Lea konnte ihr Glück kaum fassen und das Kind lachte fröhlich und lief hinaus in die schon so lange ersehnte, Freiheit. Es jubelte und sprang wie ein kleines Fohlen herum. Lea und der Tiger schauten ihm lächelnd zu. „Das hast du sehr gut gemacht Lea“, sprach die grosse Raubkatze respektvoll. „Siehst du, du hast viel mehr Kraft in dir als du denkst.“ „Meinst du wirklich?“ „Ja, sonst hätte aus deinem Herz doch nicht so ein mächtiges Wesen entstehen können. Es ist Sinnbild für deine Herzenskraft und diese ist wahrlich stark, vergiss das nicht!“ „Ich weiss nicht so recht…“ Lea wurde plötzlich wieder unsicher „Ich glaube irgendwie noch nicht so ganz, dass ich solche Stärke in mir haben soll. Sonst hätte ich mich doch nicht umbringen wollen. Ich wäre jetzt noch bei meinem Mann und meinem Kind. Doch nun… bin ich hier…“ Sie wurde auf einmal wieder traurig und schwermütig. Wie sollte es nur weitergehen? Würde sie jemals zurückkehren können und wenn, wie würde sie gewappnet sein für dass, was sie in ihrer alten Welt erwarten würde? Sie glaubte einfach, sie war noch nicht so weit, schon wieder heimzukehren. Hier war alles anders, irgendwie einfacher. Sie konnte sich auf ihre innere Kraft besinnen und diese manifestierte sich sogleich. Das war in ihrer alten Welt nicht möglich gewesen. Sie konnte hier sein, wer sie wollte, sie war irgendwie frei, so frei… wie das Kind, dass nun übermütige herumsprang und unter dessen kleinen Füssen auf einmal wundervolle Blumen zu spriessen begannen.
Sie sehnte sich so sehr danach, es ihm gleich zu tun, aber… sie konnte es nicht, ich Herz war auf einmal wieder schwer. Nun hatte sie das Kind hier rausgeholt, doch wie jetzt weiter? Irgendwie überkam sie plötzlich wieder Angst und sogleich verdunkelte sich die Umgebung und von fern erklang ein ihr mittlerweile nur zu bekanntes Gelächter. Nun hatte sie diese finsteren Schatten besiegt, doch… dieses Monster, dass sie schon so lange verfolgte, würde sie nicht so einfach los kriegen. Das Kind hielt nun auf einmal in seinem ausgelassenen Spiel inne und blickte erschrocken zwischen die Schatten der Schlucht, woher Lea vorhin mit dem Tiger gekommen war. Lea erschrak zu Tode und schrie laut. „Nein! Geh dort nicht lang, da ist…“ In diesem Augenblick tauchten wieder die roten Augen auf und das Monster mit den Säuretentakeln schälte sich aus den Schatten. Lea wurde von Panik ergriffen und lief zu dem Kind. Sie zog es zur Seite und stellte sich vor es. In diesem Augenblick war ihr egal was mit ihr passieren würde. Doch das Monster hatte es seltsamerweise gar nicht auf das Kind abgesehen. Es wandte sich Lea zu und sprach: „Da sind wir nun also wieder. Ich muss sagen, du hast mehr geschafft, als ich dir zugetraut hätte. Dennoch, ich werde dich trotzdem niemals ruhen lassen und irgendwann werde ich dich ganz verschlingen.“ Ja, dieses Gefühl hatte die Frau auch und sie merkte schon wieder, wie das Grauen von ihr Besitz ergreifen wollte. Sie war wie gelähmt und starrte das Monster einfach nur an. Sie wusste nicht mehr, was sie dagegen tun konnte, sie war so ohnmächtig und hilflos.
Doch dann geschah etwas, dass sie niemals für möglich gehalten hätte. Das Kind ging ganz ohne Furcht auf das Monster zu und sprach: „Du wirst nicht mehr lange diese Art von Nahrung erhalten! Die Nahrung die du erhältst, wird anders sein, sie wird dich verwandeln und dich lehren, das Leben wieder mehr zu schätzen und zu würdigen. Es wird dir wieder mehr Freude geben.“ Und das Kind…ging einfach zu dem schrecklichen Monster und… streichelte es!! „Ach du meine Güte!“ rief Lea aus „Nicht zu nahe ran!“ Das Kind lächelte und sagte: „Eigentlich ist dieses Wesen doch ganz lieb. Es ist nur verletzt und verbittert und es ist darum so böse geworden.“ Das Monster, zuckte unter der Berührung des Kindes zurück, doch es tat ihm nichts. Es war erstaunlich! „Streichle es doch auch mal!“ meint das Kind zu Lea. Diese schaut entsetzt und voller Abscheu drein. „Nein…nein, das kann ich nicht tun! Seit Ewigkeiten, sind ich und dieses Monster die ärgsten Feinde und es quält mich schon viel zu lange.“ „Gerade darum, solltest du es tun! Es macht schon nichts. Ihr müsst Frieden machen!“ „Aber… das geht nicht, das… es wird mich in den Abgrund reissen, es hat mir das angedroht und jetzt soll ich es streicheln? Nein, das ist einfach unmöglich. Ich…“ Auf einmal fiel Leas Blick auf das Sternblumenmedaillon an ihrem Hals, dass ihr dieser geheimnisvolle Mann einst geschenkt hatte. Was hatte er nochmals gesagt? „Schatten sind für dich etwas Bedrohliches, etwas vor dem du dich fürchtest. Ich aber tauche ein in den Schatten, werde eins mit ihm. So verliert der Schatten an Bedrohlichkeit, weil man ihn in- und auswendig kennt und weiss wo sein Ursprung liegt, was seine Funktion ist. Vielleicht wäre es gut für dich, auch mal in die Schatten einzutauchen, um das selbst begreifen zu können. Der Schatten ist ein intensiver Teil deines Lebens. In ihm, liegt der Schlüssel zur Transformation, denke immer daran…!“
Lea blickte mit einer Mischung aus Abscheu, Angst und Neugier auf das Monster und seltsamerweise erwiderte dieses ihren Blick. Seine Augen waren jedoch auf einmal nicht mehr so rot und bedrohlich, eher etwas dunkler, aber irgendwie lebendiger. Es wirkte gar nicht mehr so böse in diesem Augenblick. Das verwunderte sie. Sie sah das Monster an und glaubte auf einmal, hinter es sehen zu können! Hinter seiner schrecklichen Fassade, den schrecklichen Gebaren, die ihr immer wieder so zusetzten, befand sich eine höchst verwundete Seele. In ihm spiegelten sich alle Verletzungen, welche Lea im Laufe ihres Lebens schon erfahren hatte. Endlich konnte sie sich all ihren Schmerz eingestehen, begriff wieviel Leid sie sich immer wieder selbst zugefügt hatte, durch ihren oftmaligen Selbsthass, durch ihre oftmalige Selbstkasteiung und den geringen Glauben an sich selbst und an ihre innere Kraft. Nur mit einer Geste hatte ihr dieses wundervolle Kind bewusst gemacht, was wirklich zählte! Die Schwäche- der Schatten, war ein Teil jedes Menschen, doch nicht jeder, ging mit seinen Schwächen auf die gleiche Weise um. Einige stellten sich diesen Schwächen, einige verdrängen sie, andere prügelten sie mit aller Gewalt nieder. Letztere beiden, wollte sie in Zukunft nicht mehr tun. Die Augen des Monsters, welche jetzt viel sanfter blickten und ihre begegneten sich und sie ging zu ihm hin und berührte ganz zaghaft die grünschwarze Haut. In diesem Augenblick, verwandelte sich das Monster in einem Wirbel aus Licht Und… aus diesem Licht, schälte sich in ein wundervolles, geflügeltes Einhorn! Da fröhlich wiehernd in den Himmel emporstieg. „Mein Gott…! flüsterte Lea tief bewegt „mein Gott!“ Dann wurde sie von einem unheimlichen Sog davongezogen…
7. Kapitel
Rückkehr
Nathaniel war eingeschlafen, sein Kopf lag neben dem seiner Frau. Er spürte ihren warmen Atem und erwachte plötzlich. Irrte er sich, oder hatte Lea gerade einen tiefen Atemzug genommen? Er rieb sich die Augen und schaute auf ihr Gesicht. Doch noch schien sich nicht viel verändert zu haben. Sein Blick fiel auf den Monitor, welcher ihre Werte aufzeichnete. Tatsächlich war da eine höhere Kurve in der sonst recht regelmässigen Zickzacklinie. Also doch ein tieferer Atemzug? Er schaute sie erneut an und nahm ihre Hand instinktiv in seine. „Lea?“ flüsterte er „Lea?“ Nichts weiter geschah und er wollte sich schon enttäuscht nach hinten lehnen, als auf einmal ihre Hand sich bewegte und seine leicht drückte. Nathaniel konnte es kaum glauben. „Lea! Lea!“ rief er, als hoffe er sie aus der Tiefe der Welt empor holen zu können, in der sie sich nun schon so lange befand. Er hielt ihre Hand ganz fest, in der Hoffnung, sie würde seinen nochmals drücken und tatsächlich, sie bewegte sich erneut!
Sein Herz klopfte wie rasend und er legte seinen Kopf erneut ganz nahe an ihren. Tränen liefen über seine Wangen, Tränen des Glücks. „Lea!“ flüsterte er ihr ins Ohr, „Bitte komm zu uns zurück, wir brauchen dich so sehr. Du bist stärker als du denkst. Komm zurück!“ Und… dann auf einmal, zuckten die Lider seiner Frau und sie öffnete endlich ihre Augen! Ein seliges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie ihn sah und sie hob ihre Hand und streichelte seine Wange, sanft und voller Liebe. „Du bist hier… du warst immer da, du warst… mein goldener Ritter…“ Nathaniel wusste nicht genau was sie damit meinte, aber er begriff dass diese Worte eine tiefere Bedeutung hatten. „Ich war immer an deiner Seite Lea und werde es auch weiterhin sein.“ „Das weiss ich mein Liebling und ich werde jetzt auch nicht mehr weggehen, denn ich bleibe hier…“
Ende