Seine Schritte hallten laut im ansonsten geisterhaft stillen Raum wider, als er durch die Regalreihen ging und aus verschiedenen Karteikästen alte Fotos herausnahm. 1950. 1960. 1970. 1980. Von 1990 gab es keines. 2000. 2010. Und das neueste, von 2018.
Langsam trat er zu seinem Schreibtisch zurück und reihte die Bilder bedächtig nebeneinander auf. Jedesmal, wenn er eines der Fotos hinlegte, sagte er leise das Jahr, in dem es aufgenommen wurde.
Die Fotos zeigten alle dasselbe Motiv, und dennoch konnte man den Ort auf den neuen Bildern kaum noch wiedererkennen. Während auf der ältesten Aufnahme hauptsächlich eine weiße Fläche zu sehen war, ein wenig Himmel und ein Fels in der linken oberen Ecke, war auf den neueren Fotografien lebloser, grauer Schotter anstelle der meterdicken, unberührten Schneefläche getreten. Das blendende Weiß war fast vollständig verschwunden, teilweise weg, teilweise schmutzig grau gefärbt. So ein Unterschied, innerhalb von knapp siebzig Jahren.
Das Surren des Kopierers klang unnatürlich laut, als dieser die Bilder scannte und Kopien auf neues Papier druckte.
Aus einer der vielen Schubladen seines Schreibtisches nahm der Archivar einen Briefumschlag, in welchen er die Kopien und einen handbeschriebenen Zettel steckte. Nachdem er die Originalaufnahmen wieder eingeordnet und den Umschlag zugeklebt, beschriftet und frankiert hatte, schob er seinen Stuhl ordentlich wieder an den Tisch heran und verließ das Archiv, sorgfältig alle Türen schließend und alle Lichter löschend.
Draußen steckte er den Brief in den nächstbesten Postkasten. Bald wird er bei den Klimaforschern ankommen und den nächsten Aufschrei auslösen ohne dass dieser zu weiteren Konsequenzen führt.
Der alte Archivar schob die Hände tief in die Manteltaschen und wandte sich dem Weg nach Hause zu. Wahrscheinlich würde seine Mühe auch heute wieder vergebens gewesen sein, dachte er, aber er versuche es weiter. Irgendwer musste es ja schließlich tun. Zumindest versuchen.