Die Wucht mit der ich die Tür öffne, stammt nicht von meiner Vorfreude. Es ist der Sturm der mir die Türe aus der Hand reisst. Sie schlägt krachend um in die Wand. Sowohl das Schlüsselbrett als auch der Bilderrahmen springen von der Wand, alles scheppert zu Boden. Ich denke mir noch: Ob die Scherben Glück bringen? Dann packt der Sturm mich. Ich hebe den Blick vom Boden hinauf, starre in den Wirbel aus Weiß, Grau und Schwarz, der zyklonisch direkt vor meiner Haustüre tobt wie ein Trichter. Der Wind rupft an mir. Ich stemme Hände und Füße gegen den Türrahmen und lehne mich zurück. Doch es nützt nichts, ich verliere mit jeder Sekunde an Kraft, meine Fingerkuppen sind schon ganz weiß geworden. An mir vorbei flattern ein paar Staubmäuse und lose Blätter vom Ficus Benjamini, der schon seit Jahrzehnten im Flur steht. Doch die Scherben, die losen Notizblätter vom Telefonschränkchen und anderer Kleinkram zeigen sich völlig unbeeindruckt von der Naturgewalt. Wenn es denn wirklich ein erklärbares Naturphänomen ist.
Daher sehe ich die Hand nicht, die plötzlich aus der Mitte des Wirbels hervorstösst, mich mitten auf der Brust im Pullover greift und daran zieht. Der Kraft dieses Armes habe ich nichts entgegenzusetzen, ich stürze voran in den tosenden Orkan. Der Lärm des Windes ist ohrenbetäubend, alles an mir ist in Bewegung, der Zug verhindert, dass ich Arme oder Beine auch nur an den Körper winkeln kann, um weniger Widerstand zu bieten. Meine Haare peitschen wild um meinen Kopf, es treibt mir die Tränen in die Augen, daher sehe ich nicht worauf ich zugezogen werde. Ich kann mich nicht einmal drehen, um die Wucht zu mildern. Weiter als den Arm verschwimmt alles unklar, die Haut trägt merkwürdige Zeichen, als pumpt nicht Blut durch die Adern, sondern Farbe.
Angst, ich habe Angst vor dem Aufschlag. Der endlose Arm, am einen Ende die Hand und ich, am anderen nur mehr und mehr Sturm. Bloß nicht schreien, sonst flattern mir noch die Wangen. Ich möchte in meinen letzten lebendigen Augenblicken nicht so eine furchtbare Grimasse schneiden. Also beisse ich so fest ich kann die Zähne zusammen, bis es mir in den Ohren wehtut. Der Windkanal ist endlos, scheint es mir. Meine Kräfte schwinden, ich werde ohnmächtig werden, der Druck auf meine Nase und der Zug an meinem Körper lassen mich kaum noch atmen, meine Lunge wird kollabieren. Wie ein Schutzreflex - ein interner FI Schalter - werde ich einfach ausgeschaltet werden, damit die rudimentären Funktionen aufrecht erhalten werden können: Herzschlag, Sauerstoffversorgung.
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Vor der Tür schließt sich der Wirbel, frisst sich selbst auf rotierend zur Mitte und verschwindet in einem kleinen ‚Plop, plop, plop‘, als drücke er aus einer Luftpolsterfolie ein paar Blasen aus. Das Schanier quietscht leise, als die Tür sich zurückbewegt auf den Rahmen zu, sie fällt jedoch nicht ins Schloß, dafür fehlt ihr der Schwung. Die Scherben glitzern auf dem Boden.
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„Seltsam, erst zu kommen, wenn alles vorbei ist“, begrüßt mich eine fremde Stimme und wiederholt dabei meine Gedanken von vor zwei Wochen, eben an jenem Stand auf dem Flohmarkt.
Ich öffne die Augen, erst eines, dann das andere, vorsichtig, nicht dass ich noch gar nicht durch den Tunnel durch bin und immer noch trudele und jeden Augenblick am Ziel ankommen könnte. Ich starre in ein fein geschnittenes Gesicht vor mir, halb verdeckt durch eine Vogelmaske. Dahinter blicken mich bemerkenswerte Augen an. Es toben weiß-graue Stürme in ihnen, die um die Pupillen rotieren.
Mein Herz rast: „Was ist vorbei?“, höre ich mich fragen. Dabei bin ich mir sicher, dass ich noch immer die Kiefer zusammenpresse. Der Druck in meinen Ohren hat sich noch nicht normalisiert, alles klingt weiterhin dumpf. Ich würde mir gerne die Nase zuhalten und kräftig pusten, doch meine Hände sind nicht unbeweglich, sie werden festgehalten. Ich senke den Blick und schaue an den bestimmt teuren Kleidungsstücken meines Gegenübers hinab. Intensive Farben, glänzende Knöpfe und prächtige Federn.
„Der Ball.“
Was denn für ein Ball, aber das frage ich nicht laut, denn abgesehen davon, dass mein Gegenüber meine Hände hält und ich ganz klar den Arm als den erkenne, der mich hier her gezogen hat, bemerke ich nun, dass ich selbst ebenfalls in prunkvoller Kleidung stecke. Verwirrt blicke ich wieder auf und schaue mich um, ganz viele Vögel befinden sich um mich herum. Wir sind unter freiem Himmel, überall um uns herum gibt es Blumen, Pflanzen, Grün und plätschernde Wasserfälle. Ein kleines Paradies und nicht nur die Verkleideten sind Vögel, auch echte Vertreter der Art singen und zirpen in den Büschen. Es gibt Tische, weiß gedeckt mit riesigen Füllhörnern, aus denen Früchte, Käse und Oliven quellen, daneben Gebäck und Krüge voll Wein. Das nehme ich jedenfalls an. Doch irgendwie scheint es mir nicht real, als wäre es nur eine Kulisse für eine aufwändig produzierte Theaterinszenierung. Ich suche einen Stromverteiler, der abgedeckt ist, eine Kabeltrommel oder einen Scheinwerfer. Vielleicht unter den Tischen?
Meine Begleitung bemerkt den Blick und deutet hinüber: „Wollt Ihr etwas trinken?“
„Ja“, ja ich glaube das ist eine gute Idee, um mich zu akklimatisieren und unauffällig unter den Tisch zu blicken. Mein Entführer Schrägstrich Begleiter nimmt meinen Arm und führt mich hinüber, als wäre es selbstverständlich. Er füllt einen Kelch und reicht ihn mir, macht jedoch keine Anstalten, mich selbst trinken zu lassen. Gebannt von seinem eigentümlichen Blick öffne ich den Mund. „Trink. Es ist nur Wasser.“ Der Kelch berührt meine Lippen und ich trinke aus der Hand des Fremden. Wasser, weshalb denn nur Wasser, ich hatte mit Nektar oder Wein gerechnet?
Und als wäre dies alles noch nicht merkwürdig genug, ertönt nun ein Gong. Alle Vogelgewandeten drehen sich um und blicken in dieselbe Richtung, als erwarten sie nun den Auftritt des Protagonisten. Ich stelle fest, dass ich mich ebenfalls drehe. Nur meine Begleitung steht wie eingefroren und bewegt sich nicht.
(OT:
Ich möchte das an dieser Stelle so stehen lassen. Tatsächlich ist das die stark gekürzte Version, ich habe mich da zum Ende völlig vergalloppiert und die Idee an sich finde ich zwar noch prima, aber würde das noch mal neu angehen wollen. Vielleicht ja mit dem nächsten Prompt direkt, wenn er passt.)