Der Februar-Prompt:
Wir haben den 14.02.
Ungeduldig blicke ich aus dem Fenster. Wo bleibt sie nur?
Wir kennen uns kaum. Aber sie hat mir eine Überraschung versprochen. Aus diesem Grund bin ich so aufgeregt. Ich bin schlicht neugierig, was sie sich ausgedacht hat.
Getroffen haben wir uns das erste Mal vor zwei Wochen. Ich hatte zusammen mit einigen Freunden einen der begehrten Stände des jährlichen Hallenflohmarkts ergattert und wir waren gerade dabei, nach Ende der Veranstaltung unseren übrigen Krempel wieder zu verstauen, als sie mich ansprach und Interesse an einem alten Buch äußerte, welches ich gerade in der Hand hielt.
„Eine seltsame Käuferin, die erst kommt, wenn alles vorbei ist“, dachte ich mir noch, trotzdem wurden wir uns rasch einig. Unser Gespräch verlief so angenehm, dass ich ihr meine Telefonnummer gab, was sonst überhaupt nicht meine Art ist.
Letzten Samstag waren wir abends zusammen im Kino und anschließend noch kurz im angrenzenden Lokal. Sie litt wohl an einer Magenverstimmung, wie sie entschuldigend bemerkte, daher trank sie nur ein stilles Wasser und wir verabschiedeten uns bald wieder. So habe ich nicht viel von ihr erfahren
Ob sie mir heute mehr erzählen wird?
Als ich gerade darüber nachdenke, klingelt es an meiner Türe …
Sookies Fortsetzung:
Ich springe durch den Flur und stolpere fast beim Versuch, mein T-Shirt glattzustreichen und gleichzeitig meine Brille zurechtzurücken. Ich hätte nie gedacht, dass ich so aufgeregt sein würde! Mit klopfendem Herzen reiße ich die Tür auf und merke, dass ich den Mund aufsperre wie ein Fisch, der an der Scheibe des Aquariums nuckelt.
Vor mir steht nicht die heiße Nicki, sondern ein riesiger tätowierter Kerl. Ich blinzle überrumpelt. Der Mann sieht aus, als würde er in einer Wikinger-Serie brandschatzen und plündern. Aber er grinst mich breit an und sagt: »Hi! Ich bin Sven!«
Ich räuspere mich. »Und ich bin verwirrt. Ich dachte …«
Hinter dem riesigen Wikinger kommt Nicki die Treppe herauf und lacht übermütig. »Digger, du bist disqualifiziert! Deine langen Beine sind für Wettrennen gar nicht zugelassen!«
Nicki greift sich schnaufend in die Seite und holt Luft, dann stellt sie uns vor: »Digger, das ist Jonas, Jonas, das ist Sven!«
»Äh, das hab ich schon gehört.«
Ich hätte gern irgendwas beeindruckend intelligentes gesagt, aber mein Gehirn fühlt sich an wie eine gelöschte Festplatte.
Nicki wirft ihre tollen blonden Dreadlocks nach hinten und strahlt mich an. »Dürfen wir reinkommen? Sven bleibt auch nicht lange!«
Mit einem verwirrten Nicken trete ich zur Seite. Der Wikinger schiebt sich an mir vorbei in den Flur. »Cool, du bist echt ein Nerd!«
Ist der Typ tatsächlich beeindruckt? Jedenfalls betrachtet er anerkennend die eingerahmten Filmplakate, die meinen Flur zieren. Neugierig beugt er sich vor und betrachtet ein paar Details. »Würdest du sagen, dass du dich eher mit Iron Man identifizierst oder mit Spiderman?«
Ich mache einen Schritt rückwärts, stoße mit dem Rücken gegen das Avengers Plakat und nehme die Brille ab, um sie zu putzen. Eigentlich, um mich zu beruhigen. »Nun, also, wenn ich mich irgendwo im Marvel Universum verorten müsste, würde ich eher zu Captain America tendieren, weil er …«
Nicki unterbricht mich und platzt heraus: »Findest du nicht, dass Sven aussieht wie Thor?«
Ich räuspere mich wieder und nicke langsam. Sven spreizt seine riesige Pranke und wirft ein: »Ja, aber wenn ich einen Hammer brauche, muss ich mir den selber holen! Der kommt einfach nicht angeflogen und Odin weiß, dass ich es versucht habe!«
Ich muss gegen meinen Willen lachen. Dieser Typ gefällt mir. Wahrscheinlich wäre ich sogar richtig gern mit ihm befreundet, wenn er sich mit Typen wie mir abgeben würde. Aber dafür war er bestimmt zu cool.
Während ich mich frage, wieso Nicki den Kerl überhaupt mitgebracht hat, stellt sie sich auf die Zehenspitzen und gibt Sven einen Kuss. Auf den Mund. Einen ziemlich sinnlichen Kuss. Ich wende den Kopf ab und frage mich, wie ich auf die Idee kommen konnte, dass zwischen Nicki und mir was laufen würde! Eine Frau wie sie kann ganz andere Männer haben!
Ich höre, wie Nicki zärtlich flüstert: »Mach dich jetzt vom Acker, Digger. Jonas und ich wollen allein sein.«
Sven brummt warm. »Hmhm. Ruf an, falls ich dich abholen soll.«
Nicki gurrt sanft: »Mach dir einfach mit Annika einen schönen Abend, ich komm schon klar.«
Annika? Wer ist Annika? Haben die beiden eine kleine Tochter?
Sven gibt Nicki schon wieder einen Kuss und fragt: »Hast du Kondome dabei, mein Schraubenschlüsselchen?«
Ich laufe knallrot an. Nicki zischt: »Jetzt mach mal keinen Stress, Digger, Jonas ist schüchtern!«
Sven grinst, dann drückt er Nicki noch einmal kurz und hält mir die Hand hin. »War echt nett, dich kennenzulernen!«
Wie hypnotisiert schlage ich ein und erwarte, dass er mir die Hand zerquetscht, aber sein Händedruck ist überraschend sanft. Sven grinst. »Vertragt euch, Kinnings!«, dann verlässt er die Wohnung.
Plötzlich bin ich mit Nicki allein. Mit der Frau, an die ich Tag und Nacht denken muss. Und ich bin völlig verwirrt. Nicki neigt den Kopf und sieht mich erwartungsvoll an. »Ja, das war also meine Magenverstimmung. Deswegen musste ich neulich so schnell weg, wir waren noch verabredet. Ich wollte nur nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ich hoffe, es ist okay, dass Sven mich hergebracht hat. Er hat sich so wahnsinnig für mich gefreut, als ich ihm erzählt hab, dass ich mich in dich verknallt hab, da war er neugierig auf dich.«
Für einen Moment frage ich mich, ob ich jetzt eine Magenverstimmung bekomme. Aber das heiße Rieseln in meinem Bauch ist irgendwas anderes. Hat sie gerade gesagt, dass sie sich in mich verknallt hat? In mich? In den langweiligen Streber, dessen Lebensgefährtin »Spielekonsole« heißt?
Ich rücke meine Brille zurecht. »Äh, ich gebe zu, dass ich gerade etwas verstört bin. Kannst du mir erklären, was hier gerade los ist?«
Nicki sieht mich offen an. »Klar. Aber ein Kaffee wäre echt cool.«
Ich hole tief Luft, dann renne ich in die Küche. »Wie kann ich meine Manieren vergessen! Komm doch rein! Setz dich!«
Während ich mit zitternden Händen Kaffee koche, verfluche ich mich lautlos. Ich hätte die ganzen Spielfiguren und Raumschiffe noch von der Fensterbank räumen sollen. Aber Nicki beugt sich über die Enterprise und pfeift anerkennend. »Ein schönes Schiff. Aber ich steh ja mehr auf die Voyager. Die Intrepid-Klasse ist einfach schnittiger als die Galaxy-Klasse.«
Elektrisiert richte ich mich auf. »Um ehrlich zu sein, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: Wow, die Frau sieht aus wie Seven of Nine von Star Trek!«
Sofort werde ich rot. Welcher Trekkie ist nicht in Seven of Nine verknallt? Nicki lacht unbekümmert. »Das höre ich ständig! Deswegen trage ich die Dreadlocks. Ich will nicht, dass die Leute mich für eine Borg halten.« Sie grinst breit. »Dann haben sie Angst, dass ich sie assimiliere.«
Ich fingere nervös Tassen aus dem Schrank. »Du guckst also Raumschiff Voyager?«
Nicki setzt sich auf einen der Stühle am Küchentisch. »Klar. Annika und ich kennen die Folgen auswendig!«
Die Tassen klirren leise in meiner Hand, also setze ich sie ab. »Wer ist diese Annika?«
Nicki lächelt mich an. »Sven Liebesfreundin für immer. Die beiden spielen bestimmt schon im dreihundertsten Level, die kennen sich ewig.«
Ich sinke vorsichtig auf den Stuhl ihr gegenüber. »Äh, und was genau spielt ihr da?«
Nicki zuckt die Schultern. »Nichts Wildes. Wir sind nur polyamor.«
Ich huste. »Poly was?«
Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »Wir sind nicht monogam. Wir führen mehrere Beziehungen gleichzeitig. Aber alle wissen voneinander und sind ziemlich gechillt.«
Ich schnappe nach Luft. »Hättest du mir das nicht verheimlichen können? Jetzt kriege ich Albträume!«
Sie neigt wieder so niedlich den Kopf und sieht mich forschend an. »Und dann? Dann hättest du die Schutzschilde gesenkt und dich unter völlig falschen Voraussetzungen auf mich eingelassen. Wenn es dann irgendwann rausgekommen wäre, hätte ich dir das Herz gebrochen. Jetzt, wo du es weißt, kannst du die Schilde remodulieren und dich drauf einstellen.«
Ich lasse die Augen über die Decke wandern. Mann, die Frau weiß wirklich, wie sie reden muss, damit ein Nerd sie versteht! »Meine Exfreundin hat mich verlassen, weil sie jemanden kennengelernt hat, der cooler war als ich.«
Nicki seufzt mitfühlend. »Das würde dir mit mir nicht passieren. Sven verlasse ich ja auch nicht, weil ich dich kennengelernt hab.«
Ich springe auf und prüfe, ob der Kaffee nicht mal langsam fertig ist. »Und wieso haut dieser Sven mir nicht einfach was auf die Nase?«
Nicki sieht mich erstaunt an. »Findest du, dass Sven aussieht wie einer, der draufhaut?«
Ich blinzle verstört. »Ähm, um ehrlich zu sein …«
Nicki lacht, dann steht sie auf und kommt zu mir. Vorsichtig nimmt sie mir die Brille ab und flüstert: »Sie werden assimiliert werden! Widerstand ist zwecklos!«
Gefühlvoll haucht sie mir einen Kuss auf die Lippen. Meine Knie werden so weich wie Butter in der Pfanne. Sie sieht mir tief in die Augen und flüstert: »Denkst du, du kommst damit klar, dass ich dir anders treu sein werde als andere Frauen?«
Heiser krächze ich: »Wie genau?«
Nicki lässt die Hand über meinen Arm gleiten und streichelt mich sanft. »Ich werde dir nie etwas verheimlichen und dich nie anlügen. Und ich werde dich nie sitzenlassen, weil ich jemanden kennenlerne. Und wenn du nächtelang mit Sven zocken willst, mache ich eben mit Annika einen drauf, ohne zu nörgeln.«
Ich stammle: »Ich, äh, also, ich hab so was noch nie gemacht. Ich weiß gar nicht, wie das geht mit dieser Polyamorphie.«
Nicki lacht sanft. »Amorie. Polyamorie. Von Amor. Du weißt schon.«
Sie spannt einen unsichtbaren Bogen und schießt mir einen Pfeil direkt ins Herz. Ich gehe hilflos in die Knie, dann räuspere ich mich. »Äh, öh, ähm, und was ist, wenn ich eifersüchtig werde?«
Nicki kommt ganz nah an mich heran. Ich kann fühlen, wie warm und weich sie ist. Zärtlich haucht sie: »Dann bin ich ganz besonders lieb zu dir, bis du mir glaubst, dass du einzigartig bist und niemand dich ersetzen kann!«
Ich weiche ihrem amüsierten Blick aus und hüstle verlegen. »Und, also, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich auch mal jemanden kennenlerne?«
Sie schenkt mir wieder dieses umwerfend strahlende Lächeln. »Dann hoffe ich, dass du sie mir vorstellst!«
Ich denke einen Moment nach, dann murmle ich verlegen: »Ich hab keine Ahnung, worauf ich mich da einlasse! Aber ich hoffe, du kriegst nicht wieder eine Magenverstimmung. Der Kaffee ist nämlich fertig.«