Suche nach dem Flauschbärenbotschafter- Das Krea-Tief- Tal
«Das gibt es also tatsächlich!» sprach ich beeindruckt.
«Natürlich gibt es das Krea-Tief- Tal,» meinte unser Vampirfürst etwas vorwurfsvoll «sonst wäre es ja nicht auf meiner Karte aufgeführt.»
«Aber ich dachte immer, es sei ein Mythos, ein düsteres Schauermärchen, das man den Kindern vor dem Schlafen gehen erzählt, um sie vor den Unbillen des Schreibstaus und der Kreativitätslosigkeit zu warnen.»
«Nein, leider ist das Krea- Tief- Tal grausame Realität!» erwiderte Phobos, mit finsterem Blick «und es birgt einige Gefahren...» Ich blickte etwas ängstlich zu Big-Ben herüber, welcher gleich neben mir stand und welcher zustimmend nickte. Er sprach: «Ja das ist richtig! Es entstand einst aus allen Nöten der Belle- Bürger, wenn sie in ihrem schriftstellerischen Schaffen, eines der schrecklichen, allseits gefürchteten Tiefs erfuhren, dass sie teils vollkommen unfähig machte, noch etwas Gescheites zustande zu bringen. Entweder waren ihre Babys dann völlig verkrüppelt, oder starben noch vor der Geburt. All diese Nöte, haben sich hier, in und durch das Krea- Tief- Tal, manifestiert. Ein schrecklicher, einsamer Ort, voller Verzweiflung und Verderbnis.»
«Aber wenn Felix jetzt da unten wäre, das wäre bestimmt furchtbar,» sprach Kathy voller Sorge.
«Ja,» gab unser Big Ben unheilverkündend zu Antwort. «Wenn er da unten wäre… Dann wäre er ein Gefangener, der Gefangene, einer schrecklichen Phase der Düsternis und Kreativitätslosigkeit. Das Krea- Tief- Tal, würde ihn in tiefste Verzweiflung stürzen, denn hier kann keine schriftstellerische Frucht gedeihen. Hier… kann überhaupt nichts gedeihen. Hier… ist einfach nur Leere und unwirtliche Einsamkeit. Es leben auch keine Tiere an diesem Ort, sondern höchstens sehr üble Kreaturen, denen ihr lieber nicht begegnen wollt. Es gibt keine Wasserstellen und nichts zu Essen. Aber das Schlimmste: Wenn wir da runter gehen, kann es sein, dass wir uns selbst in der dunklen Atmosphäre dieses Tales verlieren und dadurch den Rückweg nicht mehr finden. Das könnte dann unser aller Verderben bedeuten.»
«Das klingt wirklich nicht gut,» meinte unser Seegraf und kratzte nachdenklich an seinem, leicht angegrauten Bart. «Was sollen wir also tun?»
«Mh… aufgeben können wir aber nicht, jetzt da wir so weit gekommen sind,» erwiderte Johhla. Die anderen Anwesenden, nickten nachdenklich.
«Und wir können Felix auch keinesfalls im Stich lassen,» fügte ich noch an «denn was wäre Belle ohne unseren Felix? Er gehört einfach dazu. Daran lässt sich nichts rütteln und darum, müssen wir ihn da raus holen. «Ich werde auf jeden Fall ein paar Portale aufstellen, die ins Reservat zurückführen, damit wir dort hindurch fliehen könnten, sollte es zu gefährlich für unsere Körper, oder Seelen werden. Eins am Fuss dieser Felswand und ein paar noch etwas tiefer im Krea- Tief-Tal. Wir teilen uns am besten auf, aber jemand muss hier die Stellung halten.»
«Das machen wir!» sprachen Hannah (eine junge Frau mit orangeroten, halblangen Haaren) und unser Pater Phil.
«Alles klar!» Wir anderen, teilten uns in vier Gruppen, bestehend aus fünf Personen auf (In meiner Gruppe waren Phobos, Riley, Kathy, Sharimaya und Merenwen. Zusammen mit selbiger waren wir 6). Entlang der Klippe, suchten wir, zusammen mit den anderen Gruppen, nach einem Pfad, der uns hinunterführte. Bald war einer gefunden, doch er erwies sich als sehr wild und unwegsam. Ausserdem war er ziemlich steil, wir mussten gut darauf achten, dass wir nicht stürzten. Doch wir halfen einander gegenseitig und bald berührten unsere Füsse die trockene, harte Erde des Krea- Tief- Tales. Sogleich wurden unsere Herzen schwer.
«Wir dürfen uns nicht von den Schatten dieser Gegend gefangen nehmen lassen!» sprach Ben. «Denkt daran! Konzentrieren wir uns ganz darauf, unseren Felix zu finden! Die Resignation darf uns keinesfalls übermannen!»
«Ben hat recht!» sprach Phobos. «Resignation und Verzweiflung, sind unsere grössten Feinde hier.»
Ja, da hatte er recht. Ich merkte bereits, wie dieses beklemmende Gefühl mein Herz begann zusammen zu quetschen, wie einen überreifer Apfel, in der Mostpresse. Wenn wir das nur heil überstanden! Doch es ging um Felix und ihn zu finden war, wie Ben richtig sagte, oberstes Ziel!
Also machten wir uns auf den Weg, ohne genau zu wissen, was uns hier erwarten würde. Merenwen trottete neben Kathy, die in meiner Gruppe war und das beruhigte mich sehr. Dennoch schien der grosse Wolf, irgendwie auch die Lust am Spuren erschnuppern, verloren zu haben. Wir mussten ihn immer wieder auffordern, doch wachsam zu bleiben, auch wenn es uns selbst sehr schwer fiel. Ich errichtete am Rand der Klippe ein Portal und dann auch noch an verschiedenen anderen Punkten, die wir passierten. Das Krea- Tief- Tal, war zum Glück nicht sehr gross, aber dennoch erschien uns hier jeder Schritt doppelt schwer. Die Sonne brannte ziemlich unbarmherzig hernieder und es schien wirklich nirgends Leben zu geben. Zum Glück, hatten wir alle etwas Mineralwasser und ein paar Schoko- Getreide Riegel mitgenommen. Nirgendwo gab es hier jedoch Schatten und die Hitze, setzte uns doch ziemlich zu. Der sandige Staub, der vom heissen Wüstenwind manchmal aufgewirbelt wurde, reizte unsere Schleimhäute und unsere Kehlen trockneten langsam aus. Seltsamerweise verspürten wir jedoch immer weniger Hunger, oder Durst. Eine beängstigende Schwermut, ergriff immer mehr von uns Besitz und auf einmal begannen wir an allem zu zweifeln, was wir jemals geschaffen hatten. Wir fühlten uns verloren und allein und wir spürten auf einmal eine seltsame Furcht in uns, hier niemals wieder raus zu kommen.
Ich dachte an Felix. War er wohl tatsächlich hier unten verschollen? Fühlte er sich so verloren, dass er den Weg nicht mehr zurückfinden konnte? Was hatte ihn dazu getrieben, an diesen Ort zu kommen? Waren es diese seltsamen, fremden Wesen gewesen, die wir gesehen hatten? Oder gab es noch andere Gründe? Wie gross war wohl das Ausmass seines Leidens wirklich? Und warum, wenn es so war, hatte er sich nicht an uns gewandt und hatte er nicht Zuflucht in unserer Gegenwart gesucht? Fragen über Fragen und doch keine Antworten. Doch im Moment machte es wohl wenig Sinn, darüber nachzudenken, denn wir mussten unseren Mut und unser Vertrauen unter allen Umständen behalten (was wirklich nicht leicht fiel). Bestimmt würde alles gut werden. Wenn der Flauschbärenbotschafter hier war, dann würden wir ihn bestimmt finden, denn wie gesagt, eigentlich war das Krea- Tief- Tal nicht mal so gross, einfach nur sehr gefährlich, für sensible Schriftsteller- Seelen.
Nachdem wir eine Weile querfeldein gegangen waren, an dürren Büschen und Steinfindlingen vorbei, erblickten wir auf einmal eine Höhle vor uns, die tief ins Erdinnere führte. Etwas ratlos, blieben wir davor stehen. Shari meinte: «Dort drin könnten wir sicher etwas Schatten finden. Vielleicht hat Felix das Gleiche gedacht und wir treffen ihn in dieser Höhle an.»
«Meinst du?"
«Versuchen kann man es zumindest.»
«Okay!» gab ich zurück.
«Aber wenn da drin irgendein gefährliches Tier oder so etwas erwartet?» gab Kathy zu bedenken. Wir schauten zu Merenwen herüber, doch diese schien nicht sonderlich beunruhigt zu sein. Ich blickte zu Phobos, der ebenfalls bei uns war und fragte:
«Du sagtest doch, es gibt hier kaum Leben, also sicher keine Tiere.»
«Ganz genau weiss ich nicht was für Wesen sich bereits an diesen Lebensraum angepasst haben, aber ziemlich sicher, gibt es einige andere Kreaturen, wie Teufel, böse Geister, oder sogar Dämonen.»
«Nun mit solchen haben wir ja schon unsere Erfahrungen. Wollen wir doch mal in die Höhle reinschauen? Ich kann den Stein an meinem Stab zum Leuchten bringen.»
Meine Begleiter nickten und ich fuhr leicht über meinen Kristall, dieser fing sogleich an zu strahlen und warf einen hellen Schein in die Finsternis vor uns. Wir atmeten tief ein. «Dann also los!»
Immer weiter und weiter, drangen wir in die Höhle vor, diese war einiges tiefer als wir vermutet hatten. Nichts regte sich und nur das Echo unserer Schritte, widerhallte von den steinernen Fels-Wänden.
«Felix!» riefen wir immer wieder «Felix bist du hier drin?» Doch noch immer regte sich nichts.
Wir wollten schon wieder resigniert umkehren, als auf einmal ein lautes, markerschütterndes Brüllen, an unsere Ohren drang! Wir fuhren entsetzt herum und dann sahen wir in dem Gang vor uns, ein blaugrünes Leuchten! Dieses kam schnell näher, begleitet von einem weiteren Brüllen. Es kam mir vor, wie im Herr der Ringe, als der Balrog in den Mienen von Moria auftauchte. Nur hatten wir leider keinen Gandalf hier, der diese beängstigende Kreatur, die nun auf uns zukam, zu stoppen vermochte. Sollte ich es vielleicht einmal versuchen?... Nein… war wohl doch keine so gute Idee!
«Lauft!» schrie ich, als vor uns ein riesiges Monstrum, mit blaugrün flammender Mähne, und einem tiefschwarzen Leib auftauchte. Es hatte glühende Augen und die Flammen die von ihm ausgingen, schlugen uns mit heisser Wucht entgegen. An einigen Stellen verflüssigte sich sogar das Gestein und lief in Lava Rinnsalen herab. «Sofort alle raus hier!» schrien nun auch Riley und Phobos, «sonst werden wir gegrillt. Das muss ein Bellemon sein!» (beschrieben ebenfalls in Felix Werk: Systema Natura Belletristica) Wir liefen und liefen, so schnell uns unsere Beine zu tragen vermochten. Stets den heissen Atem der Bellemon Flammen im Nacken. Endlich, endlich, sahen wir vor uns den hellen Ausgang und wir legten noch einen Zahn zu. Der Bellemon schien nun etwas langsamer zu werden und wir stürzten uns hinaus ins Sonnenlicht, in der Hoffnung, dass die Kreatur dieses scheute. Tatsächlich war es so und der Bellemon, folgte uns nicht nach draussen. Gottseidank!
Dennoch liefen wir noch ein Stück weiter und… rannten Felix im wahrsten Sinne des Wortes direkt in die Arme!! Durch die Wucht des Aufpralles, gingen wir alle zu Boden. Doch sogleich rappelten wir uns wieder auf und schrien (nachdem wir festgestellt hatten, dass wir alle unverletzt waren): «Felix, du bist tatsächlich hier!» Ohne erst den Staub abzuklopfen, schlossen wir unseren Flauschbärenbotschafter und Bellologen glücklich in die Arme.
«Endlich haben wir dich gefunden!»
«Ihr habt mich gesucht?» Felix’s Stimme klang müde und irgendwie matt. Auch wenn er sehr erleichtert schien, uns zu sehen.
«Ja klar!» rief Kathy «Ich habe dich immer wieder aufsuchen wollen, doch du warst einfach nie da. Da habe ich die anderen um Hilfe gebeten.»
«Aber so lange war ich doch gar nicht weg.» «Doch immerhin, habe ich seit einem Monat gar nichts mehr von dir gehört und den Eintrag, den du in deinem Tagebuch, über die seltsamen, neuen Kreaturen machtest, war auch vor 10 Tagen.»
«10 Tage ist das schon her? Aber ich wollte doch eigentlich am selben, oder zumindest am nächsten Tag wieder zurück in der Forscherhütte sein. Warum… bin ich dann immer noch hier?» «Das ist eine gute Frage.»
«Die Zeit scheint anders zu vergehen im Krea- Tief- Tal,» sprach Phobos nachdenklich.»
«Ja… das war irgendwie seltsam. Ich spürte gar nicht richtig, wie die Zeit verging. Irgendwie war ich gefangen in mir selbst, gefangen in Schmerzen, die mich heimsuchten, wie finstere Dämonen. Die seltsamen neuen Wesen diese Vapidus Vocabulum, haben es mir nicht unbedingt leichter gemacht.» Vapidus… was?» fragte ich.
«Ich haben ihnen diesen Namen gegeben. Frei übersetzt heisst das: verdorbene Worte, also ein Wortschatz, der bisher in Belle- Land nicht vorgekommen ist, nun jedoch sind diese Wesen plötzlich aufgetaucht. Ich vermute wirklich, es handelt sich bei ihnen um eine neue Spezies von Geistern, denn sie sind beweglich, formen sich immer wieder neu und wenn einige von ihnen zusammen los schnattern, dann kann sich das zu einem wahrlich ohrenbetäubenden Getöse steigern. Ja und Menschen mit sensiblen Ohren und Gemüt, sogar in die Flucht schlagen. Als mir das erste Mal ein ganzes Heer von ihnen begegnet ist, haben sie mich wirklich sehr erschreckt, ich floh vor ihnen bis ins Krea- Tief- Tal hinein. Dann verschwanden sie einfach wieder und ich… war hier. Da kam diese Schwermütigkeit, alles was ich an Leid und Kummer in meinem Leben schon erfahren habe, brach über mich herein und ich irrte ziellos umher, stets in der Hoffnung, das Ende des Tales irgendwann zu erreichen. Doch das Ende kam einfach nicht und ich blieb an diesem schauerlichen Ort gefangen. Ich muss lange hier gefangen gewesen sein, in der Tat, doch nun… seid ihr hier. Vielleicht hat das Leiden nun endlich ein Ende!»
Kathy legte den Arm um Felix. «Ja, bestimmt hat das jetzt ein Ende! Wir holen dich hier raus und dann wirst du in der Gesellschaft all der Bellebürger, die dich lieben, an Körper und Seele genesen!» «Das klingt schön,» sprach Felix mit erstickter Stimme und seine Augen wurden feucht. Schnell wischte er sie wieder trocken. «Es berührt mich wirklich, dass ihr mich gesucht und gefunden habt.»
«Ist doch klar!» sprachen wir «Was wäre Belle- Land ohne dich!»
«Bin ich wirklich so wichtig für euch?»
«Sicher! Das Krea- Tief- Tal hat wahrlich ganze Arbeit geleistet, wenn du das nicht mal mehr sehen kannst! Es wird Zeit nach Hause zu kommen!»
«Nach Hause… das klingt gut.»
«Ja.» meinte ich «Komm ich mache uns ein Portal, zurück an den Rand des Tales! Die andren werden sich so sehr freuen, dich zu sehen!»