Natürlich, da ist er wieder. Ich wusste, dass er hier irgendwo steckt, hatte ihn bislang nur nicht entdeckt. Aber kaum hat Sophie ihre Wohnung verlassen, löst sich ein Schatten aus einem nahegelegenen Hauseingang und heftet sich an ihre Fersen.
Der Typ folgt ihr schon seit Wochen überall hin. Als ich sie vor einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht habe, reagierte sie erst überrascht, dann verängstigt.
„Oh Gott, das ist bestimmt derselbe Kerl, der mir immer diese komischen SMS schickt“, realisierte sie dann. In WhatsApp hatte sie ihn längst blockiert, aber bei SMS wusste sie nicht, wie das ging. Ich auch nicht.
„Soll ich versuchen, ihn zu erwischen und zur Rede zu stellen?“, bot ich ihr an. „Vielleicht lässt er es bleiben, wenn er erkennt, dass er aufgeflogen ist und jemand sein Gesicht kennt.“
Zuerst hatte sie abgelehnt, Sorge um mein Wohlergehen ausgedrückt. Das war wie Balsam für mein Herz. Sie sorgte sich um mich. So sollte das unter Freundinnen sein.
Seit diesem Gespräch habe ich sie täglich darauf aufmerksam gemacht, wenn wieder ein Schatten irgendwo in ihrer Nähe herumschlich. Und gestern wurde es ihr dann zu bunt, sie erlaubte mir endlich, sie zu beschützen.
Jetzt biegt sie in eine Seitengasse ab – eine Abkürzung zu ihrem Nebenjob, wie ich weiß. Sie hat ihn erst seit ein paar Tagen.
Kaum ist der Kerl ebenfalls in der Gasse verschwunden, verkürze ich die Distanz zwischen uns mit einigen langen Schritten, biege um die Ecke.
Da ist er!
Schnell, aber leise trete ich hinter ihn, drücke sein Kinn mit einer Hand nach oben und lasse mit der anderen das Springmesser vor seinem Gesicht aufschnappen. Er ist zu überrascht, um Gegenwehr zu leisten.
„Lass sie in Frieden“, knurre ich in sein Ohr. „Du unterlässt deine Verfolgung ab sofort, sowohl hier draußen als auch online, digital, per Brief, Telefon oder sonstwie. Für dich ist sie tabu – haben wir uns verstanden?“
Ein schnelles, verängstigtes Nicken.
„Dann zieh Leine. Sofort. Und komm nie mehr zurück.“
Ich ziehe meine Hände nach links und rechts weg, gebe ihn frei, und er rennt wie der Teufel den Weg zurück, den wir gekommen sind.
Zufrieden grinsend stecke ich das Messer weg und gehe Sophie langsam nach, wie immer so, dass sie es nicht bemerkt.
Ich werde auch zukünftig verhindern, dass ihr irgendjemand zu nahe kommt.
Ich bin die Einzige, die ihr überall hin folgt und alles über sie weiß, und ich werde keine Konkurrenz dulden.