Der kleine Bäcker in der Cypress Street war trotz der frühen Uhrzeit schon gut besucht. Steve wurde von Michelle, die ein kleines Bekleidungsgeschäft in der Willow Street hatte freudig begrüßt: "Steve Carter, wieder zurück in der Heimat! Deine Großmutter war schon ganz aufgeregt gestern, besuchst du sie?" Steve nickte und hoffte das sie ihn nicht weiter belagern würde. "Gut!", Michelle schien den Wink nicht zu verstehen "richte ihr aus das ihre Bestellung bei mir im Laden abzuholen ist, die Änderungen kosten 20 Dollar, vielleicht möchtest du sie am Nachmittag abholen? Ich würde so gerne erfahren was du im letzten halben Jahr so alles erlebt hast!" Steve versuchte sich ein Lächeln aufzusetzen: "Gerne, aber da gibt es nicht viel zu erzählen!" Miss Marlow, die Besitzerin der Bäckerei mischte sich ein: "Steve hier deine Brötchen, die gehen aufs Haus als kleines Willkommensgeschenk, ich hoffe du bleibst wieder in St. Francisville!" Steve dankte ihr und nahm seine Brötchen entgegen. Das jeder, vor allem jene die in der Cypress Street wohnten, alles über die anderen wissen wollte war ein Aspekt der Kleinstadt den er schon immer gehasst hatte. Er wollte gerade den Laden verlassen als er Michelle flüstern hörte: "Miss Malow, haben sie das von den Barnes gehört? Mr. Barnes ist aus der alten Plantage ausgezogen, er soll nach Jackson abgehauen sein! Jetzt wohnt die arme Miss Barnes mit ihrem Sohn alleine in diesem Spuckhaus!" Steve hielt inne und blieb stehen, Buckys Eltern hatten immer glücklich gewirkt, ob das jetzt nicht mehr so war konnte er sich nicht vorstellen, andererseits konnte in einem halben Jahr viel passiert sein.
Er machte sich auf den weg zum Haus seiner Großmutter um mit ihr zu frühstücken.
Es war kurz vor Mittag als er das Haus von Oma Marry verließ. Er hatte Jessica angerufen und gebeten ihn zu NAPA Auto Parts zu fahren, dem Laden von Mr. Freeman, um sich dort einen Gebrauchtwagen zu kaufen. Die Fahrt hatten die beiden schweigend verbracht, Steve starrte aus dem Fenster und gab sich seinen Gedanken hin. Die erste Nacht zurück in St. Francisville und schon träumte er von Bucky, oder halluzinierte. Er beschloss sobald er den Wagen hatte noch zu Freds Pharmacy zu fahren und sich letztendlich doch Schlaftabletten zu besorgen, damit er zumindest in dieser Nacht ruhig schlafen konnte. "Steve? Alles in Ordnung?", Jessicas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken zurück in ihren Pick Up, der schon am Parkplatz von NAPA Auto Parts stand. Steve rieb sich die Augen: "Ja tut mir Leid, wenig Schlaf!" Er sprang aus dem Auto und begrüßte Mr. Freeman, der ihm bereitwillig seine Gebrauchtwagen zeigte. Einer gefiel ihm besonders, ein schwarzer Dodge Ram mit wenigen Kilometern. "Was kannst du mir für einen Preis machen?", fragte Steve und betrachtete den großen Pick Up eingehend. Mr. Freeman überlegte: "Deine Eltern haben alle Autos bei mir gekauft und reparieren lassen, sagen wir 10.000 Dollar und er gehört dir!" Steve nickte, er hätte auch mehr bezahlen können dank der Lebensversicherung seiner Eltern, war aber froh einen guten Preis zu bekommen. Der Papierkram war schnell erledigt und Steve verabschiedete sich von Jessica. "Wir gehen heute um acht ins Que Pasa, du weißt schon, der Mexikaner an der Route 61, komm doch auch!" Steve winkte ihr: "Ich werde es versuchen!" Er stieg in seinen Dodge, der sofort startete, der Motor schnurrte gleichmäßig und als Steve ins Gas stieg wusste er warum sein Vater sich immer so einen Wagen gewünscht hatte. Er zog für das Gewicht wie ein Rennwagen vom Platz, Steve fuhr die Route 61 nach Norden weiter um bei Wilcox Oil & Co zu tanken. Von der Tankstelle aus konnte er die Einfahrt zur Myrtles Lane sehen, der Straße an deren Ende die Myrtles Plantage stand. Unweit davon hatte ein Hotel aufgesperrt für "Horror Tourismus" hatte ihm der alte Mr. Wilcox erzählt. Man konnte auch wirklich aus allem irgendwie Geld machen. Steve überlegte die Myrtles Lane entlang zu fahren um sich das Hotel, welches man im Antebellum Stil gebaut hatte um den Flair des echten Anwesens zu kopieren, anzusehen. Er fragte sich warum zum Teufel Buckys Mutter diesen Horror-Ort gekauft hatte, niemand wollte dort wohnen für viele Jahre, nicht einmal als Steves Eltern noch Kinder waren war es bewohnt gewesen.
Unbewusst war er schon in die Myrtles Lane abgebogen, er beschloss sich erst mal aufs fahren zu konzentrieren und seine Gedanken zu verschieben.
Das Hotel "Myrtles Location" war eine fast perfekte Kopie des Anwesens, Steve war erstaunt wie gut es besucht war. Die Laute Stimme eines Mitarbeiters riss ihn aus seinen Gedanken. "Verschwinden Sie hier, sie sind sicher keine 21 Jahre alt!", der stämmige Kellner schubste ihm einen nach Schnaps stinkenden jungen Mann in die Arme. Steve konnte es nicht fassen, die blauen Augen von Bucky wirkten trüb und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. "Steve!", hauchte er "du bist zurück!" Steve schloss ihn in die Arme, Bucky erwiderte die Umarmung sofort, sties ihn dann aber von sich: "Wenn Mutter mich so sieht!" Steve packte ihn am Arm: "Buck du bist betrunken, los setzt dich ins Auto!" Er platzierte seinen besten Freund auf dem Beifahrersitz und schnallte ihn fest und stieg dann selbst ins Auto zurück. Der Motor des Dodges heulte auf und Steve lenkte ihn zurück auf die Route 61 um dann in die Elm Street weiter zur Cypress Street ab zu biegen.
Er parkte den Dodge direkt vor seinem Haus und ging dann zur Beifahrertür, löste den Gurt und zog Bucky aus dem Wagen.
Den Weg ins Haus überstand dieser noch gut, als sie die Küche erreicht hatten musste er sich allerdings ins Waschbecken übergeben.
Steve holte den Eistee von Oma Marry aus dem Kühlschrank und schenkte zwei Gläser ein: "Trink erst mal was!" Bucky lies sich auf einen Stuhl fallen, er sah schrecklich aus, sein langes braunes Haar hatte er Gott sei dank zusammen gebunden und das schwarze Shirt schien er auch schon länger zu tragen. "Tut mir Leid!", Bucky nahm einen Schluck Eistee "ich wollte mich nicht so betrinken!" Steve starrte ihn eingehend an, so gut wie es das Bild auf Facebook zeigte schien es ihm nicht zu gehen. Er hatte mindestens so viel abgenommen wie Steve, wirkte blass, sein sonst so seidiges Haar war stumpf und seine Haut war blasser als früher. "Was ist los mit dir Damien?", fragte Steve streng, bereute als er dessen Blick sah sofort den Ton und die Tatsache das er ihn nicht bei seinem Spitznamen genannt hatte. Schließlich war es Steve gewesen, der ihm nach einem Kinobesuch den Spitznamen Bucky verpasst hatte, sie hatten sich "The first Avenger" angesehen und danach hatte Steve beschlossen seinen besten Freund wie den von Captain America zu nennen, Bucky Barnes. "Kann ich schnell duschen?", fragte Bucky ohne ihn dabei anzusehen. Steve nickte: "Du kennst dich aus, danach fahren wir zu Que Pasa essen, du siehst aus als könntest du mal wieder feste Nahrung vertragen Buck!" Bucky lächelte dankbar und verschwand nach oben.
Steve versuchte fest zu stellen wie er sich damit fühlte, er hatte gehofft Damien "Bucky" Barnes nie wieder zu sehen, aber das Schicksal hatte ihm seinen besten Freund wieder in die Arme geworfen.
Sein Puls war erhöht und er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, er sollte wütend auf Bucky sein, ihn anschreien, aber er machte sich einfach nur Sorgen.
Er entschloss sich den Brief sofort zu lesen, seine Neugierde lies sich nicht mehr länger in Zaun halten. Er ging nach oben, nahm den Brief, der zu seiner Beruhigung, nach wie vor auf dem Schreibtisch lag, und warf sich damit auf sein Bett.
Steve...
es tut mir Leid das ich nach unserem Streit einfach so abgehauen bin. Natürlich bereue ich meine ganzen Lügen, was meine Person und meine Familie betrifft. Du sollst wissen das du mir viel bedeutest, du bist mein bester Freund, aber du bist eben nicht nur das. Du weißt wovon ich rede, wir können uns nach wie vor einreden das wir uns nur geküsst haben weil wir einmal verwirrt, einmal betrunken und die anderen male beides oder keines von beidem waren. Aber so ist das nicht und ich denke, nein ich hoffe du weißt das! Deine Eltern hassten mich und meine Eltern kann ich dir nicht vorstellen weil sie dich hassen würden. Meine Mutter ist kein sehr toleranter Mensch, für sie zählt nur der schöne Schein. Ein Sohn der einen anderen Mann liebt gehört da nicht dazu. Ja Steve, jetzt habe ich es geschrieben, ich liebe dich und ich denke das du das selbe für mich empfindest. Ich hoffe wir können darüber reden wenn du zurück bist, falls du zurück kommst! Ich werde dich nicht mit Anrufen belästigen, du hast es schwer genug!
Bucky
Steve schluckte schwer, Bucky hatte alles was er empfand einfach aufgeschrieben. In kurzen verständlichen Sätzen. Steve hatte oft darüber nachgedacht mit Bucky genau so ein Gespräch zu führen, hatte aber nie den Mut aufbringen können.
Er faltete den Brief wieder zusammen und legte ihn zurück auf den Schreibtisch. Dann ging er zum Bad und klopfte an die Türe: "Bucky?"
Als er keine Antwort bekam öffnete er die Türe einfach und trat ein, ein Handtuch lag noch auf dem Boden aber ansonsten war er alleine. Er rannte die Stiegen hinunter und rief weiter nach Bucky, ohne eine Reaktion.
Bucky hatte sich aus dem Staub gemacht, schon wieder. Steve entschied sich trotzdem zum essen ins Que Pasa zu fahren und sich nicht wieder von den Gedanken an Damien "Bucky" Barnes beherrschen zu lassen, er erreichte das mexikanische Restaurant um kurz nach acht.
Die herrliche Musik und der Duft nach mit Käse überbackenen Speisen schlugen ihm entgegen. Jessica saß mit Sebastian und ein paar anderen jungen Leuten, die er vom sehen her kannte an einem großen Tisch am Rand. Sie winkte ihm freudig als sie ihn entdeckte: "Steve, was für eine Freude, du bist wirklich gekommen!" Steve stellte sich den anderen beiläufig vor und setzte sich neben Jessica. "Steve, der verlorene Sohn von St. Francisville, schön das wir uns offiziell kennen lernen!", Sebastian streckte ihm seine übergroße Hand entgegen "ich hoffe wir bekommen keine Schwierigkeiten weil ich und Jessica jetzt ein Paar sind?" Steve lachte: "Nein, wir waren fast noch Kinder als wir zusammen waren, ich gönne euch euer Glück von ganzem Herzen!"
Die Gruppe bestellte Getränke und ein paar Kleinigkeiten zum Essen, Steve versuchte krampfhaft den Unterhaltungen zu folgen, seine Gedanken schweiften aber immer wieder ab. "Ist das dein Dodge draußen vor der Tür?", fragte ihn der junge Mann neben Sebastian, dessen Name Steve wieder entfallen war. Steve nickte, alle gratulierten ihm zu seinem neuen Wagen. "Kann es sein das du heute vor mir in die Myrtles Lane abgebogen bist?", fragte Sebastian ihn. Steve nickte, Jessica betrachtete ihn misstrauisch: "Was wolltest du dort Steve?"
Steve lehnte sich zurück: "Ich habe den Nachmittag heute mir Damien Barnes verbracht!" Der ganze Tisch verfiel sofort in Schweigen. Sebastian war der erste der dieses schließlich brach: "Du meinst Damien "Bucky" Barnes? Bist du sicher? Keiner von uns hat ihn gesehen seit du weg warst, es wirkte als wäre er mit dir verschwunden!"