Genervt schaute Lucius Malfoy auf den kleinen Hauself, der verschüchtert vor ihm stand. Wenn er gekonnt hätte, hätte er vollkommen auf diese Wesen verzichtet, doch er konnte nicht leugnen, dass sie das Leben deutlich angenehmer machten. Normalerweise war seine Frau dafür zuständig, sich um alle Angelegenheiten der Haushelfen zu kümmern, entsprechend wunderte es ihn, dass dieser Hauself nun zu ihm gekommen war.
"Was ist denn?", fragte er harsch. Das kleine Wesen schrumpfte wenn möglich noch weiter in sich zusammen, doch es musste seine Nachricht überbringen: "Wir können in der Küche nicht arbeiten, Herr. Die junge Frau ... liegt im Weg und alles ist schmutzig."
Innerlich stöhnte der blonde Mann: Egal, wie oft er den Hauselfen sagte, dass Hermine ebenfalls nur eine Sklavin war und ihnen gleichgestellt, sie würden es niemals wagen, sie ohne seine oder die Erlaubnis seiner Frau anzufassen. Doch was meinte der Hauself damit, dass sie im Weg lag? Unwillig richtete er sich auf und folgte dem Wesen hinunter in die Küche.
Das Bild, das sich ihm bot, schockierte ihn: In einer Lache voll Blut lag eine bewusstlose Hermine Granger, das Gesicht blass wie ein Gespenst, um einen Arm ein von Blut durchtränktes Tuch gewickelt. Hatte sie versucht, Selbstmord zu begehen und es sich dann anders überlegt? Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden kniete er sich neben sie, darauf bedacht, nicht mit dem Blut am Boden in Berührung zu kommen, und wickelte das Handtuch ab. Was sich darunter befand, rang ihm ein entsetztes Keuchen ab: Das Wort Schlammblut war tief in den Arm geschnitten, die Ränder der Wunde verklebt mit dem fusseligen Stoff des Handtuchs und der Arm selbst angeschwollen. Er erinnerte sich nur zu gut, dass Bellatrix damals, als Hermine mit ihren zwei Freunden gefangen genommen worden war, ihr das Wort in den Arm geritzt hatte - doch warum war die Narbe wieder aufgeritzt?
Eine sinnlose Frage, dachte Lucius sich sogleich, als er an seine Ehefrau und ihren Hass auf das Schlammblut dachte. Unschlüssig betrachtete er die reglose Gestalt unter sich. Konnte er es wagen, einen Heilzauber auf sie zu sprechen? Wie würde Narzissa reagieren? Erwartete sie tatsächlich, dass er seine Sklavin einfach so verbluten ließ? Wenn mir nochmal zu Ohren kommt, dass du ein Schlammblut besser behandelst als deine reinblütige Frau, komme ich nicht umhin, eine Eule an den Lord zu schicken, klangen die Worte seiner Schwägerin erneut durch seinen Geist. Sein Blick fiel auf die blutleeren Lippen, die wirren Haare und die Oberschenkel, die unter dem hochgerutschten Rock vollständig sichtbar waren. Er erinnerte sich, wie gut sich die junge Frau in seinem Bett angefühlt hatte, wie angenehm die kurzen Augenblicke waren, in denen sie sich zutraulich gezeigt und ein Gespräch zugelassen hatte. Die Drohung von Bellatrix war real und er wusste, dass ihr Wort beim Dunklen Lord mehr Gewicht hatte als seines.
Ich will nur mein Eigentum behalten, dachte er zornig, da ist doch nichts Verkehrtes dran! Selbst Bella kann nicht abstreiten, dass es sinnlos wäre, den eigenen Sklaven einfach sterben zu lassen!
Entschlossen zückte er seinen Zauberstab, ließ die reglose Frau mit einem gemurmelten Spruch in der Luft schweben und brachte sie so in das große Badezimmer. Dort senkte er sie vorsichtig ab, entfernte ihre Kleider und legte sie dann in das große Becken, darauf bedacht, ihren Arm nicht mit dem Wasser in Berührung kommen zu lassen. Er verstand sich nicht sonderlich auf Heilzauber, aber zum Reinigen der Wunde und Stoppen der Blutung würde es reichen.
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Eingerollt lag Hermine auf ihrer Matratze und starrte in die Dunkelheit. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hier hergekommen war oder warum ihr Arm nicht mehr blutete. Aber es war ihr auch egal. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie genauso gut sterben können. Sie hatte keine Lust mehr auf Gewalt. Sie hatte keine Lust mehr auf die ständige Verzweiflung. Und vor allem wollte sie nicht jede Nacht in Angst vor Draco Malfoy wach liegen, geplagt von Erinnerungen an Snape und der Vorahnung, dass Draco ihr Gleiches antun würde. Doch nun war sie wach, ihr Arm geheilt, sie am Leben. Und sie konnte sich nicht wehren gegen die Bilder, die vor ihrem geistigen Auge wie ein Strudel umhertanzten. Snape, der sich auf sie drängte, sie mit hämischen Worten verspottete, während er in sie stieß. Greyback, der sich an ihr rieb und sie fragte, ob es ihr gefiel. Draco, wie er sie an die Wand drückte und seine Hose öffnete, bereit, sie ebenfalls gegen ihren Willen zu nehmen.
Schluchzend zog Hermine ihre Beine noch enger an sich heran. Unfähig, sich gegen die Bilder zu wehren, ließ sie sich einfach davon tragen im Sog der Erinnerungen. Mit offenen Augen, aber blicklos, lag sie da und schaute in die Dunkelheit. Erst, als plötzlich die Tür aufging und Licht hereinfiel, wurden ihre Gedanken wieder auf die Realität gelenkt. Draco Malfoy kam herein und kniete sich neben ihr hin.
"Meine Mutter hat dir ganz schön zugesetzt, was?"
Sie hätte Angst verspüren sollen, wie er da im schummrigen Licht über ihr emporragte, sein Gesicht gegen das Licht, das durch die Tür eindrang, für sie nicht erkennbar. Doch sie spürte gar nichts, nur Leere und Erschöpfung. Entsprechend unbeteiligt beobachtete sie, wie Draco ihren Arm nahm, einen kleinen Lumos zauberte und die Wunde eingehend untersuchte.
"Wie kommt es, dass das schon heilt?", fragte er misstrauisch. Ungerührt erwiderte Hermine seinen Blick, doch sie hatte keine Lust, ihm zu antworten.
"War das mein Vater?"
Sie konnte sich nicht helfen, die Wut in der Stimme ihres ehemaligen Mitschülers amüsierte sie. Die ganze Situation war einfach zum Schreien komisch, auch wenn sie nicht verstand, warum sie das plötzlich so sah. Sie hatte das Gefühl, das Leben der gesamten Malfoy-Familie drehte sich plötzlich nur noch um sie, das wertlose Schlammblut. Ein Kichern entfloh ihr, und plötzlich verkrampfte sich der Griff von Malfoy junior um ihren Arm.
"Du findest das lustig?", zischte er sie an, "Lachst du über mich?"
Der Zorn, der in Dracos Augen stand, erheiterte Hermine nur noch mehr. Unfähig, sich zurückzuhalten, verfiel sie in ein unkontrolliertes Kichern, während sie den ungläubigen Blick von Draco erwiderte. Dieser starrte sie an, unfähig zu verstehen, warum eine Sklavin, die schwer misshandelt wurde, plötzlich einen Lachanfall hatte. Dass er sich ausgelacht fühlte, machte sie Situation nicht besser. Wütend holte er aus, gab Hermine mit aller Kraft eine Ohrfeige.
Der plötzliche Schmerz holte sie aus dem unkontrollierten Kichern heraus. Mit aufgerissenen Augen starrte sie Draco an, selbst nicht in der Lage zu begreifen, was gerade geschehen war.
"Bist du jetzt wahnsinnig geworden, Granger?"
Die Worte trafen sie. Entsetzt über ihr eigenes Verhalten, über ihre anfängliche Emotionslosigkeit und dann das beinahe irre Lachen, senkte sie den Blick. Tränen traten in ihre Augen und mit einem Mal brach sich ihre angestaute Verzweiflung, ihre Angst und ihr Hass Bahn. So, wie sie Sekunden zuvor noch hemmungslos gelacht hatte, konnte sie jetzt den Fluss der Tränen und ihr Schluchzen nicht aufhalten.
"Ich deute das mal als ein Ja", kommentierte Draco trocken, doch er merkte, dass seine Worte die Frau vor ihm nicht erreichten. Die Erkenntnis, dass er sich in Hermine geirrt hatte, traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Seine Wut verrauchte und instinktiv suchte seine Hand die ihre. Während sie haltlos weinte, saß er neben ihr, hielt ihre Hand und blieb einfach stumm da.
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Abwesend blickte Hermine den Stapel Bücher vor sich an. Sie wusste, dass Lucius Malfoy wieder in seiner gewohnten Position auf dem Sofa hinter ihr saß und beobachtete, wie sie arbeitete, und dennoch konnte sie sich nicht konzentrieren. Zu sehr beschäftigten sie die Geschehnisse vom Vormittag. Erst der Angriff von Narzissa Malfoy, dann die Erkenntnis, von irgendwem - Malfoy persönlich? - geheilt worden zu sein, die Verzweiflung über ihre Situation, und vor allem Draco Malfoy. Sie hatte es in dem Moment nicht realisiert, sondern erst später, als er bereits gegangen war, aber die ganze Zeit, da sie geweint hatte, war er bei ihr geblieben und hatte ihre Hand gehalten. Statt den Moment der Schwäche auszunutzen, hatte er ihr Trost gespendet. Sie fühlte sich besser, nachdem sie endlich all ihre Gefühle rausgelassen und hemmungslos geweint hatte. Nach der Verzweiflung am Morgen hätte sie es nicht für möglich gehalten, dass ausgerechnet Draco Malfoy dafür verantwortlich sein würde, dass sie die traumatischen Erlebnisse der letzten Wochen zumindest ein Stück weit würde verarbeiten können. Oder dass sie nun hier saß, innerlich stärker als je zuvor seit der Vergewaltigung.
Das leise Geräusch von Schritten schreckte Hermine aus ihren Gedanken. Unbemerkt von ihr war Lucius Malfoy aufgestanden und zur Tür gegangen.
„Ihr geht schon?“, fragte sie überrascht.
„Nein, im Gegenteil“, war die schlichte Antwort des Mannes, während er gleichzeitig die Tür magisch verschloss. Hermines Herzschlag beschleunigte sich – wozu war es nötig, die Tür abzuriegeln? Was hatte er vor? Nervös stand sie auf und trat von dem Schreibtisch weg.
„Du hast Angst vor mir.“
„Natürlich habe ich das. Ihr habt nie etwas anderes getan, als mir Angst einzujagen!“, fauchte Hermine. Ein merkwürdiger Ausdruck trat auf das Gesicht ihres Besitzers: „Nie?“
Hermine hielt inne. Was sie sagte, war nicht wahr. Die Tage nach der Vergewaltigung durch Snape, bevor sie in der Kälte beinahe erfroren war, waren geprägt gewesen durch Freundlichkeit seinerseits. Sie dachte an die tröstende Umarmung, an seinen Versuch, mit ihr zu schlafen, den er aus Rücksicht auf sie abgebrochen hatte. Ja, sie hatte immer Angst verspürt, aber zwischendrin hatte sich auch Dankbarkeit und beinahe so etwas wie Zuneigung dazu gemischt.
„Ihr hättet es beinahe geschafft, dass ich Euch anfange zu vertrauen“, gestand sie schließlich, „aber offensichtlich konntet Ihr die Maskerade nicht lange aufrecht halten. Euer Verhalten seit ich zurück bin spricht Bände!“
Wortlos schauten beide sich an, bis schließlich die kalte Maske aus dem Gesicht des Todessers bröckelte und Hermine nur noch unendliche Verzweiflung entdecken konnte. Schockiert trat sie einen weiteren Schritt zurück, doch Malfoy war schneller. Noch ehe sie sich von ihm entfernen konnte, war er bei ihr, riss sie in seine Arme und ließ sich auf das Sofa sinken.
„Ich kann nicht mehr“, flüsterte er leise, während seine Arme sich beinahe schmerzhaft um Hermines Oberkörper schlangen. Überwältigt von dem plötzlichen Zusammenbruch ihres Sklavenhalters blieb sie einfach stumm, bewegte sich nicht, sondern wartete ab, dass er etwas tat oder sagte.
Nach Minuten, die Hermine beinahe endlos vorkamen, nahm Lucius eine Hand von ihr, um sie in ihrem Haar zu vergraben und ihr Gesicht an seine Schulter zu ziehen: „Hermine … du magst mich nicht sonderlich, mh?“
Ein ungläubiges Schnauben entfuhr ihr: „Was erwartet Ihr?“
„Nichts, gar nichts. Immerhin bist du ehrlich.“
„Ich habe keinen Grund zu lügen. Meine Position, meine Gedanken und Gefühle sind so offensichtlich, dass es keinen Sinn machen würde, mich zu verstellen. Ich mag Euch nicht“, erklärte sie mit fester Stimme, „wie gesagt, Ihr hättet beinahe mein Vertrauen gewonnen, aber Euer Verhalten nach meiner Rückkehr spricht Bände …“
Ein Zittern lief durch den Körper des Mannes unter ihr und sie spürte, wie sich die Hand in ihrem Haar verkrampfte. Sie konnte das Herz in seiner Brust schlagen hören, schnell und kräftig, als sei er vollkommen aufgewühlt.
„Es ist schon beinahe lächerlich, dass die einzige Person, der ich vertrauen kann, bei der ich sicher sein kann, dass sie mich nicht belügt … dass das du bist“, sagte Lucius schließlich. Überrascht richtete Hermine sich auf, wandte sich aus seinen Armen, um ihm in die Augen sehen zu können. Noch immer zeichnete sich dort Verzweiflung ab, aber sie entdeckte auch etwas ganz anderes, etwas, das ihr beinahe wieder Angst machte: Verlangen.
„Mr. Malfoy …“, flüsterte sie, doch sie brach ab, da sie nicht einmal wusste, was sie sagen wollte. Erneut schauten beide sich stumm in die Augen, und erneut war es Lucius, der dem ein Ende bereitete. Sachte legte er seine Hand auf Hermines Wange, streichelte zärtlich mit dem Daumen darüber, ehe er sie an sich zog, in einen vorsichtigen, beinahe scheuen Kuss.
Hermine riss die Augen auf, als sie die warmen Lippen des Mannes auf sich spürte. Ehe sie protestieren konnte, hatte er sich jedoch bereits wieder zurückgezogen und schaute sie intensiv an. Wie vor wenigen Tagen spürte sie, dass ihr Körper, ihre Seele nach Zärtlichkeit, nach Wärme und Geborgenheit schrie, doch sie hatte Angst. Sie hatte sich einmal darauf eingelassen und war enttäuscht worden, hatte statt eines freundlichen Lucius Malfoy nur wieder den kalten Todesser gesehen. Ihr war bewusst, dass ihr Verlangen nach Zärtlichkeit sich nicht auf diesen Mann speziell richtete, sondern sie sich jedem an den Hals geschmissen hätte, der freundlich zu ihr war, in der Hoffnung, endlich wieder Geborgenheit erleben zu können.
Doch noch ehe sie sich entscheiden konnte, ob sie dem Verlangen ihrer Seele erneut nachgeben wollte, hatte Lucius Malfoy sie bereits wieder in einen Kuss gezogen, der diesmal voller Leidenschaft und Begierde war. Überrumpelt und unfähig, noch länger Widerstand zu leisten, gab sie sich dem hin und erwiderte den Kuss mit gleicher Leidenschaft.