Ich spüre den warmen Sand unter meinen nackten Füßen, als ich am Strand entlanglaufe. Keine Fußspuren sind vor mir zu sehen, denn hierher verirrt nur selten eine Menschenseele. Doch gerade deshalb genieße ich diese ungestörte Atmosphäre. Nur der Strand, das Meer, die Sonne und ich. Das Rauschen des Windes untermalt das Geräusch des Sandes unter meinen Füßen. Ich schließe meine Augen und marschiere blind weiter. Das Salz des Meeres kitzelt leicht auf meiner Haut. Ich sauge die Meeresluft tief ein und genieße die Wärme der Sonne auf meiner Haut.
Hier gibt es nichts, dass mich stören könnte. Niemand, der etwas von mir will. Keine Erwartungen, keine Forderungen. Nur die grenzenlose Freiheit.
»Hallo?«, höre ich eine schwache Stimme und öffne meine Augen. Ich sehe mich um, doch ich kann niemanden entdecken. Hier ist niemand! Das habe ich mich bestimmt nur eingebildet, versuche ich mich beruhigen und setze meinen Weg fort.
»Hallo?«, höre ich die Stimme erneut. »Auf dem Meer«, flüstert sie.
Als ich zum Meer sehe, entdecke ich ein kleines Holzboot, in dem ein Mann sitzt. Ich bliebe stehen und betrachte das Boot. Es sieht alt aus und scheint mir nicht mehr seetauglich zu sein.
»Du kannst mich sehen?«, erstaunt blickt der Mann in meine Richtung und ich erkenne ein faltiges Gesicht mit langen, grauen Haaren und eben ebenso langen, ebenfalls grauen Bart, der ihm fast bis zur Brust reicht.
»Wieso sollte ich dich nicht sehen können?«; frage ich.
»Niemand kann mich sehen. Das ist mein Schicksal. Seit hunderten von Jahren bin ich dazu verdammt, in diesem Boot zu sitzen, unsichtbar von der Welt.«
»Wieso das denn?«, neugierig wate ich in das Wasser und auf das Boot zu. »Wer hat dich dazu verdammt?«
»Wir waren damals auf hoher See unterwegs. Wir waren Freibeuter. Ein Leben in Freiheit, aber wir so einige Schiffte auf den Meeresgrund befördert. Doch eines Tages wurde ich als Kapitän von meinem Opfern verflucht. Ich sollte auf ewig auf den Meeren herumirren, ungesehen, unbeachtet von den Menschen. So lange, bis ich sich eine Seele meiner annehmen würde und die Geschichten der Opfer in die Welt hinaustragen würde.«
»Und was habe ich damit zu tun?«
»Das Schicksal scheint dich dazu auserkoren zu haben, um all meine Schandtaten zu verbreiteten, um mich von meinem Elend zu erlösen. Denn erst wenn die Erinnerung lebt, darf ich sterben.«
»Und was soll ich tun?«
»Steig ein und schreibe meine Geschichte nieder.«
Vorsichtig setze ich mich zu ihm in das Boot und frage mich, was ich hier gerade tue. Doch meine Neugierde verdrängt die Gedanken.
Das Boot setzt sich wie von Geisterhand in Bewegung.
»Mach dich auf eine wilde Fahrt gefasst«, erklärt er mir. »Du wirst all die Geschichten nun selbst erleben. Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du sie daraufhin verschriftlichst, damit die Erinnerung weiterleben kann und ich in Ruhe leben kann. Denn als Geist kann es ziemlich eintönig sein.«
Noch während das Boot plötzlich anwächst und ich mich von unzähligen Männern umgeben sehe, die versuchten das Schiff auf Kurs zu halten, zücke ich mein Notizbuch, dass ich immer bei mir trage und versuche so viel wie nur möglich von dem festzuhalten, das ich erlebe.