„Hast du die neusten Nachrichten gehört? Diese Politiker aber auch schon wieder.“ Karl-Heinz schüttelte ungläubig den Kopf.
„Unglaublich“, stimmte Hubert ihm zu und stellte den Rechen an das Gartentor. Die Sonne begann schon unterzugehen. Um den Rest des Laubs würde er sich morgen kümmern.
„Sieh mal.“ Karl-Heinz deutete auf die Haustür des Nachtbarhauses, die sich soeben öffnete. Ihre Nachbarin Martha trat hinaus, sah sich um und winkte ihnen zu.
Hubert zuckte mit den Schultern, öffnete das Gartentor und ging mit seinem besten Freund zu der rüstigen alten Dame hinüber.
„Guten Tag, die Nachbarn“, begrüßte sie die beiden Männern. „Könntet ihr mir kurz helfen?“
Die beiden blickten sich kurz an, dann nickten sie. Wohlmöglich konnten sie ja noch ein Stück des leckeren Obstkuchens abstauben, den Martha so meisterhaft zu backen verstand.
„Hatten du und dein Mann einen schönen Tag?“, fragte Karl-Heinz, als sie über die Schwelle des gemütlichen Einfamilienhauses traten.
„Wie bitte?“ Die Frau führte sie in den Flur.
„Hattet ihr nicht goldene Hochzeit?“
„Ah ja.“ Sie nickte. „Wenn ihr bitte die Puschen anziehen könntet, ich möchte keine Flecken auf meinem Teppich haben.“ Wild gestikulierend deutete sie auf Huberts schmutzige Schuhe.
„Natürlich.“ Seufzend griff Hubert nach den mit Blümchenmustern verzierten Hausschuhen und streifte sie über.
Nachdem das getan war, winkte die beiden sie die Treppe hinauf.
„Ich darf ja nicht mehr so schwer tragen“, meinte Martha, „Deshalb wäre es lieb, wenn ihr das für mich erledigen könntet.“
„Das erledigen wir doch gerne“, erklärte Karl-Heinz.
„Wisst ihr. An unserem fünfundzwanzigsten Hochzeitstag meinte mein Peter zu mir, dass das ja schon eine halbe Ewigkeit sei“, plauderte sie und führte die beiden Männer am Badezimmer vorbei zum Schlafzimmer, „Ich wollte ja auch, das Versprechen halten, dass wir uns vor dem Altar gegeben haben, Treue für die Ewigkeit und so weiter. Ihr kennt das ja. Und wenn fünfundzwanzig Jahre die halbe Ewigkeit sind, dann sind fünfzig eine ganze, also habe ich mein Versprechen gehalten.“
Die beiden Männer blieben vor dem Bett stehen.
„Äh, da steckt ein Messer drin“, wandte Karl-Heinz ein.
„Ja.“ Eifrig nickte sie. „Mit dem habe ich heute den Kuchen für unsere goldene Hochzeit angeschnitten. Ich fürchte, das muss ich noch einmal abwaschen.“ Mit einem strahlenden Lächeln klopfte sie Hubert auf die Schulter. „Apropos, möchtet ihr danach noch eine Tasse Tee und ein Stück Kuchen haben?“
„Ähm…“
„Das mit Peter musste aber auch wirklich sein. Solch eine Erlösung, das kann ich euch sagen.“ Sie trat auf das Ehebett zu und zog das Küchenmesser aus dem Leichnam. „Ich habe Kirsch- und Apfelkuchen.“
Karl-Heinz und Hubert wechselten einen Blick.
„Ich nimm den Apfelkuchen.“
„Ich den Kirsch.“
„Sehr gut. Der wird bestimmt besonders gut schmecken.“
Fröhlich winkte sie den beiden mit dem Messer und verließ den Raum.
„Na, dann wollen wir mal“, murmelte Hubert. Er beugte sich über Peter und nahm ihn an den Füßen hoch.
„Ich kann verstehen, dass das eine Erlösung war“, ächzte er, als sie den schweren Körper die Treppe hinab trugen. „Bei dem Mundgeruch…“