Selina hatte Robert Meister nie gemocht. Sie hatte auch nicht verstanden, wie dieser schmierige Vertretertyp zu Vaters Freundeskreis gehören konnte und schon gar nicht, wie viel Vertrauen er in diesen Typ hatte. Abgesehen davon hatte er Selina immer „mit den Augen ausgezogen“. Es gibt Blicke, die einfach unangenehm sind. Selina schüttelte sich innerlich ab, bei dem Gedanken, was sich der Blödmann wahrscheinlich gerade vorstellte, wenn er sie so begehrlich musterte. Es war mehrmals zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, wenn Selina ihrem Vater sagte: „Diesem schmierigen Arschloch kauf ich nichts ab, Papa!“ – „ SELINA!!!“ –„ Und wenn du dich auf den Kopf stellst! Ich weiß nicht, wie der in deinen Freundeskreis gelangen konnte. Du brauchst diesen lüsternen Schwachkopf nicht! Solange ich deine medizinische Kompetenz hier verkörpere, macht der mit der Bücker-Stiftung kein Geschäft! Und lass ihn nicht so weit in deine Karten schauen, den Gauner!“ – „Selina, Ich bin der Chef hier!“ - „Ja Papa, und ich achte und ehre dich und ich liebe dich, aber ich bin die Ärztin hier und ich mag dieses Arschloch nicht, weil es dir schaden will!“ – „SELINA! Wie du dich ausdrückst! Was ist nur los mit dir?“ – „Du wirst noch an meine Worte denken, Papa…“ Leider hat Martin Bücker in dieser Beziehung nicht auf seine Tochter gehört.
Selina, Ines und ich frühstückten genüsslich. Seltsamer Weise hatte ich Hunger wie ein Wolf. Ich musste Selina Semmel und Butter wegnehmen. „Mein Bein ist kaputt! Butter aufstreichen kann ich aber! Meine Finger sind ganz in Ordnung, Kleines! Wenn du mich so verwöhnst, bleibt mir das zum Schluss!“ Die beiden lachten. „Ja lacht nur ihr zwei! Wenn ich dann mal eine Woche allein sein muss, kann ich nicht mehr überleben, weil ich verlernt habe, mir selbst ein Butterbrot zu schmieren.“ – „Dann lass ich dich eben nicht mehr alleine, mein Engel.“ Sofort gab ich ihr beides zurück. „OK!“
„Selina, Schatz, wie gedenkst du auf den Pharmareferenten zu reagieren? Glaubst du auch, dass der mit der Sache zu tun hat?“ – „Ja, ich glaub schon. Der Drecksack hat mich nicht aus Sorge angerufen! Der möchte uns nur lokalisieren können. Ich erinnere mich gut an deine Reaktion, als ich dir von ihm erzählte. Dir haben sich regelrecht die Nackenhaare aufgestellt!“ – „Das war in der Dunkelheit im Auto…“ – „Nein Michael, das war schon in deinem Seehaus,…Aber ich habe dich auch im Auto angeseh’n, jede Sekunde. Bei mir hat‘s gefunkt, Als du mich zum Auto gezerrt hast…“ – „Tut mir leid, ich wollte nicht grob sein.“ – „Du warst nicht grob! Du warst besorgt und du wolltest mich um jeden Preis beschützen! Das war so süß! Als ich dann neben dir im Auto saß, wusste ich, dass ich den Mann gefunden hab den ich immer wollte… Aber wenn du zu mir herübersehn wolltest, dann hab ich mich immer schnell weggedreht. Mir schlug das Herz bis zum Hals!“ Ines lächelte: „Michael, die gehört wirklich dir. Die ist dir ja total verfallen!“ – „ Gott sei Dank. Ich wollte schon eine Anzeige aufgeben: Wer will mich?“
„Selina, ich brauche ein Laptop mit W-Lan. Dann werd ich das Signal ein Bisschen rumschicken und dann rufst du damit Mister Meister an.“ Selina sah mich bestürzt an. „Keine Angst, Kleines, ich werde dabei sein, aber nicht in Erscheinung treten. Ich werde mithören und dir gegebenenfalls einsagen. Schaffst du das?“ Sie war nicht begeistert, aber sie nickte und Ines meinte: „Selina das wird ein Spaß! Wenn ich dran denke, wie Michael mit seinem letzten Rivalen verfuhr, dann wünsch ich dem Pharmaheini Glück!“ Wir lachten alle drei bei dem Gedanken an das Gesicht von Hauptkommissar Walther nach meinem kleinen Ausraster. Wir aßen fertig und Ines begann abzuräumen. Selina besorgte inzwischen ein Laptop und den Wireless-key. Ich bettelte Selina an, mich auf die Couch zu lassen, aber sie blieb hart. Diese kleine Kröte hatte mich voll im Griff, aber ich denke, es war auch gut so. Da saß ich nun in meinem Bett und tippte die notwendigen Befehle ins Laptop, welche unseren Standort verschleiern sollten. Schließlich setzte sich Selina zu mir. „Bist du bereit, Kleines?“ Selina atmete tief durch, sah mir in die Augen und nickte…