Einst, in einem Königreich, lebte ein König, der schon viele Jahre über sein Reich herrschte. Nun war er aber nicht gütig, wie es so mancher König in Märchen ist. Nein - er fürchtete sich, dass die Menschen eines Tages aufbegehren könnten. Er wollte alles regeln, er wollte sicherstellen, dass alles so geschah, wie es seiner Meinung nach geschehen sollte.
Und so erließ er eine Regel nach der anderen und die Leute stöhnten auf, doch er war ihr König. Und wenn immer sie zu den Sternen blickten, hoch oben, wie sie funkelten, dann spürten sie Hoffnung in ihrem Herzen. So wie die Sterne jede Nacht aufgehen, würde auch das Leben weitergehen. Nun aber wurde auch das dem König zugetragen und es trieb ihm um. Er fürchtete, dass die Menschen zu viel selbst denken könnten oder dass die Sterne sie ermuntern würden, Dinge zu tun, die er nicht für richtig hielt. Also verbot er, dass seine Untertanen des Nachts nach oben schauen, in den Himmel und zu den Sternen.
Die Menschen murrten zunächst auf, doch nach und nach hielten sich alle daran. Des Nachts sah keiner mehr zu den Sternen, wie sie funkelten und ihre Geschichten erzählen.
Die Jahre waren ins Land gezogen, da kam ein seltsamer Besucher durch die Lande. Er war ganz in schwarz und weiß gekleidet, eine lustig-traurige Maske trug er. An seiner Kleidung klingelten Glöckchen und überhaupt sagten die Leute, die ihn trafen, dass er ein seltsam lustiger Kerl sei.
Eines Abends kam der seltsame Mensch in ein Dorf, wo er an einem Brunnen saß. In seiner Hand hielt er etwas und sah hinein. Ein jungs Mädchen kam zu dem Brunnen, den Blick gesenkt und wollte Wasser holen. Da sah sie die seltsam gewandete Gestalt, deren Glöckchen leise im Wind klangen. Sie ging zu ihm hin und fragte, was er sich denn ansehe.Er streckte ihr das Ding hin und sie sah hinein - und schrak zurück! Sie hatte viele Lichter gesehen, die vor einem dunklen Hintergrund leuchten.
Erstaunt ging sie wieder zu der Gestalt, die immer noch das seltsame Ding hielt, in ihre Richtung gestreckt. Sie blickte hinein und sah - nochmals abertausende leuchtender Lichter und einen Teil ihres eigenen Gesichts. Mit Erstaunen betrachtete sie, was sie da sah. Dann fragte sie, an die Gestalt gewandt, was das denn sei. Die Gestalt legte nur den Kopf hin und her - kling klong bimmelten die Glöckchen. Dann zeigte die Gestalt nach oben.
Zögerlich, ganz vorsichtig, sah das junge Mädchen nach oben. Was sie dort sah, raubte ihr den Atem! Die Lichter strahlten am Himmel - noch viel heller als in dem Spiegel. Lange stand sie so da und staunte.
Irgendwann besann sie sich, dass sie Wasser holen sollte. Sie sah die Gestalt an und dankte ihr - von nun an hatte sie keine Angst mehr, nach oben zu sehen. Sie fragte auch den seltsamen Besucher, ob sie nicht den Spiegel haben könne. Dieser gab ihn ihr und mit einem hellen, klingenden Glöckchengebimmel stand er auf und verließt den Ort.
Das Mädchen nun nahm den Spiegel. Was die Gestalt ihr gezeigt hatte, das zeigte sie auch anderen - einem nach dem anderen. Sie zeigte ihnen die Sterne im Spiegel und nachdem sie ihren ersten Schrecken überwunden hatten, blickten die Menschen wieder in den Himmel. Und so kam es, dass eines Nachts die Menschen des Landes sich vor dem Königssitz sammelten. In ihren Händen hielten sie Spiegel und diese Spiegel richteten sie so auf den Himmel, dass das Sternenlicht auf die Palastmauern geworfen würde. Sie riefen nach dem König und sie riefen, dass seine Herrschaft vorbei wäre.Der König nun wusste nicht, was er tun sollte, denn seine Getreuen hatten ihn verlassen, als sie die Sterne sahen. So kam er hervor und er dankte ab.
Die Menschen nun bauten sich eine neue Zukunft, ein neues Reich. Jede Nacht blickten sie hoch zu den Sternen und sie gaben ihnen Namen.
Der Wanderer jedoch, der ist immer noch unterwegs. Er kommt dorthin, wo es ihn hinzieht und wo er gebraucht wird. Die einen nennen ihn Helioka, die anderen nennen ihn Narr - auf der ganzen Welt hat er viele Namen bekommen. Doch er ist immer derselbe und darin immer anders.
ENDE
- Dieses Märchen habe ich beim Märchenabend am 29.02.2020 auf Belletristica erzählt. Es war eine Spontan-Erzählung und sie gibt eine Geschichte wieder, die ich vor vielen vielen Jahren gehört hatte und seitdem in meinem Herzen trage. -