Als Kind hatte ich eine Vielzahl an Brieffreunden aus aller Welt. Ich hegte die Freundschaften und es war ein großartiges Gefühl einen Brief zu schreiben, diesen abzuschicken und voller Freude auf eine Antwort zu warten. Sobald der Brief dann eingetrudelt war riss ich ihn auf und machte mich daran, zu lesen was mir der Absender geschrieben hatte.
Doch diesmal war alles anders. Es war kein langersehnter Brief von einer Freundin, und ich verspürte auch nicht das aufgeregte Kribbeln in meinem Bauch, welches ich sonst hatte, wenn mich ein Brief erreichte. Meine Hände zitterten als ich den verschlossenen Umschlag Stück für Stück aufriss und den Zettel herauszog. Meine Finger waren kalt. Eiskalt. Ich faltete ihn auseinander und begann zu lesen.
Liebe Zoe,
du wunderst dich bestimmt auf diese Weise von mir zu hören, doch mir liegt etwas auf dem Herzen, was ich unbedingt mit dir teilen möchte. Bestimmt hast du die Spannungen zwischen unserem Dad und mir gespürt und möchtest wissen was passiert ist. Ich habe lange darüber nachgedacht auf welcher Art und Weise ich es dir sagen sollte und wie deine Reaktion darauf sein wird, doch schlussendlich habe ich all diese Gedanken beiseitegeschoben und werde es einfach freiheraus sagen.
Ich habe mich in ein Mädchen verliebt.
Langsam ließ ich den Brief sinken und starrte auf den Boden. Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, suchte sich ihren Weg und tropfte schließlich auf das Papier. Sie hinterließ einen dunklen Fleck. Ich legte den Brief beiseite, versuchte Ordnung in meine Gedanken zu bringen, doch sie wirbelten wild durcheinander und ließen sich nicht besänftigen.
Ich wusste wie mein Vater zu dem Thema Homosexualität stand. Es war für ihn nicht akzeptabel, er tolerierte es nicht.
Und doch offenbarte sich meine Schwester ihm gegenüber, vertraute sich ihm an, erhoffte Verständnis.
Doch es wurde nicht gutgeheißen.