Hintergrund: https://belletristica.com/de/books/16747-strahlen-sie-bestimmen-wer-du-bist
„Nun komm schon, Lynn. Er wartet!“, forderte ihr Vater sie grimmig auf.
Leicht seufzend nickte sie und stand auf. Sie hatte keine Wahl.
„Ich beneide dich so“, verriet ihre Schwester. „Einen Korrektor zu heiraten.“
‚Du kannst ihn gerne haben‘, hätte sie ihr am liebsten an den Kopf geknallt. Klugerweise hielt sie lieber den Mund.
Es brachte nichts, sich erneut darüber zu beschweren. Sie verstanden es einfach nicht.
Sie kannte diesen Typ nicht. Hatte ihn noch nicht einmal gesehen. Einen Eisklotz, den sie heiraten würde, mit noch weniger Gefühlen als ihre Familie.
Diese würde sie nie nachvollziehen können - wie fast alle Menschen auf der Erde mit ihnen. Einen Korrektor zu ehelichen war eine Ehre und bedeutete soziale Anerkennung. Die fehlenden Emotionen wurden eher als Vorteil angesehen – konnte man so doch leichter die richtigen Entscheidungen treffen.
Ja, sie hatte geflucht und getobt, ihrem Vater mittelalterliche Vorstellungen vorgeworfen.
Was hatte es gebracht?
Nichts.
Sie galt mal wieder als hysterisch und die besorgten Blicke hatten ihr eher Angst gemacht. Nicht, dass man sie noch in eine geschlossene Anstalt einweisen ließ.
„Er sieht wirklich hübsch aus“, verriet nun ihre Mutter und bekam tatsächlich einen schwärmerischen Ausdruck in den Augen. „Kurze blonde Haare, groß, breite Schultern… sicher hat er auch einen Sixpack.“
Toll! Das waren also die Merkmale für einen geeigneten Schwiegersohn.
Davon abgesehen, war das nicht unbedingt ihr Typ. Sie mochte dunkelhaarige Männer, am liebsten mit langen Haaren, Latino eben. Am liebsten einen heißblütigen Italiener wie in den alten Filmen, der ihr die ganze Nacht „Ti amo“ ins Ohr flüsterte und für zerwühlte Bettlaken sorgte.
„Wie heißt der Korrektor noch mal?“ Antandshalber, im Prinzip war es ihr egal.
„DO-10. Weshalb kannst du dir das nicht merken?“
Das war kein Name, sondern eine Nummer. Wer wollte schon so etwas wissen?
Ob er wohl einen Barcode eintätowiert hatte? Wie das verpackte Obst im Supermarkt?
Trotz der belastenden Situation musste sie angesichts dieser Vorstellung fast kichern und verbarg dies mit einem lauten Räuspern.
„Gut, ich gehe!“
Eine letzte Chance hatte sie noch. Dieser DO war ja angeblich von einem so nüchternen Verstand gesegnet. Dann würde er wohl auch einsehen, dass es keinen Sinn hatte mit einer Frau zusammen zu sein, die ihn absolut nicht wollte und ihn nur mit Gefühlsausbrüchen und hysterischen Anfällen nerven würde.
So arrogant konnte er doch gar nicht sein, um das nicht zu erkennen.