Harah schritt gemächlich über den Schnee, obwohl die Zeit beunruhigend knapp wurde. Bis Mitternacht musste sie die Lichtung erreicht haben. Doch für das, was sie vorhatte, war es entscheidend, absolute innere Ruhe zu bewahren.
Ihre Kenntnisse der Schwarzen Magie zahlten sich heute aus – die Tränke, die sie beim Verlassen des Lagers konsumiert hatte, ließen sie kaum im Schnee versinken, und die beißende Kälte kümmerte sie nicht weiter. Zudem war sie in Gewänder gekleidet, die jenen der alten Westler nachempfunden waren und besonders warm hielten. Nur die Manufakturen der Magier-Akademie stellten heute noch solche Kleidung her.
Die Menschen im Lager waren Flüchtlinge des großen Krieges im Osten. Als ihnen bewusst geworden war, wo sie ihr Winterquartier aufgeschlagen hatten, waren sie sogleich zu Harahs Haus im tiefen Wald geeilt, um ihre Hilfe zu erbitten. Sie hatten ihr all ihre Wertsachen angeboten, doch das war nicht viel, also hatte sie beschlossen, den Flüchtlingen ganz ohne Bezahlung zu helfen.
Da! Endlich hatte sie die Lichtung erreicht. Fest auf ihre Atmung konzentriert blieb sie stehen. Zwischen dem Dorf und dem Blizzard.
Harah mochte wie ein junges Mädchen aussehen, doch war sie in Wahrheit schon sehr viel Älter, als es die meisten normalen Menschen je werden würden. Und sie hatte schon öfter mit Elementargeistern zu tun gehabt. Trotzdem konnte sie ein Schaudern nicht unterdrücken, als der Blizzard zwischen dem schwarzen Gehölz hervortrat.
Er hatte für ihr Gespräch eine bedrohliche Gestalt gewählt, die seiner tatsächlichen Zerstörungskraft jedoch nicht einmal nahe kam. Halb Bluthund, halb Eisbär, mit Augen, aus denen die rote, unbezähmbare Energie herausschien, und so groß wie ein Haus.
"Was willst du von mir, Hexe?", toste der Wind durch die kahlen Bäume, "Es muss ein wichtiges Anliegen sein, wenn du dich mir allein in den Weg stellst!"
Sie sammelte alle Energie, die sie in sich finden konnte, und rief der Kreatur entgegen: "Oh gewaltiger Sturm! Auf deinem Pfad nach Süden haben schutzlose Menschen bei ihrer Flucht vor Krieg und Tod ihr Winterlager aufgeschlagen. Hauptsächlich sind es Frauen und Kinder. Zu spät haben sie erkannt, dass der Ort, den sie für ihr Lager gewählt, mitten auf deiner Route gelegen ist. Ich bitte dich daher, deinen Weg zu ändern!"
Der Blizzard gab etwas von sich, das Harah für ein Lachen hielt. Dann sagte er: "Menschenleben sind mir durchaus nicht gleich. Ihr wart es, die uns erschufen, wenn auch nur unabsichtlich durch eure Gier. Doch wisse: Es gibt für mich von hier nur zwei Pfade gen Süden. Einer führt mich durch das Tal, in dem deine Bittsteller ihr Lager aufgeschlagen haben. Ein zweiter durch ein anderes, in dem ein altes Bauerngehöft liegt. Vor über hundert Jahren baten sie einen deiner Ordensbrüder, mit mir einen Pakt zu schließen, ihr Leben vor mir zu bewahren. Ich habe mich darauf eingelassen, diese Bitte zu akzeptieren. Jedoch bezog sich das Abkommen auf einen Zeitraum von hundert Jahren, ist also abgelaufen und wurde nie erneuert. Doch sind die Bauern gute und naturfürchtige Menschen, so dass ich mich bisher weiterhin an das Abkommen gehalten habe."
Der Schnee peitschte im ständig anwachsenden Wind um sie herum, und die Kälte gelangte allmählich selbst durch die magische Westler-Kleidung. Doch nicht das war es, was Harah erzittern ließ, sondern der Spott in der Stimme des Sturms, als er fortfuhr: "Ich lasse dir die Wahl. Entweder sterben durch dein Nichtstun die Menschen im Lager, die sonst der Krieg geholt hätte, oder du greifst ein und tötest durch meine Hand die nichtsahnenden Bauern."
Die Kreatur leuchtete sie aus ihren rubinroten Augen an, während ihr Körper wie erstarrt auf eine Antwort wartete. Harah schluckte – was sollte sie tun?
Tja, was soll Harah tun? Wie würdest du dich entscheiden? Passiv den Tod von vielen zulassen? Oder aktiv weniger Menschen töten? Schreibt es in die Kommentare zu diesem Kapitel, ich bin schon sehr gespannt auf eure Antworten!