Sie lagen im Schatten der Pinien, alle drei auf Tuchfühlung. Mehrere Gäste waren auf den Platz gekommen, man grüßte sich mit einem Zunicken und sah dem Treiben weiter zu. Eine leichte Brise wehte und machte die Hitze erträglich, die im Schatten der Pinien nicht ganz so brutal schien, wie in der Sonne, doch es war dunstig und deshalb auch im Schatten heiß. Die Luftfeuchtigkeit macht die gefühlte Temperatur. "Habt ihr schon mal eine richtig große Pizza gesehn?" - "Wie groß?" - "Richtig groß!" Michael formte mit den Händen einen Kreis von über einem halben Meter. "Nein, wo gibts die?" - "In Porec in der Altstadt in der Gasse hinter dem Aquarium, da gibts eine Pizzaria, mit Saloon oder so, da gibt es riesengroße Pizzen und saftige Steaks. Da könnten wir heute Abend essen und danach ein Bisschen durch den Hafen schlendern. Da gibt es hunderte Stände wo allerlei Dinge verkauft werden. Sicher so manches Schnäppchen aber noch mehr Schrott. Aber man muss es einmal gesehen haben, wenn man schon hier war! Da gibts auch einen Flugsimulator, der macht voll Spaß! Was haltet ihr davon?" - "Wir folgen dir, großer Manitu, wohin auch immer du uns führen magst!" antwortete Silvia. Michael hatte schon so oft ein, zwei Wochen bei seinen "Wahl-Eltern" verbracht, dass auch die Einheimischen ihn inzwischen kannten. "Gut, dann machen wir heute Abend einen Altstadtbummel. Das wird euch gefallen!" - "Schatz, Tommy muss aber auch mal ins Bett!" - "Ja, Liebes! Da müssen wir zusehen, dass wir vor Mitternacht wieder hier sind, nicht wahr?" Michael zwinkerte Tommy zu als er diese Worte ganz harmlos sprach. "Michael! Tommy ist Vier!" - "Fast fünf Mama, fast fünf!" - "Naja, mit fast fünf könnten wir auch nach Mitternacht heimkommen, oder, Tommy?" - "Jahh!" - "MICHAEL!" - "Schon gut, Liebes, ich hab dich nur ein Wenig verscheißert, weil du so süß bist, wenn du dich so entrüsten kannst." - "Also wirklich, Michael..."
Michaels Mutter hatte es nie gekümmert, ob ihr Junge schlafen ging oder auch nicht. Es war ihr buchstäblich scheißegal gewesen was der Junge trieb, solange sie dadurch nicht in einem schlechten Licht stand. Sie verstand auch nicht, warum sich nun Einer gefunden hatte, der ihm unbedingt ein Studium finanzieren wollte. Es war ihr egal, solange es nicht den Anschein hatte, der Junge sei ihr vom Jugendamt genommen worden oder sie hätte ihn aus dem Haus gejagt. Michael hatte kein Problem damit, aus dem Elternhaus auszuziehen und seine Mutter zu verlassen. Er würde nicht mehr hier zur Schule gehen, was ihm nicht schwer fiel, wo er doch wusste, dass Bertie und Gerd ja auch in höhere Schulen kamen. Was ihn schmerzte, war die Tatsache, dass er nun auch seine "Wahleltern" verlassen musste. Er hing sehr an den beiden, was ihm jetzt, da die Zeit gekommen war, zu gehen, erst richtig bewusst wurde. Zu Mira und Mirko hatte er mit all seinen Problemen gehen können, über alles reden können. Manches nur mit Mira, manches nur mit Mirko, aber sie waren ihm, dem Jugendlichen immer mit Respekt begegnet und sie hatten ihn dabei gelehrt, auch Jedem zunächst mit Respekt zu begegnen. Erwies sich jemand als dessen nicht würdig, konnte man immer noch reagieren. Ein "von Oben herab" gab es bei ihm nicht! Nicht zuletzt aus diesem Grund, kam er eigentlich überall gut an. An den Wochenenden würde er weiterhin ins Dorf kommen. Er musste die Chance einfach ergreifen, die Horst ihm geboten hatte. Er würde Mira und Mirko und auch Horst für ihre Unterstützung damit danken, erfolgreich zu sein. Zwar würde er nicht das Rad neu erfinden, wie Horst scherzhaft gesagt hatte, doch er hatte sich schon lange Gedanken über Energiegewinnung gemacht und glaubte fest daran, Wege zu finden, Energie für jeden erschwinglich und umweltfreundlich gewinnen und speichern zu können. Es mochte seiner Mutter egal sein, aber er würde den Weg zum Erfolg erhobenen Hauptes gehen. Schon Mira, Mirko und Horst zuliebe...