Unaufhörliches Klackern war zu hören. Die Frau auf dem Polster verband eine Schlinge mit der nächsten, unterbrach nur, wenn sie eine neue Reihe begann und einen Schluck Kräutertee nahm.
Das hier sollte noch fertig werden. Die Zeit, die sie nun für sich heraus schlug, war wertvoller als die letzten 40 Jahre.
Ab und an warf sie einen Blick zu ihrem Mann herüber. Wie immer saß er nach dem Abendessen am Fenster und schaute nach draußen. Wie immer hatte sie danach den Abwasch gemacht und sich aufs Sofa gesetzt, um zu stricken. Leise flimmerte der alte Röhrenfernseher vor sich hin.
Die Nachrichten waren so trivial wie immer. Krieg hier, Wirtschaft bricht zusammen und alle meckern, dass es so schlimm ist, wie eigentlich noch nie.
Heute war ihr Hochzeitstag. Das Geschenk für ihren Mann lag noch ungeöffnet in ihrem Kleiderschrank. Ob er daran gedacht hatte, wusste sie nicht.
Aber gerade war sie in den letzten Zügen ihrer aktuellen Arbeit. Die dunkelgraue Strickjacke, wollte sie noch fertig bekommen, bevor ihr Mann in Rente ging. Diesen Termin hatte sie leider um 3 Wochen verpasst.
Dennoch fehlte nicht mehr viel. Vielleicht noch 2 oder 3 Zentimeter. Dann wäre sie fertig.
Das Klackern der Stricknadeln die eine Masche nach der Nächsten verarbeiten, hielt gerade alles zusammen. Klick! Klack! Das war alles, was gerade von Bedeutung war.
Doch mit der letzten Reihe lösten sich auf die Schlingen auf der Nadel auf. Genau wie alles andere an dem Tag.
Mit der letzten Masche auf der Nadel saß sie regungslos da.
Nicht bereit zu akzeptieren, was Wirklichkeit war.
Ihr Mann würde diese Jacke nur einmal tragen.
Dann kam das erlösende Klingeln. Mechanisch öffnete sie die Tür. Fremde Männer kamen herein, nahmen ihn mit und verschwanden. Worte der Entschuldigung und des Beileids waren wahrscheinlich täglich Teil ihrer Arbeit.
Ihr Mann war nicht mehr von seinem Mittagsschlaf aufgewacht. Als er abtransportiert wurde und in einem Plastiksack verstaut war, fühlte sie nur noch Leere. Am liebsten würde sie sich jetzt eine eigene, letzte Schlinge machen. Auch wenn es unvernünftig war.