"Kannst du mit dem besoffenen Kerl endlich aus meinem Taxi verschwinden?" Schwarze Mascara Tränen laufen mir die Wangen herunter als ich versuche ihn am Arm aus dem Auto zu zerren. "Tut mir leid, ich versuch's ja schon." Ich schniefe und hoffe, dass der Taxifahrer merkt, dass ich mein bestes gebe, das ganze hier so schnell wie möglich zu Ende zu bringen.
Seine Zunge ist schwer vom Wodka, als er mich ansieht und lallt "Lass mich in Ruhe du Schlampe, ich wohne hier nicht." Ich versuche ruhig zu bleiben und gar nicht auf seinen Einwand einzugehen. Ich wische mir mit dem Handrücken fahrlässig die schwarzen Striemen aus dem Gesicht und gebe dem Taxifahrer ein großzügiges Trinkgeld. Er sitzt mittlerweile auf der Bordsteinkante mit seinem Kopf zwischen den Beinen und starrt auf den Boden. Vor lauter Tränen brauche ich ein paar Minuten bis ich den Schlüssel unserer gemeinsamen Wohnung in meiner Handtasche gefunden habe. "Was brauchst du so lange? Kannst du eigentlich gar nichts richtig?" Es ist nicht er, der das sagt, versuche ich mir einzureden. Es ist der Wodka und der Whiskey und das Bier beim Abendessen, und morgen weiß er gar nichts mehr davon. Morgen ist er wieder der Mann mit dem ich diese Wohnung ausgesucht habe. Der, der seinen Freunden nach unserem 3. Date gesagt hat, dass er mich heiraten wird, weil ich seine absolute Traumfrau bin. Der Mann der ab und zu nachts aufwacht und mich so fest an sich zieht, dass mir fast die Luft wegbleibt, weil er Angst hat, dass ich ihn sonst verlassen könnte.
Ich habe endlich den Schlüssel gefunden und stecke ihn mit zitternder Hand ins Schlüsselloch. Ich strecke die andere Hand nach ihm aus, damit er sie nimmt und mir nach oben folgt. Er schaut sie angewidert an und geht an ihr vorbei, hoch in den 3. Stock. Erwartungsvoll schaut er mich auf dem Treppenabsatz an und wartet bis ich neben ihm stehe. "Worauf wartest du? Mach die Tür auf." Wortlos gehorche ich und schaue ihm dann dabei zu, wie er zum Kühlschrank geht und die Flasche Wodka aus dem Gefrierfach holt. Eine dünne Eisschicht hat sich darauf gebildet und seine schwitzigen Finger hinterlassen darauf einen Abdruck. Er nimmt ein Wasserglas und macht es zur Hälfte voll, setzt an und trinkt es aus. Dann wiederholt er das Spiel. Er schaut teilnahmslos auf den Tisch, sein Kopf wackelt hin und her, wie immer, wenn er betrunken ist. Er schürzt die Lippen, auch das macht er immer, wenn er betrunken ist. Ich gehe vorsichtig auf ihn zu und versuche die Flasche unauffällig zurück in den Kühlschrank zu stellen. "Was machst du da? Ich bin noch nicht fertig". Auf einmal steht er hinter mir und reißt mir die Flasche aus der Hand." Ich fahre zusammen aber er setzt sich einfach wieder an den Tisch. Ich wünschte er würde mich schlagen, damit ich endlich den Mut hätte, ihn zu verlassen, denke ich. Und im gleichen Augenblick denke ich wie schlimm es ist, sich so etwas überhaupt zu wünschen.
Er nimmt die Flasche auf den Schoß, als wäre sie das einzige, was heute noch für ihn zählt. Ich gehe ins Bad und setze mich auf unsere Badewanne und denke an morgen. Morgen weiß er von dem hier alles nichts mehr. Morgen werde ich ihm wieder einmal verzeihen. Morgen wird alles besser