Morgen habe ich Geburtstag! Ich werde neun Jahre alt. Hoffentlich denkt Mama dran. So so seht wünsche ich mir eine Schokoladentorte mit Smarties oben drauf. Die hatte Fynn letztens mit in die Schule gebracht. Das war cool.
Gestern habe ich von meinem Ersparten schon eine Tüte Smarties und Schokolade gekauft, damit Mama auch ganz sicher den Kuchen backt.
Vielleicht kauft sie mir ja noch den roten Rock, den ich mir schon so lange wünsche.
Ich gehe ins Wohnzimmer. Mama liegt wieder betrunken auf der Couch.
Schnell räume ich die ganzen Bier-und Weinflaschen weg.
„Mama", ich schüttel sie sanft „denkst du an meine Torte?"
Sie grummelt nur ein „Ja, nachher. Lass mich schlafen."
Leise gehe ich in mein Zimmer. Mein kleiner Bruder Robin schläft schon. Schnell räume ich seine Sachen weg und dann lege ich mir mein einziges Kleid für morgen raus.
Es ist rosa mit weißen Sternchen. Eigentlich ist es mir schon etwas zu klein, aber für morgen wird es bestimmt noch gehen.
Ich kuschel mich neben Robin und schlafe ein.
Von einem nassen Kuß werde ich wach. „Herzichen Gdlückwusch" nuschelt Robin und umarmt mich.
Mein Geburtstag! Ich springe aus dem Bett und renne in die Küche.
Nichts. Kein Kuchen. Die Smarties liegen noch auf dem Küchentisch.
Traurig gehe ich ins Wohnzimmer. Mama liegt immer noch da.
Ich fange wieder an die leeren Flaschen wegzuräumen.
Robin kommt und drückt mich. Eine Träne rollt mir über mein Gesicht.
Jetzt bin ich neun und wenigsten wir zwei halten zusammen.
1 Monat später
Mit angezogenen Beinen sitze ich auf der Treppe und wiege mich hin und her. Meinen Kopf vergrabe ich in meinen Armen...die langen Haare schützen mich, wie ein dunkler Schleier.
"Sie ist tot." Dieser Satz dröhnt in meinem Kopf und ich weiß nicht, was ich fühlen soll.
Ja, sie war meine Mutter und die eigene Mutter liebt man, zumindest irgendwie.
Aber ich bin auch erleichtert, wie ein schwerer Rucksack, der von meinem Rücken genommen wird.
Kein Gebrüll mehr, keine Schläge, kein Flaschenwegräumen, keine Enttäuschungen über vergessene Geburtstage, Geburtstagskuchen und Geschenke.
Ich seufze und wische mir meine Nase an meinen Rocksaum ab.
Ich hebe den Kopf und blicke auf die Straße.
Trotz der Erleichterung verspüre ich auch Angst. Wie geht es jetzt weiter?
Bleiben Robin und ich zusammen? Ich bin doch nur ein Kind.
Aber er ist noch viel kleiner und hat nur mich, sein grosse Schwester.
Entschlossen stehe ich nun auf und streiche mir den schmutzigen Rock glatt.
Für Robin und mich werde ich kämpfen. Das kann ich, das musste ich die letzten Jahre auch.
Die Frau vom Jugendamt tritt mit meinem Bruder auf dem Arm aus der Tür.
Ich mache mich bereit.