Die Gärten des Sultans waren die schönsten im Lande! Die prachtvollsten Blumenbeete waren von kunstvollen grünen Hecken umsäumt. Jedes Mal, wenn der Sultan aus seinem Palast durch das Fenster herunterschaute, sah er einen kostbaren Orientteppich aus Pflanzen, auf dem seine Liebe zu der üppigen Natur verewigt wurde.
Er liebte seine Gärten, vor allem aber die Pfauen, die dort frei lebten. Sie stolzierten durch die geschwungenen Wege, zwischen all den bunten Gewächsen, tranken frisches Wasser aus den kleinen Fontänen und erregten viel Aufsehen.
An einem herrlichen Tag stand der Lieblingspfau des Sultans mitten im Eingang unter der Rosenpergola und versuchte die ganze Welt mit seinem opulenten Federgewandt zu beeindrucken. Sein Balztanz bekam reichlich Beifall von seinem weiblichen Gefolge. Selbstverliebt ließ er seine aufgestellte Federpracht immer wieder rauschend erzittern und merkte gar nicht, dass dabei eine kleine Feder aus seinem schmucken Federkleid sanft zum Boden fiel.
Diese kleine Feder war nicht grell wie all die anderen und blieb unbemerkt liegen. Die Pfauengesellschaft zog mit lautem Geschrei geschäftig weiter. Kurze Zeit später kam der Rosengärtner und pflückte die schönsten Blumen für das neue Bouquet. Aber auch er übersah die Kleine Feder.
Sie lag da auf dem Sandboden und schaute in den Himmel. Auf einmal sah sie direkt vor sich eine wunderschöne Rose, sie beugte sich nieder und schaute die Feder neugierig an. „Ah“ sagte sie „das ist gar kein Blatt!“ Dann drehte sie sich zu ihrer Nachbarin und flüsterte in einem theatralischen Ton „Das ist nur eine unbedeutende farblose Feder, sie ist unserer Aufmerksamkeit gar nicht würdig…“
Die Kleine Feder hörte das uns dachte „Ich bin unbedeutend… unscheinbar… und weiß gar nicht, was mit mir passiert… ich bin es nicht würdig…“ Strahlende Sonne lachte glücklich herunter, aber auch sie konnte die Kleine Feder nicht trösten. Bunte Schmetterlinge flatterten herum, Ameisen krabbelten zwischen den Rosenstöcken, Bienen eilten von Blüte zur Blüte und keiner bemerkte die Kleine Feder. Sie versuchte etwas zu sagen und wurde von dem lauten Brummen der dicken Hummel übertönt. So hat sie sich gar nichts mehr getraut und der Tag ging an ihr vorbei und ignorierte sie schweigsam…
Plötzlich verschwand die Sonne und die samtweiche Nacht bedeckte mit ihrem Schleier die ganze Landschaft. Die Kleine Feder war fasziniert von diesem Wechsel, schlagartig wechselten sich die Bühne und die Schauspieler. Auf einmal war der Himmel voller glitzernden Sternen. Der Mond begrüßte die Kleine Feder mit seiner hellen Stimme „Eine neue Nachtkönigin, schön dich kennenzulernen!“
Erst hat die Kleine Feder gar nicht verstanden, dass sie gemeint ist, aber der Mond schaute sie direkt an und meinte sie tatsächlich! Eine Nachtigall ertönte ihre Klänge und besang die Schönheit der Kleinen Feder „Oh, du funkelndes Wunder, woher kommst? Wohin gehst du? Die Nacht ist lang… Du leuchtest in schönsten Farben und erfreust die Nacht!“
Ein Nachtfalter landete auf der Kleinen Feder und sagte verliebt „Du bist unglaublich schön! So etwas habe ich hier noch nie gesehen! Dein ganzes Gewandt schillert in solch einer Opulenz, ich kann kaum meinen Blick abwenden.“
Die ganze Schar von Leuchtkäfer wirbelte die Luft auf und war entzückt von der neuen Nachtkönigin. Die Kleine Feder konnte ihr Glück kaum fassen. Sie war der Star der Nacht! Und ob das noch nicht reichte, hörte sie auf einmal den lauten Gesang der Nachtzikaden, die ihre Ballade für die Kleine Feder über das ganze Land trugen.
„Aber… aber…“ sagte sie ganz leise. „ich bin doch unscheinbar und bedeutungslos…“
Der Mond wandte sich ihr erneut zu und sagte „Wenn du in meinem Licht zur Königin wirst, wen interessiert das, was der Tag zu dir sagt? Wen interessiert überhaupt, was die Rosen zu dir sagen, wenn sie nachts blind und taub sind? Die Nacht liebt dich und von ihrem Zauber bist du zu dem geworden, was du bist – strahlend schöne Nachtkönigin!“