Nach etwa 260 Kilometern fuhr ich von der Autobahn ab. Ich achtete darauf, meine Fahrmanöver behutsam zu gestalten, denn Selina brauchte offensichtlich noch etwas Schlaf. Sie hatte während der etwa zweistündigen Fahrt hierher keinen Pieps mehr von sich gegeben. Ihr hübsches Gesicht kam mit den entspannten Zügen einer Schlafenden deutlich besser zur Geltung. "Armes Ding!" dachte ich mir. "Hast sicher einiges mitgemacht in letzter Zeit..." Es war davon auszugehen, dass uns noch Einiges bevor stand. Allerdings hatte Sie mit mir an ihrer Seite deutlich bessere Karten. Wie sie wohl auf mich gekommen war? Da ich einschlägige Erfahrungen mit den beiden Herren hatte, wußte ich eines ganz genau: Wenn du einem Killer wirklich für immer entkommen willst, mußt du ihn töten! Bevor er dich tötet!
Für einen kultivierten gebildeten Menschen, (für den ich mich halte) unvorstellbar! Leider ebenso unabdingbar.
Ich verlangsamte meine Fahrt und suchte nach dem Feldweg, welcher in das kleine Wäldchen und schließlich ans Ufer führte. Mein Mentor, der leider seit Jahren im Koma lag, hatte mir seine Liegenschaft am See vermacht, ein Wochenendhäuschen mit Bootshaus auf einem eingezäunten Grundstück. Dieses gehörte mir offiziell aber nicht, da Horst's Testament erst nach seinem Tode verhandelt werden würde. Solange er im Koma lag, befand es sich nach wie vor in seinem Besitz. Früher waren wir oft gemeinsam hier gewesen, die letzten Jahre vor seinem Zusammenbruch aber, hatte ich es schon allein genutzt und meinen Vorstellungen entsprechend umgebaut und eingerichtet. Ich hätte nie geglaubt, dass es einmal von Vorteil sein würde, dass es noch nicht auf meinen Namen eingetragen war. Doch nun waren Selina und ich auf diese Weise von der Bildfläche verschwunden...
Nach ein paar hundert Metern über einen mit Schlaglöchern übersäten Weg sah ich das schmiedeeiserne Tor, welches auf Knopfdruck zur Seite schwang. Nach meinen Erlebnissen mit den Security-Herren hatte ich meine persönliche geheime kleine Festung hieraus gemacht. Selina, die trotz zarter Fahrweise durchgeschüttelt worden war, drehte sich kurz um, wie um sich zu vergewissern, dass sich das Tor auch wieder schloss. Verständlich, traumatisiert wie sie war... "Wo sind wir?" fragte sie. "In Sicherheit! - Vorerst....."