Fingerübungen-Stichwort: Verwandlung
«Sehr gut! Das hast du wirklich gut beobachtet.» Der alte Leuchtturmwärter lächelte mich auf diese ganz besondere Weise an, die mein Vater manchmal meinem Bruder Ben zukommen ließ, wenn er wieder mal als Klassenbester bei einer Arbeit abgeschnitten hatte, oder wenn er eine weitere Sport-Medaille heimbrachte. Ein ungewohntes, warmes Gefühl durchströmte mich.
Mick sah mich schräg von der Seite an: «Streber». Da war dieser abfällige Unterton in seiner Stimme, den er sonst nur für Tim gebrauchte.
Ich grinste ihn zur Antwort frech an.
«Ihr müsst wissen Kinder, alle Kuratoren tragen solch einen Anhänger aus Bernstein.» Samuel zwinkerte uns verschwörerisch zu und senkte seine Stimme. «Der Legende nach ist darin der erste Lichtstrahl der Morgensonne eingefangen. Nur wenn dieser in dem Moment des Aushärtens auf das Baumharz trifft, entsteht ein Lichtstein. Der Sonnenstrahl verwandelt das Baumharz in etwas ganz Besonderes.»
Mick blickte den alten Mann skeptisch an. «Aber das ist doch gar kein Baumharz, da an der Kette.»
Ich stupste ihm in die Seite. «Blödmann! Bernstein ist versteinertes Baumharz.»
Schneller als ich reagieren konnte, boxte Mick mir mal wieder auf den linken Oberarm. Mein Arm kribbelte und wurde taub. Mick hasste es, wenn man ihn in der Öffentlichkeit belehrte oder einen Blödmann nannte. Den blauen Fleck unter dem Schultergelenk würde ich vermutlich bis ins Erwachsenenalter tragen.
Samuel sah ihn tadelnd an. «Dein Freund hier hat aber Recht. Man könnte also sagen, in diesem Anhänger wurde ein Lichtstrahl eingefangen, konserviert für die Ewigkeit. Und die Diener des Verfalls fürchten das Licht, wie ihr nun wisst. Ihr konntet eben selbst beobachten, wie mein Anhänger sie in die Flucht geschlagen hat. Ein kleiner, erster Sonnenstrahl hat dieses unscheinbare Stückchen Baumharz zu einem Schutz vor ihrer Kraft verwandelt.»
Mick und ich starrten ihn mit offenen Mündern an. Samuels Grinsen wurde breiter. «Und der Anhänger birgt dadurch noch weitere Geheimnisse. Aber davon darf ich euch nicht erzählen, denn das sind Geheimnisse des Ordens.»