Ich bin ein konfliktscheuer Mensch. So konfliktscheu, dass meine Therapeutin mir „Soziale Phobie“ diagnostiziert hat. Ich mag es nicht, wenn Menschen mich nicht mögen. Ablehnung ist für mich schwer auszuhalten.
Umso schwerer hat es mich getroffen, dass auf einer für mich wichtigen Schreib-Plattform meine aktuelle Geschichte als „unsensibel im Umgang mit sexuellem Missbrauch“ gesperrt wurde. Ich habe tatsächlich geweint deswegen. Nicht nur, weil ich damit eine große Leserschaft verliere, sondern auch, weil ich es als einen Angriff auf meine Persönlichkeit empfunden habe, so wie ich jede Kritik als Angriff auf meine Persönlichkeit empfinde.
Normalerweise habe ich einen Filter der Rationalität, der mir hilft, Kritik zu verdauen und angemessen darauf zu reagieren. Doch das, was mit der Sperrung in mir ausgelöst wurde, war mehr. Es stellte mich, meine Überzeugungen, meine Zukunftspläne auf die Probe und hat mich deswegen in den Grundfesten erschüttert.
Ich schreibe „Reue“ nicht, um Tabus zu brechen. Ich weiß nicht einmal, ob ich wirklich ein Tabu gebrochen habe. Eindeutig ist nur, dass ich eine Grenze überschritten habe, und dass ich nicht bereit bin, hinter diese Grenze zurückzukehren. Ich bin kein Märtyrer, der für die Freiheit der Künste stirbt, ich bin schlicht nicht bereit, mich den Hausregeln einer Internetplattform zu unterwerfen.
Und doch stellt sich mir die Frage: Habe ich möglicherweise wirklich ein Tabu gebrochen und ist das der eigentliche Grund, warum meine Geschichte gesperrt wurde? Ich will in diesem Text versuchen, diese Frage – vor allem für mich selbst – zu beantworten und werde dafür in zwei Schritten vorgehen: Zunächst frage ich, was genau ein Tabu ist, dann stelle ich den Sachverhalt meiner Sperrung dar.
Das Wort „Tabu“ selbst ist polynesischer Herkunft und „[…] könnte mit „heilige Scheu“ übersetzt werden und umfasst die Eigenschaften heilig, geweiht einerseits, und unheimlich, gefährlich, verboten, unrein andererseits“ [1]. Ein Tabu ist damit bereits im ganz wörtlichen Sinne ein zweischneidiges Schwert, da es zwei unterschiedliche Bedeutungen hat. Darüber hinaus betreffen Tabus üblicherweise Dinge, die verboten werden müssen, da von ihnen ein besonders starker Reiz ausgeht. Sie wirken „[…] reizend und unwiderstehlich, weil sie auf einem ins Unbewusste verdrängten starken Begehren beruhen“ [2]. Der Zweck von Tabus besteht dabei darin, den Einzelnen oder die Gesellschaft vor eventuellen oder akuten Gefahren zu schützen. Der Duden bezeichnet ein Tabu im bildsprachlichen Sinne als ein ungeschriebenes Gesetz, das auf Grund bestimmter Anschauungen innerhalb einer Gesellschaft verbietet, bestimmte Dinge zu tun.
Das Problem entsteht da, wo nicht nur eine Handlung an sich ein Tabu darstellt, sondern auch das Sprechen darüber tabuisiert wird und somit ein Tabuwortschatz entsteht. In diesen muss man sich einarbeiten und Wege finde, darüber zu kommunizieren, die einerseits verstanden werden können und andererseits nicht selbst einen Tabubruch darstellen.
Problematisch ist ebenfalls, dass in unserer modernen Kultur viele Tabus so internalisiert sind, dass wir uns selbst nicht einmal bewusst sind, dass sie existieren, zumal nicht darüber gesprochen wird. Festgeschriebene Gesetze kann jeder nennen, man sagt sicherlich auch sehr schnell Dinge wie „Das Eigentum anderer tabu für mich“, doch tatsächlich über ungeschriebene Gesetze reflektieren, fällt schwer, gerade weil diese ungeschrieben sind und uns so in Fleisch und Blut übergegangen sind, dass wir sie nicht einmal mehr wahrnehmen.
Nicht immer ist es möglich, offen mit Tabus umzugehen: „Das Thematisieren von Tabus bedarf besonderer Lebenssituationen sowie gesellschaftlicher Räume, in denen die (verinnerlichten) Konventionen weniger stark wirken als das Bedürfnis sie zu durchbrechen“ [3]. Das Ergebnis der hier zitierten Studie von Loch ist für mein eigenes Thema hochinteressant, da es speziell um sexualisierte Gewalt ging, daher werde ich kurz einen ihrer Befunde in eigenen Worten wiedergeben: Die Rede ist von einer Tochter, die während des Nationalsozialismus von ihrem Vater traumatisiert wurde. Sie stellt noch im Interview für die Studie ihre Beziehung zum Vater als liebevoll dar und führt die erlittene Gewalt auf die generelle Brutalisierung der Gesellschaft in der NS-Zeit zurück. Damit schützt sie ihren Vater und stellt ihn selbst als ein Opfer dar. Es ist für sie nicht möglich, den gesellschaftlichen Erwartungen zu widersprechen und ihrem Vater direkt vorzuwerfen, was er getan hat. Sie kann das Tabu nicht durchbrechen, da sie den Mythos der heilen Familie und des guten Vaters internalisiert hat [4]. Zentral dabei ist, dass diese Wirklichkeitsverzerrung für das traumatisierte Opfer ein Schutzmechanismus ist, um das Trauma überleben zu können. Das Tabu hilft somit, sich der Realität nicht stellen zu müssen.
Wir haben in diesem Abschnitt also festgestellt, dass es sich bei Tabus um Verbote handelt, die nicht festgeschrieben sind und darüber hinaus zumeist so internalisiert sind, dass man nicht einfach nur „nicht darüber spricht“, sondern im Extremfall sogar „nicht darüber sprechen kann“. Insbesondere die letztere Erkenntnis wird vermutlich eine wichtige Rolle spielen. Doch genug Theorie, kommen wir zur Praxis: Im nächsten Abschnitt befasse ich mich mit meinem konkreten Fall.
2.) Die gesperrte Geschichte
Ich habe eine Fanfiction zu Harry Potter geschrieben, die neben der für mich üblichen Hermine Granger auch noch Tom Riddle als Protagonisten hat. In dieser Geschichte geht es vordergründig um Zeitreise und den Versuch, den Krieg bereits in der Vergangenheit zu gewinnen, eigentlich jedoch möchte ich (mal wieder) eine Charakterstudie betreiben. Ich möchte mir einen abgrundtief bösartigen Tom Riddle anschauen, der von Narzissmus und Sadismus geprägt ist, und unsere gute Hermine, die mit ihren eigenen dunklen Seiten zu kämpfen hat. Ich möchte zeigen, dass ein 17jähriger Junge durchaus noch lernen kann zu fühlen, wenn vielleicht auch nicht mehr so wie wir. Ich möchte zeigen, dass man eine romantische Beziehung führen kann, die trotzdem ungesund und vergiftet ist.
35 Kapitel lang ging dies gut, bei Kapitel 36 schalteten sich die Operatoren auf einer meiner vielen Veröffentlichungsplattformen ein und sperrten die Geschichte. Zunächst dachte ich, der Hintergrund sei eine Szene gewesen, in der Hermine sexuell durch Tom missbraucht wird (nein, sie haben keinen Sex), dabei jedoch Erregung verspürt. Doch obwohl dies wohl der Anlass war, ist die Ursache komplexer.
Das Problem ist die Grundannahme, dass Hermine irgendwelche Art von guten Gefühlen für Tom, der sie quält und erniedrigt, hegen könnte. Dies wurde als "unsensibler, fahrlässiger Umgang mit sexuellem Missbrauch" angesehen. Die Argumente und Zitate der Operatoren waren vielfältig und hatten Hand und Fuß. Wenn Hermine sexuelle Erregung verspürt oder Tom auch nur im Entferntesten als begehrenswerten Mann empfindet, beschönigt das die Tatsache, dass er ein sadistisches Monster ist, dass er sie sexuell missbraucht, dass er sie demütigt.
Ich fand dieses Thema unheimlich spannend, doch war mir nicht bewusst, dass ich damit an ein Tabu rühre. Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung ist etwas Schlimmes, die Gesellschaft tut gut daran, es zu dämonisieren und als das Verbrechen darzustellen, das es ist. Das Problem ist nur: Es gibt Menschen, die nicht aus Affekt und Aggression jemanden vergewaltigen, sondern aus Lust und Erregung. Und es gibt Menschen, die Schmerzen oder Demütigung oder Machtlosigkeit als lustvoll empfinden. Spätestens seit 50 Shades of Grey weiß das die Gesellschaft auch.
Über Fetische kann man heute relativ offen sprechen, die meisten haben eine Vorstellung davon, was BDSM bedeutet - wenn auch vielleicht durch 50SoG verzerrt - und nicht wenige haben selbst schon mal Fesselspielchen ausprobiert. Was also ist anders?
Das Tabu, das ich berühre, geht noch tiefer. Sexuelle Gewalt war schon immer etwas anderes als Gewalt an sich, da Sex selbst lange Zeit durch die Kirche tabuisiert worden war. Wir verstehen noch heute unsere Erregung kaum, trauen uns nicht, eigene Wünsche zu formulieren, unseren eigenen Körper als Herrscher über die Lustgefühle anzuerkennen. Sexualität macht uns Angst, erfüllt uns mit Scham und hat bis zum Ende immer ein Element des Unaussprechlichen in sich.
Reine Gewalt wird in der Popkultur durchaus glorifiziert: Man denke an Fight Club, wo sich die Männer gegenseitig blutig schlagen. Es gilt als urmenschliches Aufbäumen gegen die kapitalistische Gesellschaft, es hat ein anarchisches Element, obwohl es am Ende doch nur das ist: Gewalt. Versucht man sich, den Fight Club als Rape Club vorzustellen, scheitert man: Vergewaltigung ist immer ohne gegenseitiges Einverständnis. Man kann höchstens in den D/s-Bereich gehen oder Sado-Masochismus ausprobieren, um dem nahezukommen.
Und nun komme ich und beschreibe eine Szene, in der Hermine zunächst erregt ist, ehe ihr aufgeht, dass Tom mit ihr spielt. Sie will das abbrechen, fordert ihn auf, es zu lassen, sagt deutlich nein. Doch er fährt fort - und sie kann nicht anders, als es zu genießen. Anschließend wirft sie ihm an den Kopf, er habe sie vergewaltigt und dass sie es genossen habe, mache die Sache nur noch schlimmer. Vergewaltigung wird häufig auf die erlittene Gewalt reduziert, das Opfer leidet, hat Schmerzen, wehrt sich. Doch noch viel schlimmer ist es, wenn das Opfer nicht "nur" Gewalt erfährt, sondern erfahren muss, dass es nicht Herr über den eigenen Körper ist. Es erfüllt einen mit Scham, dass man die unerwünschte Berührung genossen hat, man macht sich Vorwürfe, denkt am Ende, man sei selbst Schuld. Es kann die Seele zerreißen, wenn man das nicht verarbeitet. Man verachtet sich selbst für sein sexuelles Verlangen, für seine animalischen Triebe. Man zweifelt am eigenen Verstand.
So auch Hermine. Doch da ist mehr bei ihr. Schon zuvor hat es Szenen gegeben, in denen sie die Berührung von Tom zugelassen hat und sogar ganz unvoreingenommen als angenehm empfunden hat. Sie steht nackt vor ihm, und obwohl ihr übel ist vor Angst, was er mit ihr anstellen könnte, sinniert sie darüber, warum ihn ihr nackter Anblick nicht erregt. Tom hat etwas in ihr geweckt, was sie nicht kennt, nicht versteht, nicht sehen will.
Das Tabu, sexuellen Missbrauch als etwas anderes als Gewalt darzustellen, soll die Gesellschaft und den Einzelnen davor schützen, dass sexualisierte Gewalt jemals salonfähig wird. Sex ist heilig, die Unversehrtheit des Körpers ist heilig. Doch damit verliert man die Fähigkeit, tatsächlich über Missbrauch zu sprechen, gerade wenn die Grenze zwischen Gewalt und Genuss verschwimmt. Man verliert die Fähigkeit, über Menschen zu sprechen, die auf der einen oder anderen Seite Lust daran empfinden.
Sexuelle Gewalt darf thematisiert werden, aber nur als Akt der Gewalt, der ein Trauma auslöst und anschließend (im besten Falle) strafrechtlich verfolgt wird. Doch was ist mit den anderen Fällen, wo darüber geschwiegen wird? Wo das Opfer ebenfalls traumatisiert wird, aber die Stärke besitzt, über sich selbst zu reflektieren und sich einzugestehen, dass die Lust eben da war, ganz unabhängig vom eigenen Willen. Was ist mit jenen Menschen, die es wagen, in die dunklen Abgründe ihrer Seele zu schauen?
Ursprünglich stammt beispielsweise der Sadismus, der auch Tom Riddle kennzeichnet, aus der Literatur, genauer gesagt vom Marquis de Sade. Ich habe in Vorbereitung auf die Fanfiction sowohl de Sade im Original gelesen ("Die Philosophie im Boudoir") als auch Sekundärliteratur zu ihm und SM allgemein. Heute gibt es zwei Diskursfelder, die sich mit Sadismus beschäftigen: die Ästhetik in Form beispielsweise des Romans und den juristisch-medizinisch-psychologischen Diskurs über pathologischen Sadismus [5], wobei letzteres definitiv weniger Literatur hervorgebracht hat als ersteres. Wir stellen also fest, dass Sadismus nach wie vor hauptsächlich in der Literatur verarbeitet wird, wo er immer eine ästhetische Komponente hat, während er in der Realität im symbolischen Spiel z.B. innerhalb einer D/s-Beziehung ausgelebt wird. Der Sadist lebt hier seine Neigung mittels Symbolik aus, ohne in pure, einseitige Gewalt zu verfallen. Wir haben in der Realität keine Möglichkeit, Sadismus - und damit auch die Lust am sexuellen Missbrauch - ernsthaft zu erleben, es kann immer nur durch Spiel substituiert werden.
Anders in der Literatur: Hier haben wir die Möglichkeit, das Unsagbare zu sagen, einen Raum zu öffnen für das, was im Unbewussten schlummert, ohne dass dabei wirklich jemand zu Schaden kommt. Heitmüller greift hier auf Foucault zurück: "Die Sprache als Revolte sei der Versuch, eine 'Erfahrung des Unmöglichen' zu repräsentieren - also dessen, was die imaginären Erfahrungen des Subjekts ausmache: die schattige Schicht des Verlangens, der Träume und der Gewalt" [6]. Gerade weil es sich um Fiktion handelt, können wir und als Autoren also mit den Abgründen der Psyche beschäftigen, sie darstellen und im Zweifelsfall auch ästhetisieren.
Letzteres habe ich gar nicht unbedingt vor. Natürlich soll meine Geschichte auf den Leser erotisch, erregend, ansprechend wirken. Aber genauso ist es mein Anliegen zu vermitteln, wie schwer die Gratwanderung ist, die da begonnen wird. Die Szene, die Anlass der Sperrung war, beginnt erotisch: Hermine genießt die Berührung, Tom verführt sie mit seinen Worten. Ich wähle bewusst ansprechende Worte, versuche bewusst, eine erotische, ansprechende Stimmung zu erzeugen. Bis zu dem Augenblick, wo Hermine zu Tom schaut und erkennt, dass er völlig unberührt bleibt und nur seine Macht demonstriert. Die Stimmung kippt und Hermine wehrt sich. Ein Leser gab mir die Rückmeldung, ihm sei schlecht geworden bei der Szene - und genau das wollte ich erreichen. Der Leser sollte sich fühlen wie Hermine, er sollte in die Falle der erotischen Verführung tappen, um dann aufzuwachen und sich in einer monströsen, abstoßenden Situation wiederzufinden, aus der es kein Entkommen mehr gibt.
Hermine versteht augenblicklich, was geschehen ist, doch sie kann nicht mehr zurück. Und hier tut sich der Abgrund ihrer eigenen Seele auf: Irgendwo tief in ihr schlummert das versteckte Verlangen, sich fallen zu lassen, die Kontrolle aufzugeben und sich wie eine Puppe in die Hände von Tom zu begeben. Er weiß das, sie wehrt sich noch dagegen, gesteht es sich selbst nicht recht ein. Diese Darstellung war für meine Heimat-Plattform zu viel. Sie konnte nicht zulassen, dass Quälerei und sadistisches Verhalten vom Opfer als angenehm empfunden wird, sie konnte nicht zulassen, dass auch nur angedeutet wird, dass man während einer Vergewaltigung Erregung verspüren könnte.
3.) Das Tabu ist nicht gebrochen
Das Tabu, an das ich hier stoße - um zum Abschluss zu kommen - hat also mit der Heiligkeit des eigenen Körpers zu tun, mit der Scham, die Sexualität umgibt, und mit der generellen Ablehnung von Gewalt. Ich beschäftige mich mit einem oftmals ausgeblendeten Gebiet dessen, was uns zum Menschen macht: der Sexualität in all ihrer Komplexität. Und ich gebe der dunklen, unausgesprochenen Seite eine Sprache. Es ist die Sprache der Fiktion, eine Sprache, die automatisch ästhetisiert, doch nicht automatisch verharmlost.
Wir müssen über sexuellen Missbrauch jeglicher Art sprechen, wir müssen insbesondere jenen Opfern, die nicht nur Gewalt, sondern auch Lust dabei empfunden haben, eine Stimme geben, ihnen zeigen, dass sie sich nicht zu schämen brauchen und dass sie auch dann Opfer sind, wenn sie einen Orgasmus in Folge einer Vergewaltigung erfahren haben. Doch genauso muss es einem Autor möglich sein, in der Fiktion die Täter darzustellen, ihre Lust, ihre Erregung, ihre Gefühle.
Meine Geschichte ist eine Romanze, insofern ich die Gewalt zwischen Hermine und Tom ästhetisiere. Aber sie ist vor allem und in erster Linie eine Tragödie, da ich - so hoffe ich doch - ausführlich darstelle, wie ungesund eine solche Beziehung zwischen zwei Menschen ist.
Wer ein Tabu bricht, muss damit rechnen, dass die Gesellschaft das Verbot mit rigorosen Strafen durchzusetzen versucht. Mit allen Mitteln wird versucht, den Abtrünnigen zurück auf den Pfad der Tugend zu lenken. Habe ich ein Tabu gebrochen? Meine Antwort ist: Nein. Habe ich an ein Tabu gerührt, es offen gelegt und damit einen Raum für Diskurs eröffnet? Vielleicht. Hoffentlich. Mein Ziel ist es, Sadismus und seinen Gegenpart darzustellen, das Machtgefälle, das in so einer Beziehung entsteht, darzulegen, die Abhängigkeit und verzerrte Liebe zu untersuchen - und doch, so sehr ich es mit den Mitteln der Fiktion auch zu ästhetisieren versuche: Meinem Leser ist immer klar, dass das hier, was er gerade liest, nicht gesund ist. Ich stelle nicht in Frage, dass sexuelle Gewalt verboten gehört und traumatisierend ist. Ich zeige lediglich, dass es Menschen gibt, die trotz des Tabus nicht anders können, als Lust zu empfinden im Angesicht der Gewalt, sei es als Opfer, sei es als Täter.
________________
[1] Trad, Ahmed Rafik (2001): Tabuthemen in der interkulturellen Kommunikation. Frankfurt a. M., S. 21.
[2] Ebd.: S. 28.
[3] Loch, Ulrike (2008): Tabus in der bundesdeutschen Gegenwartsgesellschaft – Sexualisierte Gewalt und Nationalsozialismus. In: Strebel, Ingrid; Sandoval, Amélie; Mirsky, Daniel (Hrsg.): Verboten, verschwiegen, ungehörig? Ein Blick auf Tabus und Tabbrüche. Berlin, S. 60.
[4] Vgl. ebd.: S. 65f.
[5] Heitmüller, Elke (1994): Zur Genese sexuelle Lust. Von Sade zu SM. Tübingen, S. 191.
[6] Ebd.: S. 195