»Also fliegen wir morgen Abend nach Frankreich?«
Lysander lehnte sich auf die Bar der offenen Küche und musterte Riley, der halb im Kühlschrank steckte und nach etwas Essbarem für sie beide suchte.
Als der junge Mann die Stimme seines Freundes hörte, widmete er diesem sofort seine ganze Aufmerksamkeit.
»Ja, sobald ich mit meiner Arbeit fertig bin. Ich möchte allerdings noch nach Hause, duschen und mich umziehen, bevor wir losdüsen. Louis kann uns doch sicher fahren?« Rye schloss die Kühlschranktür. »Und ... ich glaube, wir müssen uns etwas zu essen bestellen, sorry.« Er grinste schief.
Lysander schmunzelte. »Dann lass mich etwas organisieren und du geh dich umziehen. Und ja, Louis kann uns fahren. Es wäre ja Blödsinn, das Auto über das Wochenende am Flughafen stehenzulassen.«
Riley nickte und drückte Lys einen Kuss auf die Lippen. »Bestell uns ein paar schöne Steaks. Unter dem Couchtisch liegt der Flyer mit der Nummer vom Restaurant.«
»Liefern die denn?«
»Ja, tun sie. Ich bin dann mal oben«, erwiderte Rye und huschte die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf.
Lysander sah ihm noch einen Moment hinterher, bevor er sich auf das Sofa setzte und die Nummer des Steakhauses wählte.
Oben entledigte Rye sich derweil seiner Stallklamotten, legte diese über den Stuhl neben dem Fenster und verschwand kurz im Bad, um unter die Dusche zu springen. Anschließend kehrte er ins Schlafzimmer zurück und öffnete den Kleiderschrank. Der junge Mann schlüpfte in eine Jogginghose und suchte sich gerade ein Shirt, als sein Blick auf einen kleinen Schuhkarton auf dem Boden fiel. Langsam ging Riley in die Hocke und strich mit den Händen über den Deckel, bevor er diesen öffnete.
Seine Finger wanderten über die Gegenstände, die darin lagen.
Ein silbernes Feuerzeug, zwei Platinringe und ... einige zum Teil schon verblichene Fotografien. Mit leicht zitternden Händen nahm der junge Mann die Bilder heraus und richtete sich wieder auf. Er ging hinüber zum Fenster und begann, sich jedes einzelne Foto anzusehen.
Riley spürte, wie die Tränen in ihm hochstiegen und wie der Kloß in seinem Hals immer größer wurde. Es waren ausschließlich Bilder von ihm, Tyler. Seit dessen Tod vor einigen Monaten hatte Rye diese nicht mehr angesehen. Er hatte sie in diesen Schuhkarton gelegt, ihn verschlossen und bis heute nicht wieder geöffnet.
Er hatte es einfach nicht gekonnt.
Jetzt lachte ihn der dunkelblonde junge Mann mit den strahlend blauen Augen von den Fotos an und Riley spürte, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Er konnte nicht verhindern, dass er laut aufschluchzen musste.
»Hey, was ist los?«
Lysanders sanfte Stimme ließ ihn zusammenzucken. Langsam drehte er sich um und sah den Unsterblichen an, unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen.
Aber das musste er auch nicht. Ein Blick auf die Fotos in Ryes Händen reichte, damit Lysander verstand, was vor sich ging. Er legte die Arme um Riley und zog ihn fest an sich.
»Ich weiß, wie du dich gerade fühlst, mon Coeur, aber ich bin da. Heul dich aus, dann geht es dir hoffentlich etwas besser.«
Den Kopf an die Schulter des Unsterblichen legend, nickte Riley. Mehr als das brauchte er jetzt nicht. Einfach nur das stumme Verständnis des Mannes, der ihn liebte.
Nichts und niemand konnte ihm Tyler zurückgeben, aber den Schmerz über seinen Tod lindern schon.