. Und wenn jemand weiß, was er will“, sagte sie und zwinkerte Valion zu, „dann ist es Jefrem.“
Das ergab erstaunlich viel Sinn. Trotzdem konnte sich Valion nicht verkneifen, zu erwidern: „In dem Fall aber wohl nicht dich.“
Anya griff ihm wieder einmal ins Haar und verwuschelte es zu einem Vogelnest. „Reibe mir nur Salz in meine Wunde!“, sagte sie, nur gespielt beleidigt.
„Du wirst es verkraften. Du hast ja-“
Du hast ja noch die anderen. Die müssten dir doch genügen.
Valion verschluckte sich an seinen Worten. Hatte er wirklich dasselbe sagen wollen wie Nisha damals? Obwohl es ihn so tief getroffen hatte?
„Alles in Ordnung?“, fragte Anya, verwundert über sein plötzliches Schweigen. Und in diesem Moment wollte er ihr alles erzählen.
Doch dann hatten die Wächter sie erreicht, und der richtige Moment war schon wieder verstrichen. Die Männer waren in Eile und nicht in der Stimmung, irgendwelche Privatgespräche abzuwarten. Einer hielt schon eine Kette und Handfesseln bereit, griff grob nach Anyas Armen und legte sie ihr an, so wie man einen Hund an die Leine legte. Valion hob gottergeben die Hände, bereit für dieselbe Behandlung, aber der andere Wächter schüttelte den Kopf.
„Du nicht, du wirst erwartet. Mach dich besser gleich auf den Weg.“ Er deutete weiter den Hang hinauf, in Eraviers Richtung.
„Wozu werde ich denn-“, wollte Valion erwidern, und verstummte ungläubig.
Was wäre typischer gewesen für Eravier, als etwas Derartiges zu tun? Er hatte, in Sichtweite seiner Knechte, eine Decke auf dem weichen Gras ausbreiten lassen. Dort saß er, trank Wein und hielt ein Picknick, umstellt von Wachen und umsorgt von nicht weniger als drei Bediensteten. Ein vornehmer Beobachtungsposten, um seinen Untergebenen begreiflich zu machen, dass er sie nicht aus den Augen ließ.
„Ich soll allein gehen?“, fragte Valion, und der Wächter nickte.
„Geh schon, du kommst auch ohne mich zurecht“, sagte Anya sanft, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Und denk daran: Lächeln.“
Valion bemühte sich, Haltung zu wahren, während er den Hang weiter hinauf stieg, auf Eravier und seine Begleitung zu. Ganz gelang es ihm nicht, und er wünschte, Anya wäre bei ihm gewesen. Sie hatten sich derartig lange nicht voneinander getrennt, dass sie ihm ganz plötzlich fehlte. Und ohne sie vor Eravier zu stehen? Valions Herz zog sich bei dem Gedanken zusammen.
Was würde ihn jetzt erwarten? Ein Verhör? Oder Schlimmeres?
Doch je näher er herankam, desto mehr gewann er den Eindruck, dass Eravier in ungewöhnlich guter Stimmung war. Seine Erscheinung war noch eindrucksvoller als sonst, beinahe königlich. Sein Haar war sorgfältig zurück frisiert und im Nacken zusammen gebunden. Gekleidet war er in sanftes Grün, das in der orangefarbenen Nachmittagssonne beinahe weiß wirkte. Weiße Handschuhe und ein Spazierstock, den er beiseitegelegt hatte, vervollständigten das Bild des wohlhabenden Gastes einer Gartenparty. Er trank in absoluter Ruhe seinen Wein und beobachtete Valions Ankunft völlig unverhohlen.
Selbst, als Valion unentschlossen kurz vor ihm zum Stehen kam, setzte er seine Musterung fort. Valion hatte sich schon fast daran gewöhnt, nackt herum zu laufen. Aber jetzt fühlte er sich noch unwohler als zuerst vor Levin. Eravier schien etwas an ihm zu suchen oder zu erwarten. Valion wusste nicht, was das sein sollte, und je länger Eravier es nicht fand, desto nervöser wurde er. Er fühlte sich wie ein Kaninchen vor der Schlange.
Schließlich schien Eravier seine Musterung abgeschlossen zu haben.
„Sehr schön, du hast deinen kleinen Ausflug also wohlbehalten überstanden“, sagte er. „Jetzt lass dich ankleiden, und dann setz dich. Es sei denn, du ziehst es vor, nackt zu essen.“
Valion schüttelte hastig den Kopf, was Eravier köstlich zu amüsieren schien. Er gab zwei der Diener einen Wink, und einer der beiden trat mit einem Eimer und einem Lappen vor, der andere mit einem Bündel Stoff in den Händen.
„Das sind aber nicht meine Sachen.“ Die Worte waren Valion heraus gerutscht, bevor er sie zurückhalten konnte, doch Eravier lächelte nur spöttisch.
„Ich habe während meiner Besorgungen auch einige Erwerbungen für dich getätigt. Ein Ensemble, das deiner Erscheinung etwas mehr Stil verleihen sollte. Und jetzt verschwende nicht unser beider Zeit.“
Valion nickte nur unbehaglich und sparte sich jeden Protest. Er wurde noch einmal gewaschen und abgetrocknet. Danach half man ihm in seine Kleidung, obwohl es ihm eher vorkam, als würde er hinein gestopft. Die Diener waren grob, und ihnen war kein Lächeln abzuringen. Valion vergab ihnen, weil sie vermutlich den ganzen Tag mit Eravier verbracht hatten.
Zuerst merkte Valion nicht viel davon, dass seine Kleidung angeblich für ihn ausgesucht war: Seine Unterwäsche war jedenfalls nichts Besonderes. Aber das Hemd, das er danach gereicht bekam, war sehr weich und glatt. Es passte ihm genau, und einen Moment lang war dieser Umstand Valion fast unheimlich. Dann erinnerte er sich daran, dass Diener seine Maße genommen hatten, ganz am Anfang seiner Reise. Es musste in Windeseile geändert worden sein. Auch der Rest der neuen Kleidung, die ihm hastig übergeworfen wurde, saß wie eine zweite Haut.
Als Letztes half man ihm in seine Jacke, die in einem satten, dunklen Blauton gehalten war, und einer der Diener hätte ihn beinahe noch gekämmt. Valion zog ihm sein Werkzeug rechtzeitig aus der Hand.
„Das schaffe ich gerade noch selbst.“
Der Mann sah hilfesuchend zu Eravier, aber der nickte nur, zum Zeichen, dass es Valion gestattet war. Erleichtert kämmte Valion sein Haar selbst glatt und genoss, dass man ihn endlich in Frieden ließ. Nach der langen Zeit ohne Kleidung fühlte er sich eingeengt und warm, und sein nasses Haar trieb ihm nur noch mehr den Schweiß auf die Stirn.
Zu allem Überfluss war das noch nicht das Ende seiner Tortur. Eravier wies Valion mit einer Handgeste an, sich neben ihn zu setzen. Valion gehorchte, aber er hielt so viel Abstand, wie er sich getraute, ohne Eravier ganz offensichtlich zu meiden.
Wenigstens konnte er jetzt in Augenschein nehmen, was die Diener zubereitet hatten. Kalter Braten, kleine Kuchen, ein großes Stück Käse, liebevoll drapierte Birnenspalten, die Auswahl war reichlich und drehte ihm vor Hunger den Magen um. Dann gab es allerdings noch andere Gebäckstücke, die er nicht identifizieren konnte, die aber mit Fleisch gefüllt zu sein schienen. Dazu einige Dreiecke aus hellem Teig, die er endlich als Brot identifizierte, als er verstand, dass jemand die Krusten abgeschnitten hatte. Das kam Valion beinahe barbarisch vor. Etwas Grünes ragte zwischen den Brotscheiben hervor, das nach Kresse aussah. Eine Flasche mit dunkelrotem Wein rundete das Festmahl ab.
Es gab nur ein Problem an der ganzen Sache: Valion sah nirgendwo Besteck. Wozu zum Teufel hatte er die Reihenfolge von Messern, Gabeln und Löffeln gelernt, wenn es jetzt, in der vornehmsten Gesellschaft, in die er jemals geraten war, nichts davon gab? Das einzige Besteckteil in Sichtweite war ein kleines Messer neben dem Stück Käse. Sollte er die Hände benutzen? Oder wäre das unangebracht gewesen? Gab es eine Reihenfolge, die er einhalten musste?
Eravier bemerkte Valions Zögern. „Du darfst dich bedienen“, sagte er und griff nach dem kleinen Messer. Valions Herz machte einen Satz, und reflexhaft wollte er Eraviers Handgelenk packen. Mühsam beherrschte er sich, verkrallte seine Finger stattdessen in die Decke unter sich und sah dabei zu, wie Eravier ein Stück Käse abschnitt.
„Hier, koste das. Ich habe mir sagen lassen, er wäre in dieser Gegend ganz ausgezeichnet.“
Fordernd hielt er Valion das Stück entgegen. Der wusste im ersten Moment nicht einmal, wie er reagieren sollte. Erwartete Eravier ernsthaft-?
„Na los, Mund auf“, kommandierte er. Ja, er meinte es ernst; er wollte Valion damit füttern.
Vergiss es, dachte Valion. Aber hatte es irgendeinen Sinn, sich ihm zu widersetzen? Ihn am Ende zu kränken? Resignierend beugte Valion sich vor und ließ sich den Bissen direkt in den Mund schieben, wie ein kleines Kind.
„Brav. Nun, ist er nach deinem Geschmack?“ Eravier lächelte zufrieden, und dazu hatte er wohl auch allen Grund. Sein Sklave hatte ein weiteres Kunststück für ihn aufgeführt, wie ein dressierter Hund.
Valion begann zu kauen, weil es von ihm erwartet wurde, aber zugegebenermaßen schmeckte es sehr gut. Würzig, nicht zu trocken, genau das, was er gerade brauchte.
„Mh-hm“, nuschelte er zustimmend durch seinen Mund voll Käse hindurch, und hätte sich gern den Rest im Ganzen einverleibt, davon abgebissen wie von einem reifen Apfel. Wie lange hatte er nichts mehr gegessen? Zu lange, sagte sein Magen ihm, und knurrte prompt so laut, dass er erschrocken zusammen fuhr.
„Verzeihung.“
Eravier lachte tatsächlich auf.
„Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast das Mittagessen verpasst, nicht wahr? Mir erging es nicht besser.“
„Die Besorgungen?“, fragte Valion zaghaft. Eravier nickte, griff nach einer Birnenspalte und aß sie in zwei Bissen auf.
„Ich musste mich durch mühselige Verhandlungen quälen mit einem besseren Bauern, der glaubte, der Bürgermeister eines Kuhdorfs zu sein gäbe ihm Autorität. Dubois ist sein Name, und er ist ein Holzkopf.“
„Nomen est omen, schätze ich“, antwortete Valion; den Spruch hatte er bei seiner Mutter aufgeschnappt. Dann griff er aufs Geratewohl nach einem der dreieckigen belegten Brote, in der Hoffnung, dass Eravier keine weitere Konversation von ihm erwarten würde, wenn er den Mund voll hatte.
„Präzise“, erwiderte Eravier. Aus den Augenwinkeln sah Valion, dass er schmunzelte, aber auch er gab die Unterhaltung zugunsten eines belegten Brotes auf. Eine Weile lang aßen sie schweigend, jeder mit seinen Gedanken allein. Valion nahm sich auch einen Becher mit Wein, weil sein Mund trocken wurde, aber er trank ihn langsam. Nichts wäre schlimmer gewesen, als ausgerechnet vor Eravier betrunken zu werden. Trotzdem spürte er angenehme Schwere und Müdigkeit, und als er satt war, lehnte er sich nur zurück und sah schläfrig über die grünen Hänge hinweg. Ein friedlicher Anblick, der ihn fast seine Gesellschaft vergessen ließ.
Eravier aß langsamer als er, und er sprach dem Wein mehr zu. Allerdings schien er deutlich mehr davon zu vertragen; er blieb wachsam, zeigte kein Anzeichen von Rausch. Als die erste Flasche leer war, ließ er sich, ohne zu zögern, eine zweite bringen.
Nachdem er sein spätes Mittagessen mit einem letzten Stück Käse gekrönt hatte, fragte er: „Du hast deine Mahlzeit beendet?“
Valion nickte, und Eravier gab den Dienern einen Wink. Sie beeilten sich, die Reste des Essens zusammen zu raffen, und verschwanden ohne ein weiteres Wort in Richtung des Lagers. Valion und Eravier blieben allein mit den Wachen zurück.
Eravier beachtete sie gar nicht weiter, streifte sich die Handschuhe ab und legte sie beiseite. Mit einem zufriedenen Seufzen lehnte er sich dann zurück, streckte sich auf dem Rücken aus, faltete die Hände unter dem Kopf und schloss die Augen.
Valion blieb unschlüssig sitzen, auch wenn er sich gern hingelegt hätte. Die Versuchung war groß, denn Eravier hatte ihn die ganze Zeit über in Frieden gelassen, war beinahe umgänglich gewesen.
Unwillkürlich wanderte Valions Blick zu ihm. Er sah friedlich aus, wie er da lag. Eine Brise spielte mit Strähnen seines Haars, und das erste Mal, seit Valion ihn kannte, schien er tatsächlich ruhig, gelöst. Ein schmales Lächeln lag auf seinen Lippen, das weder spöttisch noch grausam war.
In diesem Moment erschien er Valion seltsam fremd. Wie ein anderer Mensch. Einer, der nicht jeden von sich fernhielt, der Vertraute haben mochte. Dessen Gesellschaft vielleicht jemand suchen würde.
Damals war er ganz anders, als er jetzt ist. Wir waren gute Freunde.
Er verstand Tarn, und seine eigene, nachgiebige Seite hätte ihm zu gern eingeredet, dass Eravier vielleicht nicht so schlecht war, wie er dachte. Aber sie gewann nicht die Oberhand, diesmal nicht. Etwas an dieser ganzen Situation war faul. Bis jetzt war jede Sekunde, die Valion in Eraviers Gegenwart verbracht hatte, bedrohlich gewesen. Doch jetzt, mit einem Mal, war dieses Gefühl verschwunden, und gerade dadurch wurde Valion bewusst, wie allgegenwärtig es gewesen war. Das ließ ihm keine Ruhe.
Warum wog Eravier ihn jetzt in Sicherheit? Was wollte er?
Eravier ist vernarrt in dich.
Valion schauderte bei der Erinnerung an Anyas Worte.
Mitten hinein in seine Grübeleien öffnete Eravier die Augen, und Valion schrak zusammen. Er hatte Eravier abwesend angestarrt, und verlegen wandte er den Blick ab. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Eravier wieder lächelte, aber etwas an diesem Lächeln war falsch.
„Ah, wo bleiben meine Manieren?“, sagte er und richtete sich auf, strich sich die Haare aus der Stirn. „Du willst dich nach deinem anstrengenden Tag sicher auch ausruhen. Komm.“ Und er wies Valion mit einer Handgeste an, seinen Kopf auf seinen Schoß zu legen.
Valions Gesicht fror ein, und diesmal konnte er nicht verhindern, dass Eravier es sah. Was sollte das? Wollte er sehen, wie weit er es treiben konnte, bevor Valion sich wehrte?
Ja, es musste etwas in der Art sein. Jeder andere Gedanke war zu widerlich, um ihn zu Ende zu denken.
„Danke, aber ich bin nicht-“, versuchte Valion abzuwiegeln, doch Eravier ließ ihn nicht ausreden.
„Ich bestehe darauf“, sagte er, und das genügte. Er drohte nicht, aber das musste er nicht; der Tonfall dieser drei Worte sagte Valion genug. Er konnte seinen Kopf auf Eraviers Schoß betten, oder er konnte mit den Konsequenzen leben.
Valions ganzer Körper verkrampfte sich, aber er zwang sich dazu, sich auf den Boden sinken zu lassen, hin zu Eravier. Vorsichtig, mit hämmerndem Herzen, legte er seinen Kopf auf Eraviers Oberschenkel, und drehte sich dann auf den Rücken. Er wollte eigentlich nicht zu ihm aufsehen, aber er würde auch nicht riskieren, einen seiner Arme unbrauchbar zu machen.
Eravier lächelte hämisch auf ihn herab.
„Warum so schüchtern? Entspann dich. Schließ die Augen.“
So sterbe ich also, dachte Valion säuerlich, und er fühlte dasselbe Zucken in den Mundwinkeln, das so charakteristisch für Anya war. Er verstand sie in diesem Moment sehr gut; wenn er nicht über die Situation gelacht hätte, dann hätte er vermutlich geschrien. Aber er schloss pflichtschuldig die Augen und konzentrierte all seine Aufmerksamkeit auf die Geräusche und Bewegungen um ihn.
Ein lauer Wind rauschte, und die Sonne auf seinem Gesicht war warm. In der Ferne hörte er immer noch Gesprächsfetzen der Männer am Flußufer. Dann und wann Vogelrufe, und wenn er sich konzentrierte, Eraviers Atem, der ruhig und gleichmäßig war. Zumindest das war Valion ein Trost. Was auch immer Eravier vorhatte, er war gelassen. Er legte eine Hand an Valions Schläfe, strich sein Haar zurück, und dann mit langsamen, regelmäßigen Bewegungen darüber. Die Berührung war angenehm, aber Valion wusste nicht, wie er sich dabei entspannen sollte. Er rechnete jede Sekunde damit, dass Eraviers Hand vorschnellen, ihn an der Kehle packen würde.
Unvermittelt begann Eravier ein Gespräch.
„Du hast dich in letzter Zeit sehr darum bemüht, mir zu gefallen.“
Valion war viel zu überrascht, um eine gute Antwort darauf zu geben.
„Äh- ja?“, stotterte er und verfluchte sich im selben Moment dafür. Fiel ihm nichts Schlagfertigeres ein, oder wenigstens ein ganzer Satz? „Ich meine: Wie kommst du darauf, Herr?“
„Du hast dein Erscheinungsbild deutlich verbessert. Und du eignest dir in beeindruckender Geschwindigkeit neues Wissen an. Wie ich höre, lernst du jetzt Schreiben und Lesen. Und heute hast du dich redlich bemüht, deine Scham zu überwinden. Ich würde sagen: mit nicht unerheblichem Erfolg.
Ehrlich gesagt war ich zuerst ein wenig besorgt.“
„Ja, Herr?“, fragte Valion möglichst neutral. Er verstand nicht, worauf Eravier hinaus wollte.
„Du schienst deinen Kampfgeist verloren zu haben“, antwortete er. Seine Hand glitt jetzt über Valions Gesicht, seine Wange hinunter, zog die Linie seines Kinns nach. „Ich vermisste den jungen Mann, dem ich fast das Schlüsselbein zertreten musste, damit er mit mir kommt. Du bist so farblos herum geschlichen. Du erschienst mir beinahe eingeschüchtert.“
Valion verbiss sich einen Kommentar, obwohl ihm in diesem Moment das Bild seiner Mutter vor Augen stand; ihr blutüberströmtes Gesicht, die gebrochene Nase. Der Tag, an dem er gefangen genommen worden war, schien ihm unendlich fern, aber dieses Bild war ihm sehr nah. Seine Mutter hatte Kampfgeist bewiesen, und Eravier war er zuwider gewesen. Warum heuchelte er Bewunderung?
„Jetzt allerdings“, fuhr Eravier fort, „scheint es mir, dass du ein wenig zu übermütig geworden bist. Vielleicht hast du dir ein wenig zu viel von dieser alten Hure abgeschaut. Oder von anderen, noch unwürdigeren Spielkameraden.“
„Ich-“ Valion wollte antworten, doch in diesem Moment bohrte sich etwas Spitzes in seinen Hals, und er zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen und riss die Augen auf. Eraviers andere Hand packte seine Schulter und drückte ihn eisern nach unten, sodass er sich nicht aufrappeln konnte, obwohl er sich im nächsten Moment mit all seiner Kraft gegen ihn stemmte. Valions Herz raste, er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen. Entsetzt starrte er hinauf zu Eravier, der tödlich amüsiert auf ihn herab blickte, und dann zu der Glasscherbe, deren Reflexionen er schemenhaft ausmachen konnte, und deren scharfe Kanten sich in seinen Hals bohrten. Spiegelglas ... er hätte es ahnen können.
„Shhh. Man fällt seinem Herren nicht ins Wort“, sagte er und grinste. „Daran sieht man, dass du noch viel lernen musst. Und jetzt hör mir gut zu. Ich habe dir einige Freiheiten gegeben, und dir deinen Spaß mit dem niederen Gesindel gelassen. Ich habe sogar deinen kleinen Ausflug erlaubt, obwohl diese alte, verbrauchte Hure mich darum gebeten hat. Aber zum Spaß deinen Platz verlassen, meinen engsten Vertrauten nach mir auszufragen ... du nimmst dir ein wenig zu viel heraus.“
„Ich- ich h-habe nicht-“, stammelte Valion angestrengt, aber Eravier drückte die Scherbe nur tiefer in seinen Hals, und er verstummte hastig.
„Glaub mir, ich habe meine Quellen. Du bist Tarn schnurstracks in die Arme gelaufen, hast selbst deinen kleinen Freund für ihn links liegen lassen. Und versuch nicht, mir einzureden, dass das deiner Ausbildung diente; unter ihm gelegen hast du ja offensichtlich nicht.“
Zwei Dinge wurden Valion in diesem Moment klar.
Dass irgendeiner der Knechte für Eravier spionierte; jemand, den nicht einmal Tarn verdächtigte. Er hatte nicht nur alles beobachtet, er hatte auch fetzenweise ihre Unterhaltung aufgeschnappt.
Und er verstand endlich, was Eravier an ihm gesucht hatte: einen Hinweis darauf, dass er mit Tarn geschlafen hatte.
Warum?
Er fand keine Antwort darauf. Was kümmerte es ihn?
Aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Eravier hielt in seinem Monolog nicht inne. „Ich hätte dir diese Scherze durchgehen lassen; was ist schon ein wenig Geplauder unter Freunden? Aber um deinen Willen zu bekommen hast du ja ein wenig Vorarbeit geleistet, nicht wahr? Du hast dich dabei nicht sehr nobel verhalten. Einen Wachmann einzuschüchtern, ihm einen Schnitt beizubringen ... diese Art von Spielen wirst du in Zukunft unterlassen.“
Valion wusste im ersten Moment nicht einmal, wovon er sprach, aber dann begriff er.
„Levin?“, fragte er irritiert, und Eravier hob eine Braue.
„Das ist sein Name. Warum-“ Irritiert hielt er inne, und Valion konnte es ihm nicht verdenken. Aber er konnte sich genauso wenig das irre Lachen verkneifen, das aus seinem Mund quoll. Er lachte und lachte, weil es so absurd war.
Levin. Dieser elende Feigling.
„Hat er das wirklich gesagt?“, fragte er erstickt, als er sich ein wenig beruhigt hatte, „Dass ich ihn geschnitten habe?“
„Ja. Aber es scheint, als müsste ich mir eine zweite Meinung einholen“, antwortete Eravier ruhig. Die Erkenntnis, dass er belogen worden war, hatte seine Stimmung gewandelt. Er war unheimlich ruhig, und Valion ahnte, dass er unter seiner gefassten Fassade raste. Allerdings kümmerte es ihn gerade herzlich wenig; das Ziel seines Zorns war schließlich nur Levin. Sollte der sehen, was er davon hatte.
„Ich nehme an, wenn ich Guy danach frage, wird er mir bestätigen, dass du Levin nicht angerührt hast?“
Valion hätte fast zugestimmt, aber das hätte bedeutet, dass er gelogen hätte. Und wozu hätte er das tun sollen? Er hatte nichts falsch gemacht. Er dachte an Levins eingeschüchterte Miene, wie er davon gelaufen war, und er konnte nicht verhindern, dass sich ein hämisches Lächeln auf sein Gesicht legte.
„Nein, würde er nicht. Ich bin ihm zu nahe gekommen. Aber ich habe ihn nicht geschnitten. Das Einzige, was verletzt wurde, war sein Stolz“, sagte er, und fügte grimmig hinzu: „Er hatte es verdient.“
Eravier war bei seinen Worten hellhörig geworden, und jetzt lächelte er wieder, beinahe amüsiert.
„Hatte er das? Sollte ich die Geschichte hinter eurer kleinen Fehde kennen?“
Valion fühlte sich ertappt, wandte den Blick ab. Das Letzte, was er wollte, war Eravier davon zu erzählen.
„Es gibt keine. Er hat versucht, mich einzuschüchtern. Mich verspottet. Also habe ich es ihm zurückgezahlt.“
Doch Eraviers Hand legte sich sanft an sein Kinn und zwang ihn zurück in seine vorherige Position. Er sah auf Valion hinab, wohlwollend, mit einem Lächeln, das beinahe freundlich war. Und Valion sah zu ihm auf, weil er keine andere Wahl hatte.
„Wozu?“, fragte er milde.
Valion überlegte einen Moment lang.
„Damit er sich nur einen Moment lang genau so klein und schwach fühlt, wie ich mich gefühlt habe.“ Der Hass in seiner eigenen Stimme beunruhigte ihn; er war ihm fremd. Aber er kam auch nicht dagegen an. Er hatte Levin verletzen wollen, und er wollte ihn immer noch verletzen.
Eraviers Lächeln vertiefte sich nur. Er sah liebevoll auf Valion hinab, strich wieder über sein Haar.
„So einschüchternd. So wild. Das ist der Blick, den ich sehen will. Genau so will ich dich haben.“
Bevor Valion ihn davon abhalten konnte, hatte er sich vorgebeugt, und einen Kuss auf seine Stirn gehaucht. Valion erduldete ihn stumm, denn die Spiegelscherbe bohrte sich immer noch in seinen Hals, als warnende Erinnerung; er hatte sich nicht zu widersetzen.
Dennoch, trotz allem, fühlte er unwillkommenen Stolz. Er schmeckte bitter, fühlte sich fremd an, aber er war da. Es lag an Eravier; sein Wohlwollen war so rar, so schwer zu erringen, dass es kostbar wirkte. Selbst Valion konnte sich dem nicht entziehen.
Im nächsten Moment war der stechende Schmerz an Valions Kehle verschwunden, und Eraviers Hand, die immer noch eisern auf seiner Schulter lag, schob ihn in sitzende Haltung.
Eravier selbst erhob sich. Anscheinend erklärte er ihre Auseinandersetzung damit für beendet. Die Scherbe, die er in den Händen gehalten hatte, war im nächsten Moment wie durch Zauberhand verschwunden, vielleicht in einer Tasche, vielleicht in seinem Ärmel.
Von einer der Wachen ließ er sich einen grob in Stoff eingeschlagenen Gegenstand aushändigen, der in etwa so groß wie ein Buch war.
„Ich habe ein Geschenk für dich vorbereitet“, sagte er und bedeutete Valion, zu ihm zu kommen. „Da du dich in letzter Zeit so unerwartet gut benommen hast, und sich deine kleine Eskapade als nichtig heraus gestellt hat, bin ich gewillt, es dir jetzt zu überreichen.“
Valion gehorchte, aber ihm war jetzt schon klar, dass dieses Geschenk, was auch immer es war, ihm nicht gefallen würde. Er sah es in Eraviers Augen. Währenddessen löste Eravier den groben Stoff des Bündels. Darunter kam ein Gegenstand zum Vorschein, der Valion unheimlich bekannt vorkam. Einen Moment lang betrachtete Eravier ihn selbst, dann reichte er ihn Valion.
„Sieh es als Ansporn, deine Ausbildung voran zu treiben“, sagte er, aber Valion hörte ihm kaum zu. Was er in den Händen hielt, war sein Spiegel. Nicht mehr zerbrochen, sondern mit neuem Spiegelglas versehen.
Tausend Gedanken rasten durch Valions Kopf. Er hatte die letzten Tage nicht nachgesehen, ob der Spiegel noch an seinem Platz lag; das war ein Fehler gewesen. Aber was bedeutete das?
Dass Eravier Bescheid wusste, und das vermutlich schon sehr lange. Dass selbst die Dinge, von denen er geglaubt hatte, sie seien ein Geheimnis, ihm offen lagen.
Valion fuhr mit dem Finger die Schnitzereien des Rahmens nach, die sanft geglättet worden waren, vielleicht geölt oder gewachst. Sie wirkten dunkler, noch schöner als zuvor. Aber nicht so schön wie das Bild, das sich ihm im Spiegel zeigte, und das war vielleicht beängstigender als alles andere.
Er erkannte sich nicht wieder. Das sorgfältig frisierte Haar, das nur ein wenig zerzaust war. Das elegante Hemd, die dunkle Jacke. Alles war ihm fremd. Besonders aber sein Blick. Er war seltsam intensiv, herausfordernd; dahinter lauerte etwas, das ihm nicht gefiel. Etwas, das ihn zu sehr an Eravier erinnerte.
Eravier riss ihn nicht aus seiner Betrachtung, aber er trat hinter Valion, legte eine Hand auf seine Brust. In der Reflexion des Spiegels sah Valion, dass Eravier sich ihm zuneigte, sein Mund direkt neben Valions Ohr.
„Du weißt, was ich dir damit sagen will, nicht wahr?“, fragte er leise, und Valion konnte nur stumm nicken. „Ja, du weißt es, und ich weiß es. Sieh dich vor, Valion. Ich sehe jeden deiner Schritte. Und wenn du neue Freunde suchst statt deiner alten ... ich könnte dir sehr vieles verzeihen.
Mein Angebot ist nach wie vor gültig. Folge mir, und ich werde dich unsterblich machen. Du hast alles dazu, was du brauchst. Außer die Entschlossenheit, dein Schicksal in die Hand zu nehmen. Und wer sonst, wenn nicht ich, kann dir deine Wünsche erfüllen? Deine Sicherheit garantieren?“
Seine Worte waren ruhig und sanft vorgetragen, aber Valion entging die Drohung in ihnen nicht. Einen Moment lang fragte er sich, ob er auf Eravier eingehen sollte, zum Schein. Andeuten, dass er etwas wusste, nur um zu sehen, ob Eravier ihm im Gegenzug etwas verraten würde. Vielleicht konnte er herausfinden, wie weit sein Wissen wirklich reichte.
Aber wenn Eravier mehr gewusst hätte, hätte er seine Karten dann nicht anders gespielt? Wozu dann die Finte, die Andeutungen? Nein, er konnte nicht Bescheid wissen. Er ahnte vielleicht, dass Valion mit der Rebellion verbunden war, aber er hatte keine Beweise.
Der Gedanke gab Valion neuen Mut. Eravier spekulierte darauf, dass er nervös wurde, dass er sich verriet. Valion wusste nicht, ob er gut genug war, Eravier wirklich zu täuschen. Aber er musste es zumindest versuchen.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Herr“, sagte er, und Eraviers Abbild im Spiegel grinste wölfisch.
„Natürlich nicht. Aber eines Tages wirst du vielleicht an meine Worte zurückdenken.“
Damit ließ er Valion los, und gab den Wachen erneut einen Wink. Einer nahm Valion den Spiegel ab, der andere näherte sich ihm mit Fesseln. Valion hob ergeben die Hände; die Aussicht, Ketten zu tragen, war in diesem Moment fast erleichternd. Er würde von Eravier wegkommen, endlich. Es kam ihm wie Stunden vor, dass er in diesen Albtraum hinein gestolpert war.
Doch bevor Valion abgeführt wurde, hielt Eravier ihn ein letztes Mal auf.
„Warte. Sieh mich an“, sagte er, und trat an Valion heran. Sorgfältig richtete er seinen Hemdkragen und die Schultern seiner Jacke.
Er erinnerte Valion dabei unheimlich an Anya; konzentriert, auf Formen bedacht, und sehr akribisch. Genau wie Anya strich er zum Abschluss noch einmal über Valions Schultern, trat einen Schritt zurück, nickte dann.
„Sehr schön. Geh nun. Und vergiss nicht: Ich erwarte von dir nur das Beste.“