Es war bereits weit nach Mitternacht als der Alarm der Stadtwache nicht nur Eigo aus dem Schlaf riss, sondern auch seine zwei Kollegen, die mit ihm die Nachtschicht erwischt hatten. Eigentlich mochte er die Nächte hier, weil es meist ruhiger war als am Tag. Verschlafen sah er auf die Kugel über der Tür zur Wachstube und blinzelte zweimal. Jede Farbe hatte eine Bedeutung, doch lila war lange nicht mehr vorgekommen. Irgendwo war ein Mord mit magischem Hintergrund geschehen.
Die Nachricht, die sie kurz darauf erhielten, war sehr vage. Es stand nur darin, dass es sich um einen toten Mann im Wald handelte und ein Mitglied des Magierzirkels ebenfalls auf dem Weg zum Tatort war. Eigo seufzte. Magier konnten zwar recht hilfreich sein, doch meistens waren sie unglaublich kompliziert und hochnäsig. Sein Soldatenherz schlug schon immer für einfache, klare Dinge und keine schwierigen oder gar mystischen Begebenheiten. Doch wie jeder Soldat der Grafschaft Enari musste auch er seine Zeit in der Stadtwache abarbeiten und so war er nun zur Unterstützung irgendeines Magiers auf dem Weg in das nahe gelegene Waldstück, in dem der Mord stattgefunden hatte. Mit dem Pferd war er schnell vor Ort. Als guter Reiter, brauchte man nicht mal eine halbe Stunde. Er umrundete ein paar Bäume und konnte bereits einen leichten Lichtschein ausmachen. Es war also bereits jemand hier. Ein Stück abseits stieg er aus dem Sattel, band seinen Rappen an einen Baum und ging auf den Lichtkegel zu. Ihm stockte der Atem.
»Kein schöner Anblick nicht wahr?«, erklang eine tiefe Stimme neben ihm.
Erschrocken wandte er sich zu dem Mann an seiner Seite, eindeutig ein Magier, um.
»Wie konnte das passieren?«, fragte Eigo ungläubig.
»Ich habe keine Ahnung, aber es ist eine sehr brutale Tat und ungewöhnlich. Aber gehen wir erst auf Spurensuche. Später kommen dann Kollegen und holen den armen Kerl da raus.«
Eigo nickte nur schwach. Der Anblick des Mannes, der zur Hälfte in einem großen Baum steckte, war grausig. Er hatte schon auf dem Schlachtfeld gestanden, aber dieses verzerrte Gesicht oder besser gesagt die Hälfte, die man sehen konnte, war schauderhaft. Es wirkte, als wäre er von jemandem in den Baum hineingestoßen worden, doch derjenige hatte es nicht zu Ende gebracht. Kopfschüttelnd folgte er dem Magier, als dieser sich dem Tatort näherte. Eine schwebende Kugel aus Licht erhellte den Tatort mehr, als es ihm lieb war. Eigo atmete tief durch und besann sich auf seine Auftrag. Er musste herausfinden, was hier geschehen war.
»Könnt ihr mir eine kleine Lichtkugel formen?«, fragte er den Magier an seiner Seite.
»Mein Name ist Aren. Ja, natürlich«, nickte dieser und formte aus dem Nichts eine Lichtquelle, die Eigo auf die Hand nahm.
»Ist schon praktisch, das muss ich zugeben. Ich bin Eigo.«
Aren nickte und ließ ihn einen Moment allein, um sich den Leichnam genauer anzusehen. Eigo begab sich indessen auf Spurensuche rund um den Baum. Er musste nicht lange suchen, um Spuren eines Kampfes zu finden. Aufgewühlter Boden, viel Laub, welches um den Baum verteilt war, und eine Axt.
»Aren? Ist der Mann verwundet? Hier liegt eine Axt.«
»Nein. Er scheint gar keine Verletzungen zu haben. Höchstens ein paar Kratzer, wie von Ästen, soweit ich das beurteilen kann.«
Aren ließ von dem Mann im Baum ab und begab sich zu Eigo und seinem Fund. Vorsichtig ging er neben der Waffe in die Knie und hielt seine Hand darüber.
»Was ist eure Spezialisierung?«, fragte Eigo neugierig.
»Magische Signaturen und Zeichendeutung.« Arens Augen waren geschlossen und er schien konzentriert. Die dunklen Haare und die dunkle Robe seiner Zunft ließen ihn sehr düster und geheimnisvoll erscheinen. Ein Paradebeispiel für ein Mitglied des Magierzirkels.
»Also ein Hellseher.«
»Ein Zeichendeuter«, grummelte Aren. »Das ist nicht das Gleiche, aber dass ein Soldat die diffizilen Unterschiede nicht kennt, ist mir klar.«
»Oh, jetzt kommen die komplizierten Worte. Hat der Herr denn etwas gefunden?« Mit verschränkten Armen stand Eigo neben Aren und wartete.
»Natürlich habe ich etwas gefunden. Die Axt wurde nie gegen einen Menschen verwendet, sondern nur gegen Bäume und sie hat dem Opfer gehört. Die Schlussfolgerung ist, dass der Mann ein Holzfäller gewesen sein muss.«
Eigo sah Aren verblüfft an. »Aber die Bäume hier sind doch geschützt, oder etwa nicht?«
»Ja. Dies ist ein Hain, der auf magischem Boden steht. Dem Holz wohnt dadurch eine gewisse Kraft inne. Eigentlich weiß das jeder.«
Aren sah nachdenklich zu dem toten Mann im Baum.
»Vielleicht war dass das Motiv. Jemand hat ihn dabei beobachtet und wollte ihn bestrafen. So eine Tat kann doch eigentlich nur jemand mit Begabung begangen haben, oder?« wandte Eigo nachdenklich ein.
»Nun, das ist ja wohl offensichtlich. Von selbst verschmelzen Körper nicht mit Bäumen«, gab Aren herablassend zurück.
Eigo rollte mit den Augen und strich sich durch die kurzen braunen Haare. »Aber wer von euch ist zu so etwas fähig?«
»Unsere beste Chance ist es, wenn wir den Hüter befragen. Jeder magische Hain hat einen. Ich muss nur im Zirkel in Erfahrung bringen, wer für diesen hier zuständig ist. Ich hoffe, meine Kollegen bekommen den armen Kerl da heraus, ohne den Baum zu beschädigen. Eigentlich kann es nur jemand gewesen sein, der über gute Fähigkeiten im Bereich der Teleportation verfügt. Zum Glück ist das ein relativ kleiner Kreis an Verdächtigen.«
»Von wie vielen Personen reden wir denn, wenn ihr sagt, es ein kleiner Kreis? Und was soll das Motiv sein?«, fragte Eigo nachdenklich, während Aren schon die ersten magischen Nachrichten in den Nachthimmel schickte.
Tief in seinem Inneren musste der Soldat zugeben, dass solche Kräfte wirklich sehr praktisch waren. Allerdings würde er dies nicht noch einmal zugeben. Unter den drei Bereichen der Grafschaft herrschte schließlich seit jeher Konkurrenz. Um Ansehen, Macht und natürlich Geld.
»In Enari würde ich sagen, vielleicht vierzig Magier von denen ich weiß. Die Adepten nicht eingerechnet, denn sie wären nicht stark genug dafür, vor allem wenn man die Kampfspuren berücksichtigt. Einige von ihnen sind zurzeit nicht in der Gegend, aber die genaue Liste können wir morgen im Zirkel einsehen.«
Eigo seufzte erneut schwer. Ungefähr vierzig Verdächtige waren immer noch zu viel. Das einzig logische Motiv war der Schutz der Bäume in diesem Hain. Doch wer war so fanatisch?
»Das Holz bringt auf dem Schwarzmarkt viel Geld«, gab Eigo zu bedenken. »Vor nicht allzu langer Zeit, wurden öfter Menschen beim Handel mit magischem Holz erwischt. Aber bisher gab es keine Selbstjustiz und meistens war es in dem Fall bereits verarbeitet. Allerdings kamen diese Stücke selten direkt aus dem Wald, sondern waren durch Zwischenhändler und Handwerke in Umlauf gekommen. Wenn ich es recht bedenke, hätte der Hüter eigentlich einen guten Grund oder?«
Aren sah ihn nachdenklich an und nickte.
»Wenn er ein Magier ist oder über Teleportationmagie verfügt oder eine ähnliche Begabung hat, dann ja. Wir sollten ihn auf jeden Fall aufsuchen.«
Es dauerte einige Zeit bis Aren eine magische Nachricht erhielt, mit dem Namen es Hütern und der Wegbeschreibung zu seiner Hütte.
Der Magier übernahm die Führung und sah zu seinem Kollegen auf Zeit zurück, als dieser sich mit einer Frage an ihn wandte.
»Könnt ihr mir sagen, wer uns verständigt hat? Ich habe den Einsatz ja nur über den Zirkel erhalten, als Unterstützung.«
»Ein Spaziergänger, aber er wurde bereits überprüft.
»Ihr wart ziemlich schnell mit allem. Manchmal frage ich mich wirklich, wozu die Stadtwache überhaupt dazu gerufen wird.« Eigo klang deutlich genervt.
Er hatte noch einige Zeit auf diesem Posten abzusitzen und keine Lust mehr, sich mit Magiern herumzuschlagen. Auch wenn er zugeben musste, dass dies zumindest ein interessanter Fall war.
»Seid ihr nun die Stadtwache oder nicht?«, giftete Aren zurück. »Was habt ihr denn sonst zu tun, außer ein paar Taschendiebe zu fangen und Nachbarschaftsstreitigkeiten zu schlichten?«
»Ach ja? Und bei euch ist es besser? Den ganzen Tag irgendwelche merkwürdigen Experimente und nicht mal die kleinsten Tätigkeiten macht ihr noch ohne Hilfe. Lasst ihr euch auch von einem Zauberspruch den Hintern abwischen?«
Der Magier blieb abrupt stehen und funkelte Eigo an. »Neidisch?«
»Als ob!«
Den Rest des Weges herrschte Schweigen. Die Fronten hatten sich leicht verhärtet und wenn sich die beiden Partner wider Willen nicht noch schlimmere Beleidigungen an den Kopf werfen wollten, mussten sie sich beide etwas beruhigen. Erst als sie die kleine Hütte des Hainwächters erreicht hatten, besannen die beiden Männer sich auf ihre Aufgabe.
»Der Wächter heißt, laut der Nachricht die ich erhalten habe, Dio«, meinte Aren nachdenklich. »Er soll etwas seltsam sein, aber wenn jemand weiß, was hier passiert ist, dann er. Oder er kann uns wenigstens einen Anhaltspunkte liefern.«
Es hatte mittlerweile zu dämmern begonnen, sodass sie nur noch teilweise auf die kleinen Lichtkugeln angewiesen waren. Sie traten beide an die Tür und klopften mehrmals laut, doch nichts regte sich.
»Wir haben aber keine Spuren von anderen Menschen beim Tatort gefunden oder?«, fragte Eigo nachdenklich.
Aren schüttelte den Kopf und klopfte erneut.
»Ich schaue mal, ob ich was sehen kann.« Eigo ging leise um die Hütte herum und sah in die Fenster.
Vom Hausherren war nichts zu sehen, erst im Schlafbereich konnte er eine Gestalt ausmachen. Die Person schien reglos dazuliegen. Schwer zu sagen, ob tot oder schlafend. Es war klar, sie mussten irgendwie hinein gelangen. Der Soldat in ihm wollte gerne die Tür aufbrechen. Endlich mal wieder etwas Einsatz, statt langweiligem Alltag. Doch sie mussten besonnen vorgehen und so zog er auf dem Rückweg seine Dietriche aus der Tasche.
»Es liegt jemand im Bett, aber ich weiß nicht, ob er es ist und ob er noch lebt«, informierte er seinen Kollegen und machte sich sofort an der Tür zu schaffen. »Hoffen wir mal, dass er nicht die nächste Leiche in dieser Nacht ist.«
Mit wenigen Handgriffen war das einfache Schloss geöffnet. Er ließ Aren vorgehen, um auszuschließen, dass irgendetwas Magisches auf sie lauerte. Doch außer Unrat und einem abgestandenen, merkwürdigen Geruch begegnete ihnen nichts.
»Es riecht komisch. Aber nicht nach einem Leichnam«, sagte Aren leise. »Ich komme nur nicht darauf, was es ist.«
Eigo schnupperte und verzog das Gesicht.
»Das ist Traumkraut. Ist gerade der letzte Schrei. Eines der Dinge, mit denen wir uns momentan täglich beschäftigen. Wir wissen immer noch nicht genau, wie es hergestellt wird, aber es hat eine berauschende Wirkung. Bei Magiern wirkt es noch etwas besser.«
»Ich habe davon gehört«, gab Aren zu und betrat als Erster die Schlafecke. Als sie nah genug heran waren, konnten sie sehen, dass der Mann atmete, aber war völlig weggetreten war. Weder kaltes Wasser im Gesicht, noch Schütteln und Rufen konnte den Mann wecken. Aren hatte ihn mittlerweile als Dio identifiziert.
»Vergiss es, den kriegen wir nicht wach«, seufzte Eigo. »Das Zeug heißt nicht umsonst so. Vielleicht finden wir irgendwo Aufzeichnungen. Müssen Hüter nicht über alle Vorkommnisse eine Art Tagebuch schreiben? So, wie wir alle?«
Aren nickte: »Die Bürokratie ist überall.«
Gemeinsam gingen die beiden Männer ans Werk. In dem Chaos war es nicht leicht, etwas zu finden, doch nach einiger Zeit entdeckten sie das Journal des Hüters neben einer Kommode auf dem Boden des Wohnbereichs. Sie hatten die Lampen in der Behausung entzündet und konnten beinahe ohne Probleme die Einträge entziffern. Auf den meisten Seiten ging es um langweilige Statistiken bezüglich der Baumbestände, die Fällungen durch den Zirkel und Neuanpflanzungen. Ab und an gab es Sichtungen von Tieren oder Beschädigungen. Erst als sie das Buch mit den neuesten Einträgen fanden, kamen die wirklich interessanten Dinge ans Licht.
»Wenn man dem glauben darf, was hier steht. Dann hat Dio schon öfter Holzfäller in den Wäldern gesehen und sie auch verwarnt. Die Beschreibung des Einen hier könnte zu unserem Opfer passen. Ich frage mich, warum er das nicht gemeldet hat«, stellte Eigo nach einiger Zeit fest und deutete dann auf einen mysteriösen Eintrag. »Kannst du dir einen Reim darauf machen, was er hiermit meint?«
Aren nahm ihm das Buch aus der Hand und las mit gerunzelter Stirn die letzten Worte des Hüters.
»Das macht keinen Sinn. Sein Geist muss schon total verwirrt von dem Kraut gewesen sein. Dio schreibt hier, dass die Bäume sich vor seinen Augen bewegt haben.«
Eigo lachte laut. »Wahrscheinlich bewegt sich alles Mögliche, wenn man nur genug von dem Zeug geraucht hat.«
»Isch habsch aberrrr gescheehen ....«, rief es aus der Schlafnische, was die beiden Männer zusammenzucken ließ.
Aren und Eigo ließen die Tagebücher liegen und gingen auf den Hüter zu. Er war nur halb wach, wiederholte aber immer wieder seine Worte aus den Büchern.
»Siiie leben... schie bewegen sich... muschtt vorsichtig sein...« Dann herrschte wieder Stille.
»Was fangen wir damit nun an? Das ist doch Irrsinn oder?« fragte Eigo nachdem er sich versichert hatte, dass Dio wieder eingeschlafen war.
Aren sah nachdenklich nach draußen in den Hain. »Wir wissen nur, dass die Bäume eine gewisse Menge Magie aus dem Boden ziehen. Wir Magier ernten ja von ihnen Blätter, Rinde und Äste. Seltener werden ganze Bäume gefällt, aber solche Sichtungen sind mir bisher noch nicht zu Ohren gekommen. Lass uns bitte in die Stadt zurückgehen. Ich muss Nachforschungen anstellen.«
Sie hatten Dio in seinem Rausch allein gelassen, ihre Pferde geholt, welche noch in der Nähe des Tatortes angebunden gewesen waren, und hatten sich zurück in die Stadt begeben. Aren hatte Eigo dazu verdonnert Frühstück zu organisieren. Erst hatte er sich dagegen auflehnen wollen, aber der Gedanke an einen heißen Kaffee ließ seinen Widerstand bröckeln. Sie hatten gemeinsam gegessen und während Aren nun die Bibliothek durchforstete und sich mit anderen Magiern des Zirkels beriet, saß Eigo an einem der Tische und schrieb ihre bisherigen Entdeckungen auf. Ein Protokoll musste so oder so erstellt werden. Darüber hinaus verfasste er eine Anzeige gegen Dio. Ein bisschen hinterhältig war es vielleicht, aber er gehörte der Stadtwache und dem Militär an. Ein Hüter, der nicht mehr im Stande schien, seine Aufgaben zu erledigen, weil er dem Traumkraut verfallen war, musste überprüft werden. Vielleicht konnten sie dabei auch herauszubekommen, woher er sein Mittelchen bezog.
»Eigo? Ich habe mich mit einem unserer Botaniker unterhalten, unterbrach Aren die Gedanken des Soldaten.
„Das wurde auch Zeit, selbst die Mittagsglocke hat bereits geschlagen.«
Der Magier beachtete die nicht sehr freundliche Begrüßung nicht weiter und fuhr sofort mit seiner Entdeckung fort.
»In älteren Büchern ist tatsächlich darüber berichtet worden, dass den Bäumen eine gewisse Bewegungsfreiheit innewohnt. Besonders wenn die Magie sehr konzentriert ist. Seiner Ansicht nach gelten die magischen Bäume zwar nicht direkt als lebendig, aber er hält es für möglich, dass sie sich wehren.«
»Dann hat der Baum gemerkt, dass ihm jemand an den Kragen will, der selbst nicht magisch begabt ist. Ist das auch der Grund, warum nur Mitglieder des Zirkels in den Hainen arbeiten dürfen?«
Aren nickte langsam. »Ich vermute es. Wir müssen es nur beweisen. Aber ich weiß nicht wie, ohne dass sich jemand in Gefahr bringt. Ich glaube kaum, dass wir unsere Vorgesetzten mit dem Wenigen, was wir haben, von dieser Theorie überzeugen können.«
Eigo nickte zustimmend. Er wusste, dass sowohl der Hauptmann, aber noch vielmehr der General nicht so leicht zu überzeugen waren. Wahrscheinlich hatte sich der Fall bereits herumgesprochen.
Gemeinsam saßen Aren und Eigo nun am Tisch und besprachen verschiedene Methoden. Sie wussten nicht, was das Opfer genau getan hatte, aber ein direkter Angriff mit einer Axt war sicherlich ihre beste Chance. Vor Zeugen natürlich und mit einer magischen Aufnahme.
»Was ist, wenn nichts passiert?«
»Dann müssen wir uns wohl doch noch einmal um Dio bemühen und andere Wege gehen. Aber ich finde, dass es momentan unsere beste Theorie ist«, gab Aren zu. »Vor allem da wir fast alle Magier überprüfen konnten, die dazu fähig wären. Es könnte aber jemand von außen sein.«
Eigo pfiff anerkennend. »In den Stunden habt ihr wirklich viel geschafft.«
Aren sah genervt zu dem Soldaten und erwiderte. »Wir sind Magier, Eigo.« Als wäre das Erklärung genug.
Es verging noch etwas Zeit, bis sie mit allem ausgestattet waren und vor allem die Erlaubnis ihrer Vorgesetzten eingeholt hatten. Neben Eigo und Aren als Hauptermittler in diesem Fall, waren auch zwei Kollegen der Stadtwache dabei, um die Situation zu beurteilen und auch für zusätzliche Sicherheit zu sorgen. Außerdem hatten sie Verstärkung durch eine junge Magierin namens Gloria erhalten. Eigo war sie von Anfang an etwas unsympathisch mit ihrer hibbeligen Art und dem Drang, dauernd zu reden, doch Aren versicherte ihm, sie wäre eine der besten Illusionistinnen.
Mit Pferden machten sie sich auf den Weg zurück in den Hain und warteten bis es dunkel wurde. Dies hielten sie für wichtig um die Situation des Holzfällers so genau nachzustellen, wie es möglich war. Der Leichnam war derweil aus dem Baum entfernt worden und hatte nur eine leichte Kerbe hinterlassen. Der Bericht der Mediziner las sich gruselig, denn der Körper war nicht mehr völlig intakt gewesen, sondern regelrecht vom Baum aufgenommen worden.
Die Vorbereitung vor Ort hatte nur wenig Zeit in Anspruch genommen. Alle außer Gloria hielten sich im Hintergrund. Jeder war auf seinem Posten und nachdem Eigo das Zeichen gegeben hatte, begann die junge Illusionistin mit ihrer Arbeit. Vor den Augen aller Beteiligten erschien ein Bild, das leicht flimmerte. Kurze dunkle Haare, eine bullige Gestalt und eine Axt, die etwas zu übertrieben wirkte. So schien Gloria sich wohl einen Holzfäller vorzustellen. Sie alle wussten, dass die Axt den Baum nicht wirklich treffen konnte, da sie nur eine Illusion war, aber sie hofften, dass bereits der Anblick ausreichen würde. Wenn der Baum überhaupt so etwas wie Augen hatte. Keiner wusste, wie er die Bedrohung wahrnehmen würde.
Die bullige Gestalt lief mit eiligen Schritten auf den Baum zu, wirbelte die Axt, sah bedrohlich aus und hieb mehrmals nach dem potenziell mörderischen Baum, doch nichts geschah.
»Lagen wir falsch?«, fragte Aren leise.
Eigo war überrascht. Bisher hatte der Magier nicht gezweifelt.
»Vielleicht muss der Baum den Angriff tatsächlich spüren, um zu reagieren«, gab er zu bedenken und ließ einen Blick auf das Schwert an seiner Seite fallen. »Gloria? Wenn ich dieses Schwert werfe, könnt ihr es aussehen lassen, als hätte die Axt den Baum getroffen?«
Die junge Magierin sah kurz zu ihm, nickte und konzentrierte sich dann wieder auf die Illusion, welche immernoch um den Baum herumlief und wild fuchtelte. Sie gab Eigo mit einem Nicken das Zeichen, dass sie bereit war, und er zählte leise bis drei, bevor er das Schwert mit voller Wucht in Richtung des Baumes schleuderte. Mit einem lauten Knarren drang die Klinge in das Holz, während die Illusion genau diese Stelle mit der Axt zu treffen schien.
Erst wirkte es, als würde erneut nichts passieren, doch dann kam Bewegung in den Baum. Erst hörte man nur die Blätter rascheln, dann wurde das Knarren lauter die Äste begannen zu zittern und plötzlich schlug einer davon nach dem magischen Holzfäller. Natürlich gab es nichts zu treffen und so ging der Angriff ins Leere. Einen Moment schien es, als wäre der Baum von der Sache irritiert, versuchte mit zwei Ästen nach dem Mann zu greifen, doch wieder passierte nichts. Durch die Wucht des Schlags gegen seinen eigenen Stamm verlor das Schwert an Halt und fiel klappernd zu Boden. In diesem Moment kehrte wieder Ruhe in den Baum ein und außer viel Laub und etwas aufgewühltem Boden war nichts zu sehen. Gloria ließ die Illusion zerfließen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie sah erschöpft aus.
»Ich würde sagen«, begann Eigo überrascht, »wir haben unseren Beweis und sollten Gefahrenschilder aufstellen.«