23
Wir sind beide im Schlafzimmer von Nathan und ich warte noch immer darauf, eine Veränderung von ihm wahrzunehmen. Aber nichts. Er ist so wie immer und ich kann mein Glück kaum fassen. Er ist nicht verhext. Er war nie verhext. Ich kann mein Lächeln nicht zurückhalten, als er auf mich zukommt. Mit der tiefsitzenden schwarzen Short die er trägt, sieht er einfach zum anbeißen aus.
„Dieses Outfit bringt mich noch dazu, deinen Körper erneut an die kalten Fliesen zu drücken.“
Ein schelmisches Grinsen legt sich auf seine Lippen. Auch wenn mir die Röte ins Gesicht steigt, kann ich nicht anders als zu ebenfalls zu Lächeln bei dem Gedanken daran. Aber ich glaube nicht, dass ich in Nathan's geliehener grauen Trainingshose und seinem weißen Tank-Top zum anbeißen aussehe. Meine Sachen waren völlig durchnässt und somit hat Nathan seinen Schrank durchwühlt und mir etwas zum anziehen gegeben.
Er steht vor mir und legt seine Hände auf meine Hüften und küsst sanft die Stelle an der er seine Zähne in meinen Nacken gebohrt hat.
„Willst du wirklich nicht mein Blut?“
Ich sehe ihn an und schüttle meinen Kopf. Ich will sein Blut nicht. Nicht jetzt. Es sind nur vier kleine Wunden an meinem Nacken und ich kann damit leben. Es hat auch bereits zu bluten aufgehört. Ich bin einfach nur glücklich dass er der ist, in den ich mich verliebt habe und nicht irgendein Fantasie-Charakter der von Salivana kontrolliert wird.
Er sieht glücklich aus und hebt mich wieder nach oben. Dieses Mal trägt er mich aber zum Bett und lässt mich sanft auf die weiche Decke nieder. Er lehnt sich über mich und küsst mich wieder. Dieses mal etwas sanfter als vorhin. Er legt sich auf mich und unsere Lippen berühren sich.
Bis seine Küsse weniger werden und er mich verwundert ansieht. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Er beginnt schneller zu atmen und plötzlich werden seine Augen schwarz wie die Nacht. Er steht auf und seine Augen wirken dunkel und dennoch mit Angst gefüllt. Ich liege noch immer am Bett und stütze mich auf meine Ellbogen um ihn ansehen zu können. Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Was ist los mit ihm. Ist es der Zauber? Nervös versuche ich vom Bett aufzustehen und auch wenn ich etwas Angst habe, versuche ich auf Nathan zu zugehen. Aber er schiebt mich mit beiden Händen weg.
„Nathan, sag etwas. Was ist los mit dir?“
Sein Blick wird noch dunkler. Seine Zähne schießen aus seinem Kiefer hervor und die Sehnen an seinem Hals scheinen sich vollkommen anzuspannen. Dass Letzte Mal, dass ich ihn so gesehen habe, war an dem Tag an dem er mich fast umgebracht hätte. Ich weiß nicht ob ich laufen oder bleiben soll. Aber je mehr er sich verändert, desto mehr kommt mir der Gedanke das ich laufen sollte.
Mit einer tiefen Stimme und sehr viel Anstrengung bringt er einige laute Worte über seine Lippen, die mir meine Entscheidung abnehmen.
„Anna, lauf. Lauf weg.“
Ich sehe ihn entsetzt an, obwohl mir jede Zelle meines Körpers das Selbe sagt. Und somit fange ich an, dass ich mit einem auf ihn gerichteten Blick zur Tür gehe. Er verändert sich weiter. Dunkler als ich mir jemals hätte vorstellen können.
Meine Schritte werden schneller und als ich es durch die Tür geschafft habe, überlege ich ob ich rechts oder links lang soll. Ich entscheide mich für den Weg der links zur Garage führt. Gerade als ich anfangen will zu laufen, spüre ich einen harten Schlag auf meinen Rücken und werde von Nathan zu Boden gedrückt. Es dauert nur wenige Sekunden, bis sich etwas in meinen Nacken bohrt. Nicht so zurückhaltend wie vorhin, vielmehr mit geballter Gewalt, sodass es höllisch brennt und ich einfach nur einen Schrei aus meiner Kehle entlassen möchte. Aber ich kann nicht. Durch den Druck mit dem er mich festhält kann ich kaum atmen. Ich sehe das Blut bereits vor meinen Augen den Boden entlang laufen.
Ich versuche mich mit letzter Kraft zu wehren. Aber es klappt nicht. Ich bin hilflos. Und flehe ihn leise und mit letzter Kraft an. Die Tränen laufen über meine Wange und mischen sich mit meinen Blut.
„Bitte Nathan. Das bist nicht du. Bitte hör auf..“
Doch er scheint nur mein Blut wahrzunehmen. Langsam verliere ich dass Bewusstsein. Die Umgebung verschwimmt vor meinen Augen. Schritte ziehen jedoch meine letzte Aufmerksamkeit auf sich. Dann lässt er von mir ab. Unfreiwillig, da er von mir gerissen wird.
Ich versuche meine Kraft wieder zu sammeln und die Chance zu nutzen. Mit meiner letzten Kraft drücke ich mich mit beiden Händen vom Boden weg und versuche aufzustehen. Etwas wackelig auf den Beinen und einer Hand auf der blutenden Wunde, versuche ich mich zu orientieren. Ich drehe mich um und sehe wie Melina versucht Nathan festzuhalten. Sie drückt ihn an die Wand und Nathan versucht sich zu wehren. Melina sieht mich an und ruft so laut sie kann.
„Lauf Anna. So schnell du kannst. Verschwinde von hier.“
Ich zögere nicht lange. Versuche so schnell ich kann einen Fuß vor den anderen zu setzen und laufe die Treppen hinauf. Der andere Weg durch die Garage ist durch Melina und Nathan versperrt. Als ich die Tür zum Oberen Geschoß erreiche, höre ich unten dumpfe Geräusche und beginne schneller zu laufen. Ich laufe durch die Küche in den hellen Vorraum und so schnell ich kann zur Eingangstür. Hinter mir höre ich Laufschritte und bekomme noch mehr Panik. Ich blicke zurück und sehe Nathan. Ich habe panische Angst und versuche noch schneller die Türklinge der Tür zu fassen. Aber er kommt mir zuvor. Umschließt mit seinen Fingern meinen Hals und presst meinen Körper mit einer Wucht gegen die Wand hinter mir, dass all die Luft aus meinen Lungen gepresst wird. Meine Füße berühren den Boden nicht mehr und ich trete wie wild um mich. Doch es ist vergeblich. Er ist einfach zu stark. Mit seiner freien Hand packt er mein Handgelenk und rammt seine Zähne ohne zu zögern in meinen Unterarm.
Im Türrahmen taucht Melina auf. Blutverschmiert und mit einem Holzpflock in ihrem Bauch. Sie stützt sich an dem Türrahmen ab und es scheint als versuche sie ihre Kräfte zu sammeln.
„Nathan. Was soll das? Hör auf damit.“
Sie versucht auf ihn einzureden, aber er reagiert nicht darauf. Es sieht so aus, als würde sie ihre letzte Kraft aufwenden als sie sich auf Nathan stürzt und ihn damit zu Boden reißt. Das ist meine Chance. Mit zittrigen Beinen laufe ich zur Tür und ich erreiche die Türklinge. Ich drücke diese nach unten und stolpere zur Tür raus. Ich liege am Bauch auf den alten Holzdielen der Veranda und versuche mich zu den Stufen zu schieben und wieder aufzustehen. Dass Geräusch hinter mir, lässt mich panisch über meine Schulter blicken. Nathan steht im Türrahmen. Blutverschmiert und mit einem unersättlichen Gesichtsausdruck. Ich versuche aufzustehen, aber ich habe einfach keine Kraft mehr. Ich versuche noch ein Letztes Mal auf ihn einzureden.
„Bitte. Das bist nicht du Nathan. Bitte tu das nicht. Bitte tu mir nicht mehr weh.“
Er reagiert nicht und gerade als er sich auf mich stürzen will, spüre ich den ersten Sonnenstrahl auf meiner Haut. Nathan kämpft, um zu mir zu kommen und seine Haut beginnt rot zu werden. Sein Schmerzverzerrter Gesichtsausdruck lässt mich erahnen mit welch einer Kraft er gegen diesen Schmerz ankämpft. Aber die Sonnenstrahlen treiben ihn zurück in das Haus. Ich kann sehen wie Melina ihn an den Schultern packt, um ihn hineinzuziehen. Melina's und mein Blick treffen sich für einen Moment und dass erste Mal sehe ich so Etwas wie Mitgefühl in ihr. Die Tür schließt sich und sie lässt mich nun erschöpft und alleine auf dem alten Holzdielen zurück.
Erst jetzt realisiere ich alles und kann meine Tränen nicht länger zurückhalten. Ich liege auf der Veranda und heule mir die Seele aus dem Leib. Es schmerzt so sehr. Dieser Anblick von Nathan. Ich dachte er würde mich lieben. Aber es war alles nur ein Spiel von Salivana. Ich bin verletzt und am Boden zerstört. Am liebsten würde ich einfach nur hier liegen bleiben und aufgeben.
Doch je länger ich hier bin, desto schneller verschwindet auch die Sonne wieder hinter dem Horizont. Dass wäre mein Todesurteil.
Irgendetwas sagt mir ich soll weitermachen. Vielleicht ist es der Überlebensinstinkt. Oder einfach nur ein pures Rachegefühl. Egal was es ist, ich muss Marius und auch Salivana aufhalten. Ich spüre wie mich eine riesige Wut überkommt und ich versuche mich wieder aufzuraffen. Ich will, nein ich werde, Salivana zerstören. Langsam ziehe ich mit meiner Hand am Geländer der Veranda hoch und versuche so aufrecht wie möglich zu stehen. Ich muss zu Alex. Er muss mir helfen. Die Frage ist, wie komme ich zu Alex? Ich habe keinen Wagen und alles zu Fuß zu laufen schaffe ich nicht. Ich würde mindestens drei Stunden unterwegs sein. Vorausgesetzt ich würde es schaffen. Mein Blick wandert zu der alten Scheune. Nathan's Ducati. Mit langsamen Schritten gehe ich auf das alte Holztor zu und die Erinnerung holt mich ein. Und wieder fließen die Tränen meine Wangen entlang. Das letzte Mal als ich hier stand, war alles noch in Ordnung zwischen Nathan und mir. Ich dachte es wäre in Ordnung, doch es war alles nur ein falsches Spiel und ein falscher Nathan.
Mit einem lauten Knarren öffne ich das Tor und da ist sie. Nathans Ducati. Ich gehe auf die Maschine zu und suche nach dem Schlüssel. Doch er steckt nicht im Zündschloss. Schon will ich die Hoffnung aufgeben, da entdecke ich ihn auf dem schwarzen Ledersitz der Ducati. Ich nehme den Schlüssel und stecke ihn ins Zündschloss. Auf dem Sitz liegt auch noch der Helm und Nathan's schwarze Lederjacke. Da ich nur sein Shirt anhabe, dass jetzt völlig mit Blut besudelt ist, nehme ich seine Jacke und ziehe sie mir über. Ich nehme auch den Helm der auf dem Sitz der Ducati liegt und ziehe ihn mir über meinen Kopf. Ich versuche mich zu konzentrieren und mich zu erinnern. Ich durfte bei Charly immer die Motorräder in die Werkstatt fahren. Somit denke ich, dass ich das hier schaffen werde.
Ich atme nochmals tief ein, drehe den Schlüssel im Zündschloss und betätige den Schalter am Lenker. Der Motor startet mit einem lauten Brummen. Ich drücke den Ständer der Maschine weg und rolle langsam durch das Tor nach draußen. Die Sonnenstrahlen wärmen meine Haut und ich versuche mich zu konzentrieren. So gut es nun auch möglich ist. Etwas wackelig fahre ich über den holprigen Weg auf die Straße. Ich muss den Tag nützen. Nathan wird sicher seine Ducati wieder haben wollen und auch mich. Ich muss mich ebenfalls schützen. Und die einzige Person die mir in den Sinn kommt und mir helfen kann ist Alex.
An der Straße angekommen drehe ich etwas am Gas herum und werde immer schneller. Und je schneller ich fahre, desto freier fühle ich mich. Jetzt verstehe ich endlich alle Motorradfahrer und auch Peter, wenn sie sagen das es den Kopf frei macht. Langsam fühle ich mich immer sicherer und fahre immer schneller. Bis ich zu der Straße komme, die zu Alex Haus führt. Ich fahre wieder etwas langsamer, denn der Weg ist nicht gerade für ein Motorrad geeignet.
Nach einigen Minuten komme ich vor dem kleinen Holzhaus an und hoffe so sehr, dass er hier ist. Ich stelle die Ducati vor der Eingangstür ab, nehme den Helm von meinem Kopf und ziehe die Jacke aus. Ich versuche zu ignorieren, dass ich barfuß in einer grauen Trainingshose und einem blutverschmiertem Shirt unterwegs bin und gehe zielstrebig auf die Tür zu. Ich drücke die Klinke nach unten, aber es ist verschlossen. Ich versuche es nochmals und nochmals und klopfe fest an die Tür. Das mache ich sicher über eine Minute so, aber es öffnet mir niemand. Alex ist nicht da und da sind sie wieder. Tränen laufen mir wieder über die Wangen. Ich bin so verzweifelt. Ich brauche so dringend jemanden. Jemand der von alldem weiß. Langsam aber sicher verlässt mich meine Kraft und mit meinen Rücken lehne ich mich an die Tür, um dann langsam daran zu Boden zu gleiten und mich wie ein Häufchen Elend zusammenzurollen.
Ich habe keine Ahnung wie ich das alles hier schaffen soll und was ich jetzt tun soll. In mir herrscht ein Gefühlschaos und ich kann nichts daran ändern. Ich will einfach, dass alles wieder gut wird. Ich weiß, dass das was Nathan und ich hatten nie wieder so sein wird. Denn er will nur mein Blut und dass nette Getue von ihm war nicht echt. Es war alles nur ein falsches Spiel von Salivana.
Ich werde von einem Geräusch aus dem Wald, aus meiner Selbstmitleidsnummer gerissen und lasse meinen Blick über die Büsche schweifen, die um den Vorplatz des Häuschen wachsen. Mit meinen Fingern wische ich die Tränen von meinen Augen. Wieder höre ich ein Geräusch. Panisch versuche ich die Ursache ausfindig zu machen. Verzweifelt lasse ich meinen Blick hin und her schweifen, doch ich kann nichts erkennen. Bis erneut ein Geräusch aus den Büschen dringt und zwischen ihnen ein Wolf erscheint. Es ist Alex. Es muss Alex sein. Sein schwarzes Fell glänzt und er ist riesig. Mit einem anmutigen Gang kommt er auf mich zu und stoppt einige Meter vor mir. Dann beginnt er sich zu verwandeln. Zuerst beginnen seine Füße sich wieder in Menschliche Gliedmaßen zu verwandeln und danach sein Gesicht und sein Oberkörper. Ich kann seine Knochen hören wie sie sich verändern und ich kann förmlich den Schmerz spüren, denn er dabei fühlen muss.
Als er sich vollständig verwandelt hat und er vor mir in seiner Hose und seinem Shirt steht bin ich einfach nur glücklich ihn zu sehen. Ich stehe langsam auf und laufe auf ihn zu. Ohne großartig darüber nachzudenken, laufe ich in seine Arme und drücke mich fest an ihn. Er scheint etwas überrascht zu sein, aber nach einem kurzen Moment macht er es mir gleich und nimmt mich fest in seine Arme.
„Ich konnte dich spüren Anna und bin sofort zu Nathan gelaufen, aber ich konnte dich nicht mehr finden. Ich habe nur gespürt, dass es dir nicht gut geht. Was ist passiert? Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“
Seine Handflächen ruhen auf meinen Schultern während er mich begutachtet. Bei dem Anblick, des Blutes auf meinem Shirt zieht er die Luft zischend zwischen seinen Lippen hindurch. So wie wenn es ihm Schmerzen bereiten würde, mich so zu sehen. Ich weiß, dass dieser Anblick ziemlich übel sein muss. Es gibt kaum ein Fleckchen an meinem Körper und meiner Kleidung, dass nicht über und über mit Blut bedeckt ist. Die sanfte Berührung seiner Fingerkuppen auf meiner Stirn, lässt mich tief Luft holen und mich etwas entspannen. Er umgreift meine Hand mit seiner und zieht mich nach sich. Er stoppt vor der Tür, tastet mit seiner anderen Hand den kleinen Vorsprung über der Tür ab und hält dann einen Schlüssel zwischen seinen Fingern.
Hätte ich dass vor ein paar Minuten gewusst, wäre ich wohl nicht so verzweifelt gewesen. Doch jetzt bin ich froh, dass er mir auf eine gewisse Art und Weise, dieses Geheimnis anvertraut.
Er führt mich durch die Tür und dann in einen Teil der kleinen Hütte, der mir noch unbekannt ist. Dort zieht er mich in ein Badezimmer, in dessen Mitte sich eine freistehende, etwas in die Jahre gekommene kleine Badewanne befindet. Den Blick an die Wand links von mir, hätte ich mir sparen können. Ich blicke in die traurigen blutunterlaufenen Augen meines Spiegelbildes, dass mich unwillkürlich daran erinnert, wie verloren ich mich fühle.
Während ich noch immer mein Spiegelbild anstarre, höre ich, wie Alex für einen Augenblick verschwindet.
Kurze Zeit später taucht er neben meinem Spiegelbild auf und unsere Blicke treffen sich darin. Sein Blick wirkt gequält, als er uns in diesem anderen Universum betrachtet. Als würde er die Schmerzen von mir auf sich nehmen wollen. Zusätzlich zu den Schmerzen die ihn bereits zu quälen scheinen, aber die er so verzweifelt zu verstecken versucht.
Als würde er merken, was ich gerade denke, wendet er den Blick von mir ab. Auf seinen Händen entdecke ich ein Handtuch sowie frische Klamotten darunter. Behutsam legt er es auf dem kleinen Hocker, neben der Badewanne ab, bevor er den quietschenden Wasserhahn öffnet und gleich darauf, dass Wasser mit einem plätschernden Geräusch in die Wanne fließt.
Mit langsamen Schritten kommt er wieder auf mich zu und dieses Mal sucht er nicht meine Augen in dem Spiegel. Er stellt sich vor mich und versperrt mir damit den Blick auf dieses hässliche Bild um es durch seine strahlend blauen Augen zu ersetzen, die sich so plötzlich in dieses Rot verwandeln, dass ich dem kaum folgen kann. Bevor ich realisiere was er vor hat, bohren sich die Reißzähne aus seinem Kiefer um sich danach in dem Fleisch seines Handgelenkes zu versenken.
Auch wenn ich es verweigern sollte, weil ich gerade nicht zurechnungsfähig bin, tue ich es nicht. Ich lasse es zu, als er sein Handgelenk an meinen Mund führt. Ich lasse es zu, dass die warme rote Flüssigkeit in meinen Mund fließt und weiter meine Kehle hinab. Weil ich einfach gerade nicht die Kraft finde, Nein zu sagen. Mein Körper schmerzt. In meinem Kopf dreht sich alles. Und mein Herz ist sowieso gebrochen. Also will ich, dass zumindest mein Körper funktioniert.
„Du kannst dir hier das Blut abwaschen. Ich hab dir frische Klamotten gebracht. Lass dir Zeit. Ich warte vor der Tür und möchte, dass du mir währenddessen erzählst was passiert ist.“
Etwas eingeschüchtert zögere ich, als er sich auf die Tür zubewegt, sich mit dem Rücken an die Wand zu lehnen scheint, und seinen Blick von mir abwendet. Bei dem Gedanken mich jetzt ausziehen zu müssen, wird mir mulmig. Doch dann höre ich seine Worte.
„Keine Sorge. Vertrau mir. Ich werde nicht hinsehen. Ich will nur wissen, was passiert ist.“
Die Tatsache dass ich mir sehr gerne das Blut abwaschen möchte und frische Klamotten anziehen kann, überwiegt meiner Schüchternheit und dem komischen Gefühl. Also ziehe ich langsam die blutverschmierten Sachen aus und werfe sie auf den Boden. Ich steige in die Badewanne und genieße für einen Moment, dass warme Wasser, dass mich einhüllt. Ein Seufzen löst sich aus meiner Kehle als ich mich bis zum Hals in das bereits eingelaufene Wasser lege und nach der Seife greife.
Während ich mir gründlich das Blut abwasche, erzähle ich ihm alles, was ich ihm erzählen möchte. Auf keinem Fall erzähle ich ihm davon, was Nathan und ich sonst noch getrieben haben. Also drehe ich, dass mit dem Biss etwas um und hoffe, dass er dass Zittern in meiner Stimme nicht bemerkt.
Als ich fertig bin erzähle ich ihm noch die restliche Geschichte und beantworte ihm noch seine Fragen was das Verhalten von Nathan angeht. Ich trockne mich ab und nehme die Sachen die Alex für mich bereitgelegt hat. Zu meiner Überraschung sind es Klamotten von einer Frau. Denn ich denke nicht, dass Alex eine lachsfarbene Bluse mit Taille anziehen würde. Und auch die Jeans die er mir hingelegt hat, ist mit Sicherheit keine von ihm.
„Alex, von wem sind diese Sachen?“
Er dreht sich um und ich bin froh, dass ich die Jeans und die Bluse schon anhabe. Er lächelt ein Lächeln, dass nicht seine Augen erreicht.
„Das sind die Sachen von meiner Mutter und so wie es aussieht war es gut, dass ich sie noch nicht entsorgt habe.“
Es ist ein etwas komisches Gefühl zu wissen, das diese Klamotten jemandem gehört haben, der jetzt nicht mehr hier ist. Aber ich denke Alex's Mutter war eine gute Mutter und eine liebenswerte Person, zumindest was mir Alex erzählt hat. Und somit empfinde ich es als Ehre das er mir die Sachen von seiner Mutter gibt.
„Alex, was sollen wir jetzt machen? Nathan wird mich suchen und mich auch finden.“
„Er wird dich suchen und deinem Geruch folgen. Somit ist es auch logisch, dass er zu dir nach Hause kommt. Du kannst also auch nicht nach Hause.“
Bei dem Gedanken, dreht sich mein Magen und mit ihm, die Welt um mich herum.
„Meine Familie. Er wird ihnen etwas antun.“
Alex nimmt sein Telefon aus seiner Hosentasche und gibt es mir.
„Du musst deinen Vater anrufen, ob er zu Hause ist und danach Mikaela. Sag ihr, dass sie heute bei einer Freundin schlafen soll.“
Gesagt, getan. Ich wähle die Nummer von meinem Vater. Zum Glück habe ich mir nach dem Vorfall mit meinem Auto und meinem Telefon einige Nummern in meinem Kopf abgespeichert. Nervös warte ich darauf das er abhebt und ich seine Stimme höre. Gerade als sich meine Ungeduld ins Unermessliche steigert, höre ich seine Stimme.
Auch wenn ich nicht besonders gut darin bin, Jemanden anzulügen, bemühe ich mich jetzt, dass er nichts von meiner Panik bemerkt.
Vielleicht klinge ich auch zu erleichtert als er mir erzählt, dass er heute einen Geschäftstermin hat und deswegen nicht in der Stadt ist. Er hat auch dafür gesorgt, dass Mik bei einer Freundin übernachtet, da er mir nicht immer den Babysitterdienst aufbrummen will. Mit etwas weniger Sorgen verabschiede ich mich von meinem Vater und reiche Alex sein Telefon wieder.
Auch wenn ich noch immer die Schmerzen in meinem Brustkorb spüre, bin ich erleichtert, dass ich mir heute nicht auch noch zusätzlich um meine Familie Sorgen machen muss.
„Wir müssen hier weg. Nathan wird mit Sicherheit hier mit seiner Suche anfangen. Komm.“
Ich folge ihm zur Tür, bei der ich bemerke, dass ich nicht einmal Schuhe trage. Alex folgt meinem Blick auf meine Füße und ein kleines Lächeln schleicht sich auf seine Lippen, bevor er nochmals zurück in das Haus geht. Nach einigen Sekunden kehrt er mit schwarzen Laufschuhen zurück und stellt sie vor meine Füße. Er beobachtet mich, als ich in die Schuhe schlüpfe und scheint ebenso wie ich, erfreut darüber zu sein, dass sie mir passen. Ich blicke zu Alex und flüstere ein leises „Danke.“.
Wir gehen auf die Ducati zu und Alex schwingt sein Bein hinüber. Vorerst beobachte ich ihn etwas ängstlich, da ich mir sicher bin, dass es Nathan nicht gefallen würde, wenn Alex mit seiner Maschine fährt, doch dann reißen mich Alex`s Worte aus meinen besorgten Gedanken.
„Mach dir keine Sorgen. Wir müssen mit ihr fahren. Es sei denn, du kannst mit mir mithalten wenn ich mich verwandle und zurücklaufe? Ich bin sozusagen zu Fuß hier.“
Sein Lächeln beruhigt mich. Also folge ich seiner Bitte und setze mich hinter ihm auf die Maschine. Zuerst weiß ich nicht, ob es in Ordnung ist, wenn ich meine Hände um seinen Bauch schlinge. Doch dann legen sich seine Hände um meine Handgelenke und ziehen sie nach vorne. Dennoch versuche ich etwas Abstand zu bewahren und lege sie nur locker um seine Hüfte.
Es ist ein komisches Gefühl, dass ich gegenüber ihm empfinde. Zuerst war da eine Verliebtheit, die von einer Lüge ausgelöscht worden ist. Doch jetzt fange ich an, eine Freundschaft zu ihm zu entwickeln. Er war der Erste der mich in diese Welt geführt hat. Jetzt ist er der Einzige der mir helfen kann, damit klar zu kommen. Er war nach dieser Lügengeschichte für mich da. Hat mir geholfen, mit meinen Kräften umzugehen. Auch wenn ich nicht sollte, wird mein Vertrauen in ihn, von Mal zu Mal mehr.