Mit den Waffen im Anschlag stürzten wir uns aus dem Schacht, hinein in die vorletzte Etage des Raumschiffs und gingen hinter Tonnen und Kisten in Deckung.
Ein ähnliches Bild wie auf der vorigen Etage. Ersatzteile, Flüssigstoffe, Serviceroboter. Nur, dass diese hier anders waren.
Ein Pfeil bohrte sich neben meinem Kopf in eine der Tonnen.
"Achtung, sie haben Betäubungspfeile!", warnte ich die anderen und zog den Kopf ein.
"Sonst nur Reparaturlaser." Dr. Pfaff hielt den Analysator aus ihrer Deckung heraus, schwenkte ihn herum und las dann die Daten aus. "Sollte kein Problem sein."
"Also gut, Mr. Eiszombie lenkt das Feuer auf sich, Obergefreiter Müller und ich gehen über die Flanken und räumen mit den Robotern und den Wänden auf. Einwände?"
Ich blickte in die Runde.
"Na dann auf zum Touchdown, Jungs", feuerte die Ärztin uns trocken an. "Wir folgen euch, wenn die Luft rein ist."
Der Eiszombie preschte los, der Soldat und ich folgten im Schutz seines Körpers. Zischlaute markierten die ersten Treffer, die er einstecken musste. Doch ihm machte das nichts aus. Als er zwischen zwei Pfeilern hindurch rannte, die die obere Etage stützten, warf ich mich in die Deckung des rechten. Das sah in meiner Vorstellung cooler aus, als es sich jetzt anfühlte.
Ich spähte um die Ecke des Pfeilers und sah den Bereich der Wand, durch den sich die blinkenden Daten- und Energiekanäle zogen. Und einen Serviceroboter, der sie bewachte.
Etwas kleiner als ich selbst, abgerundete Formen in Weiß und Grün. Er bewegte sich auf Rädern auf mich zu, über denen ein Kunststoffrock zu einem geschlechtsneutralen Oberkörper führte. Er besaß Arme mit Händen und menschlichen wirkenden Fingern. Ein Zeigefinger war auf mich gerichtet und ich machte instinktiv einen Schritt zurück. Keinen Moment zu früh. Ein Streifen wurde zischend aus der Kante des Pfeilers geschnitten. In Kopfhöhe.
"Nur Reparaturlaser, ja?", rief ich zurück zur Ärztin. "Sollte das witzig sein?"
Ich stellte den Stanzer auf mittlere Streuung und ging in die Hocke. Ich hüpfte aus der Deckung, feuerte und sprang zurück. Wenn sich ein gebündelter Schuss wie eine extreme Version eines Zahnarztbohrers anhörte, dann konnte ich mir jetzt vorstellen, wie alle Zahnärzte der Stadt gemeinsam eine Party feierten und dabei im Takt ihre Folterwerkzeuge ein- und ausschalteten.
Ich wagte mich erneut hinter dem Pfeiler hervor und da lag der Roboter, so durchsiebt, dass er im besten Fall noch als Nudelsieb verwendet werden konnte. Die Wand im Hintergrund flackerte und versprühte Funken in den Raum.
Mit einem Knall von der gegenüberliegenden Wand gingen die Lichter komplett aus.
Monotones Klatschen erklang hinter mir, sicher Dr. Pfaff, dann huschte der Schein der alten Taschenlampe, die ich Klara anvertraut hatte, über den Boden neben mir.
"Gut gemacht!", flüsterte sie und Fipsi fiepste zustimmend.
"Warum flüsterst du?"
"Weil es dunkel ist und man im Dunkeln eben flüstert. Mensch, du weißt auch gar nichts."
"Gut zu wissen", flüsterte ich zurück.
Dr. Pfaff atmete neben Klara tief ein. Ich konnte mir vorstellen, wie sie im Dunkeln die Augen verdrehte.
Auf Zehenspitzen schlichen Klara und ich an Robotern vorbei, die wie Schaufensterpuppen in ihren letzten Bewegungen erstarrt waren. Vor einer Tür am Ende des Raums schlossen wir zum Obergefreiten Müller und Mr. Eiszombie auf.
"Hey, Eiszombie, du hast da was!" Klara leuchtete dem blauen Riesen erst frech ins Gesicht und dann auf die Schulter, in der zwei Betäubungspfeile steckten. Er griff sich beide mit der Hand und warf sie mit einem kaum verständlich gemurmelten 'Danke' hinter sich in den Raum.
"Wie kommt es eigentlich, dass du so gut gelaunt bist?", fragte Dr. Pfaff das kleine Mädchen.
"Na jetzt dürfen all die Tiere doch hierbleiben, oder?"
Die Ärztin blieb stumm und Klara grinste zufrieden. Gute Frage, was mit den Tieren geschehen sollte, wenn wir den Terraformer abgeschaltet hatten. Bis zu den Polen konnte Klara sie ja nicht begleiten. Aber das war etwas, worum wir uns später kümmern würden.
"Das ist der Weg nach unten?", fragte ich.
Dr. Pfaff nickte und ich drückte die Stange, mit der sie sich hätte öffnen lassen, hätten wir nicht gerade den Strom abgestellt. Ich fuhr mit den Handschuh über den Stanzer.
"Lass mich mal machen." Mr. Eiszombie schob mich beiseite. "Wegen so einer kleinen Tür müssen wir keine Energie verschwenden."
Er nahm Anlauf und rammte die Tür mit der Schulter aus dem Rahmen. Sie verschwand in einem gähnenden schwarzen Loch und verkündete irgendwann scheppernd, dass dieses Loch glücklicherweise auch einen Boden zu haben schien.
Klara leuchtete an uns vorbei in einen großräumigen Schacht, an dessen Wänden ein Steg entlang führte. Sie machte einen Schritt hinein und ich griff nach ihrem Arm.
"Vorsicht, nicht, dass du hineinfällst."
"Keine Sorge, ich habe keine Höhenangst. Da ist eine Leiter an der Wand."
Jetzt, da sie die Höhenangst erwähnte, legte sich ein Nebel um meinen Kopf, wie um die Bergspitze eines Sechstausenders. Doch wir mussten da runter. Und wenn ich nicht als Erster ging, würde ich für immer hier oben stehen bleiben. Ich zog Klara zurück, ließ mich neben der Treppe auf die Knie runter und tastete mich Stück um Stück zum Rand des Steges vor, bis ich die Griffe der Leiter umfasst hatte.
Der Abstieg dauerte länger als der jeder Etage zuvor. Wenigstens kam es mir so vor. Eine qualvolle Ewigkeit, ohne zu wissen, wann wir den Boden erreichen würden. Die Ärztin hatte die Lampe genommen und leuchtete von Zeit zu Zeit nach unten, doch ich würde den Teufel tun, dem Lichtkegel hinterherzuschauen.
Der Terraformer musste viel Platz einnehmen, wenn dieser Schacht so verdammt tief war. Aber was wusste ich schon, hatte ja noch nie einen gesehen.
Endlich stieß mein Fuß auf festen Boden.
"Boden erreicht", rief ich nach oben und machte dem Obergefreiten Müller Platz, der nach mir hinabgestiegen war. Neben der Leiter führte eine Öffnung aus dem Schacht hinaus und eine Treppe weiter hinunter in diese Etage hinein.
Als wir uns alle versammelt hatten, leuchtete Dr. Pfaff den Raum aus, in dem wir gelandet waren. Er umschloss einen Sockel, der einige Meter hoch war. Der Schacht, durch den wir hinabgestiegen waren, lag an einen noch größeren an, mit vielleicht zwanzig Metern Durchmesser.
"Das ist ja riesig", flüsterte ich. "Ob da Kabel drin sind? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie viel Energie so ein Terraformer schlucken muss."
"Viel", erklärte der Eiszombie knapp und begann, den Sockel zu umrunden. "Kommt, irgendwo muss es eine Tür ins Innere geben."
Und da war sie auch, auf der gegenüberliegenden Seite der Treppe. Die Tür, hinter der das Ende unserer Reise lag. Nein, das klang viel zu endgültig. Unsere Reise war ja noch lange nicht zu Ende. Wenn wir diesen blöden Terraformer ausgeschaltet hatten, mussten wir den ganzen Weg an die Oberfläche ja wieder zurückklettern. Hätten meine Oberschenkel stöhnen können, hätten sie es jetzt getan.
Ich prüfte mit dem Handschuh die Batterieladung des Stanzers. Reichte vielleicht noch für zwei oder drei Schüsse. Das musste für Roboter und Energieversorgung im Inneren genügen. Für den Terraformer hatten wir ansonsten noch die Bombe dabei.
"Darf ich mal Ihre Waffe sehen?", fragte ich den Soldaten. Er reichte sie mir ohne Widerspruch, denn Ränge hatten hier nichts mehr zu bedeuten. Es war egal, ob ich eigentlich ein Zivilist war und den Streumodus brauchte, um irgendetwas zu treffen. Wir zogen gemeinsam in diese letzte Schlacht. "Sie haben nur noch Energie für einen letzten Schuss. Der muss wirklich sitzen. Am besten schalten sie als Erstes die Energieversorgung aus."
"Ich habe noch Gewehr und Pistole dabei. Für Roboter sollten die reichen."
Ich nickte. "Okay. Gehen wir noch einmal die Aufgaben durch. Selbes Vorgehen wie bisher. Mr. Eiszombie hält uns die Roboter vom Leib, wir knipsen die Systeme aus. Dr. Pfaff macht eine Analyse der Terraformer-Steuerung, falls er über Notfallsysteme gesichert sein sollte."
"Davon können wir ausgehen", stimmte der Eiszombie zu. "Und eine stärkere Verteidigung. Der Terraformer ist immerhin das Herzstück dieses Schiffes, ohne das die ganze Mission scheitert."
Ich sah Klara an. "Fipsi und du, ihr haltet euch bitte zurück. Wenigstens wenn da keine Tiere drin sind, die uns fressen wollen."
"Yes, Sir!" Sie salutierte und ich bildete mir ein, dass ihr Schneehörnchen das ebenfalls versuchte.
"Na dann ist alles klar. Auf drei gehen wir rein!"