„Res severa est verum gaudium“
(„Die ernste Sache ist die wahre Freude“)
- Seneka
„Na světě jsou dvojí dobří lidé:
mrtví, a ti, kteří se ještě nenarodili.“
(„Es gibt zwei Arten von guten Menschen:
die Toten und die noch nicht Geborenen.“)
- Julius Zeyer
„...wenn dieses unbekannte Land, aus dem
noch kein Reisender zurück gekommen ist,
unsern Willen nicht betäubte, und uns riete,
lieber die Übel zu leiden, die wir kennen,
als uns freiwillig in andre zu stürzen,
die uns desto furchtbarer scheinen,
weil sie uns unbekannt sind.
Und so macht das Gewissen uns alle zu Memmen;
so entnervet ein bloßer Gedanke die Stärke
des natürlichen Abscheues vor Schmerz und Elend,
und die größten Taten, die wichtigsten Entwürfe
werden durch diese einzige Betrachtung
in ihrem Lauf gehemmt,
und von der Ausführung zurückgeschreckt.“
- William Shakespeare, „Hamlet“
Nachdem alles vorüber ist, finde ich mich stehend wieder. Es ist noch immer Nacht. Ein Sturm tobt und wirbelt Sand und kleine Steine auf, die er dann in Kreisen und Spiralen tanzen lässt.
Ich sehe mich orientierungslos um und taumele in einer Windböe. Der Ort ist eine Ruine. Die rauen Säulen sehen aus, als hätte der Wind sie seit Jahrtausenden mit Staub gepeitscht. Sie säumen eine gewaltige Steinterrasse, die sich offensichtlich auf einer Art Hügel oder Erhöhung befindet.
Für einen kurzen Augenblick klärt sich der Sandsturm vor mir und lässt mich weiter in die Ferne sehen. Es ist eine karge Landschaft. Eine Wüste ohne Erhebungen und Terrainwellen. Doch meinen Blick fesselt etwas anderes.
Eine Stadt, die inmitten dieser Öde wie eine lumineszierende Qualle im nächtlichen Ozean anmutet. Sie scheint riesig zu sein und aus sanftem Licht zu bestehen. Ich sehe sie nur für einige Momente, dann umringt mich bereits der dunkle Sturm und nimmt mir die Sicht.
Heftiger Wind presst abwechselnd gegen meine Brust und meinen Rücken, als stritten sich einzelne Böen um mich. Ich sehe den ersten Schatten sofort. Eine schnelle, unangenehme Bewegung, dicht über dem Boden. In der matten, staubigen Dunkelheit ist sie nicht genau zu erkennen. Doch die Ahnung der schnellen Bewegungen lässt mich erstarren. Das Hinterteil der Kreatur hat die Größe einer Pauke. Sie ist nur wenige Schritte entfernt. Und ich bin nur ein starrer Klumpen Furcht, der recht unmissverständlichen Absicht dieses Wesens ausgeliefert.
Etwas zischt an meinem Kopf vorbei, und dann sehe ich einen Speer, der sich in das kleine Rückenstück, das den Kopf der Kreatur mit ihrem dominanten Leib verbindet, bohrt. Das Tier zuckt noch einige Male mit den langen, dürren Beinen, während mich plötzlich maßloser Ekel durchströmt. Jemand kommt die breite Steintreppe hinter mir herab und legt die Hand auf meine Schulter.
„Schnell“, sagt die Gestalt. Ich sehe mich um und werde sogleich von der Frau am Ellbogen gepackt und zu den Säulen gezerrt. Ich blicke noch mal zu der Quelle meiner Angst zurück und erkenne, dass die Geschwister des Monsters dabei sind, ebenfalls unserem kleinen Jour fixe beizuwohnen. Es mögen zwanzig sein, vielleicht fünfzig.
Ich stolpere meiner Retterin durch die Säulenreihe hinterher und bemerke, dass wir eine Art Atrium betreten, das oben zwar kein Dach hat, aber erstaunlicherweise von dem Sturm verschont wurde. Doch ich vermute, dass ich mich hier an derartige kleine Wunder gewöhnen muss.
Auf dem Boden entdecke ich etwas Vertrautes. In die Steinplatten ist ein Kreis eingraviert, der von fünf gleichmäßig verteilten Kugeln oder Ringen durchbrochen wird. Das Symbol der Lux Aeterna. Der Durchmesser des Emblems ist nicht größer als zwei Meter.
Die mysteriöse Frau tritt in den Kreis und geht in die Hocke. Sie drückt ihr rechtes Knie gegen den Boden und setzt sich auf den Unterschenkel. Ich imitiere sie wortlos. Sie presst ihre Handflächen auf den Boden. Im selben Augenblick beginnt der Kreis zu leuchten. Die Strahlkraft steigert sich zuerst nur zaghaft, wie eine alte Leuchtstoffröhre, die eingeschaltet wird. Doch dann schießt aus der Rinne des Kreisrandes senkrecht ein bläuliches Licht empor und erschafft um uns eine endlos hohe, strahlende Säule, in deren Mitte wir sitzen.
Ich sehe durch das Licht und stelle mit Unbehagen fest, dass die Horde der behaarten Albträume in das Atrium eingedrungen ist und nun von allen Seiten auf uns zuströmt. Ich höre einen gedehnten, kehligen Schrei und bemerke, dass ich es bin, der schreit. Nur wenige Sekunden später stoßen die ersten Kreaturen aggressiv gegen die Lichtwand. Ich zucke zusammen, doch keinem der Viecher gelingt es durchzudringen. Jedes Biest, das gegen das Licht prallt, wird von einem blitzschnellen Impuls durchströmt und zurückgestoßen. Dann verschwindet es einfach. Die anderen scheinen nicht bereit zu sein, von der Erfahrung der Vorangegangenen zu lernen, und so pressen und stürmen sie unaufhaltsam gegen unseren seltsamen Schutzwall. Ich beiße die Zähne zusammen und schließe die Augen, denn ich kann das Getümmel aus Beinen und Unterleiben, von dem mich nur eine dünne, gewölbte Mauer aus Licht trennt, nicht ansehen.
Als ich wieder hochsah, war es vorbei. Um uns herrschte Stille, nur das blaue Licht schien einen seltsamen Singsang von sich zu geben. Die Frau richtete sich auf. Erst jetzt sah ich, dass sie ihre Hände in vorgesehene Abdrücke im Stein gedrückt hatte. Der Strahl erlosch sofort.
Ich atmete schwer aus und ließ mich aus der Hocke auf den Hintern fallen.
Um uns herum tänzelten leicht schwebend kleine graue Partikel zu Boden, ähnlich wie Flaum oder Asche. Das war alles, was von den haarigen, achtbeinigen Monstern übriggeblieben war.
Mit gerunzelter Stirn und halboffenem Mund suchte ich nach der richtigen Frage, doch es war schwieriger, als ich dachte.
Erst jetzt hatte ich Gelegenheit, die Frau in Augenschein zu nehmen. Und das ist der Punkt, an dem die Sache begann, perfide zu werden.
„Ich heiße Akhanta“, nahm sie den Anfang vorweg. Ihre Stimme war trocken und gleichgültig, als wollte sie mir zu verstehen geben, dass meine Rettung kein Akt der Sympathie war. Ich starrte wortlos dieses anmutige und doch zugleich so spröde Wesen an und versuchte ihr Vorhandensein irgendwie in die riesige Gleichung voller Unbekannten einzubauen. Sie trug weniger am Leib, als ich sonst jemals eine Frau außerhalb einer Wohnung tragen sah, abgesehen vom Danglars natürlich, wohin sie perfekt hineingepasst hätte. Als ich es über mich gebracht hatte, nicht mehr auf diese vollen, nackten Brüste zu starren, wurde es mir möglich, auf ihrer rechten Schulter die vertraute Tätowierung der Lux Aeterna zu entdecken. Doch im Gegensatz zu der gefangenen Talitha Kumi in München, befand sich bei dieser Kriegerin inmitten des Kreises keine römische Zahl, sondern die vereinfachte Zeichnung einer Hand, ähnlich einer ägyptischen Hieroglyphe.
Sie schien meine Verwunderung nicht zu beachten und verschwand stattdessen zwischen den Säulen. Als ich mich fragte, ob sie vielleicht wieder gegangen war, erschien sie erneut und trug ihren Speer, wie auch einen Bogen und warf sich einen mit Pfeilen gefüllten Köcher über die Schulter.
„Wer bist du?“ fragte ich sie, noch immer auf den kalten Steinplatten sitzend. Zumindest hätten sie kalt sein sollen. Doch sie waren es nicht. Ich hatte den Eindruck, dass sie entweder perfekt auf die Körpertemperatur abgestimmt waren, oder gar keine Temperatur besaßen.
„Sagte ich doch, ich bin Akhanta“, erwiderte sie geduldig.
„Wohin gehen wir?“
„Zu einer Sacraporta, dem geheimen Tor in die Stadt.“
Erst jetzt stellte ich fest, dass der Sturm aufgehört hatte. Nicht einmal ein leiser Windhauch durchdrang die Nacht. Es fühlte sich an, als besäße dieser Ort gar keine Atmosphäre, gar keine Luft. Ich hätte auf dem Mond stehen können. Ich sah mich um und taumelte kurz, diesmal im Erstaunen darüber, was ich zwischen den Säulen sah. Da war es wieder - schimmernd in die Dunkelheit.
„Was ist das?“ hauchte ich.
Akhanta blieb stehen und sah zu mir zurück.
„Thanatopolis, die Dunkle Stadt. Dort wollen wir hin.“
„Warum...“ Ich blickte sie verwirrt an. „Warum gehen wir dann in die andere Richtung?“
„Weil wir nicht gesehen werden wollen“, antwortete sie rätselhaft. Ich beließ es dabei und beobachtete weiter die geheimnisvolle Lichtfestung auf der anderen Seite der Ebene.
Die Stadt war rund, und aus ihrer Mitte ragte ein hoher Turm. Beinahe wie ein Schornstein, der keinen Rauch abgibt, sondern ihn einatmet. Die Architektur war nicht genau erkennbar, da sich die Bauwerke in ein erstarrtes Ballet aus Schatten hüllten. Doch zugleich haftete das Licht an ihnen, wie schimmernder Staub. Der Turm und die Stadt wirkten komplex, als wäre ihre Architektur fraktal und würde bei näherem Hinsehen ständig weitere Details in Form von Türmchen, Brücken und Terrassen preisgeben.
„Sie zieht das Licht an“, sagte ich nachdenklich.
Ich sah zum Himmel, der diese seltsame tiefblaue Färbung hatte. Er war übersät von unzähligen Lichtern, die alle wie Sternschnuppen aussahen. Oder wie gefilmte Sterne im Zeitraffer. Als wäre das Himmelsgewölbe in einem anderen Zeit-Raum-Gefüge. Von allen Seiten drifteten diese Lichter zielstrebig über das dunkelblaue Firmament, um durch den Turm die Stadt zu betreten.
Um Thanatopolis herum schwebten andere Lichter. Sie waren größer und geringer an der Zahl. Sie befanden sich deutlich unterhalb des Sternschnuppenschauer und schwebten langsam, fast unbeweglich nur einige Dutzend Meter über den Straßen und Mauern des Stadt. Lichtbojen, dachte ich.
„Was sind das für Lichter?“ erkundigte ich mich leise, ohne den Blick abzuwenden.
„Engel“, antwortete Akhanta gleichgültig, als wäre es die belangloseste Information der Welt. „Wir müssen nun gehen. Es ist Eile geboten.“
Ich konnte meine Augen kaum von diesem Spektakel lösen. Und plötzlich begann ich zu ahnen was passiert war. Doch was ist ahnen, an diesem Ort? Was ist verstehen an diesem Ort? Was ist Ort an diesem Ort? Was ist dieser Ort?
„Engel...“, flüsterte ich bestürzt.
Wie leise Echos fühlte ich noch den Schmerz, verursacht durch Lärm und Widerstand. Doch es waren nur Erinnerungen. Ich hatte die unendliche Finsternis gesehen, aus der die kahle Landschaft hervorgetreten war. Und nun stand ich hier.
Ich sah an meinem Körper hinunter, bis zu den nackten Füßen, und stellte fest, dass ich noch immer in einem unförmigen Krankenhaushemd steckte. Etwas betreten blickte ich zurück zu Akhanta.
„Ich sehe total uncool aus“, beklagte ich mich.
„Uncool?“ erwiderte die barbusige Männerphantasie mit gerunzelter Stirn. „Was bedeutet dieses Wort?“
„Es heißt so was wie beschissen und langweilig zu gleichen Teilen“, brummte ich, während wir weitergingen.
„Sehe ich uncool aus?“ fragte sie mich ohne einen Hauch von Arglist in ihren Augen.
Ich räusperte mich betreten.
„Äh, du bist nicht uncool. Ganz eindeutig nicht uncool.“
Und das war auch das Problem bei diesem Ausflug. Sie sah aus, wie eine kitschige Masturbationsvorlage, gemalt als Paintbrush, gedruckt auf Poster und aufgehängt in einer Autowerkstatt. Es fiel mir schwer zu glauben, dass alle Philosophen und Theologen vollkommen falsch lagen, da sie dies hier nicht deduziert hatten. Außerdem wurde es bedeuten, dass die Moslems recht hatten, da sie doch einen Himmel mit holden Jungfrauen erwarteten. Ich nehme allerdings an, dass die Moslems sich ihre Paradiesjungfrauen deutlich unterwürfiger vorstellen.
Natürlich hatte ich nicht vor, Akhanta zu fragen, ob sie eine Jungfrau war. Sie sah aus, als würde sie problemlos mein Schlüsselbein brechen können und zeitgleich noch eines dieser Spinnenbiester abstechen.
„Was waren das für Tiere?“
„Die Arachniden? Seltsame Kreaturen. Angorbestien. Nicht gerade selten.“
„Ich verstehe nicht... Was ist eine Angorbestie?“
Sie sah mich an.
„Es heißt, dass die Angorbestien zwar alle unterschiedlich aussehen, doch eines gemeinsam haben. Sie spiegeln die Angst der Besucher. Es heißt auch, dass jeder, der hier mit der Angorbestie kämpft, es lernen kann, sie weniger zu fürchten, was dazu führt, dass sie ihn immer seltener angreift.“
Nachdenklich beobachtete ich die stolze Kriegerin, während sie mit dem Speer in der Hand neben mir ging. Wie immer etwas langsam, doch dafür unaufhaltsam ging mir ein Licht auf.
„Es sind Spiegelbilder.“
„Davon weiß ich nichts“, meinte sie. „Mich hat noch nie eine Angorbestie angegriffen, außer bei der Verteidigung eines Besuchers.“
„Das ist es“, rief ich aus. „Das ist deine Aufgabe, nicht wahr? Die Besucher zu beschützen.“
Sie nickte wortlos.
„Spiegelst du auch etwas? So wie die Angorbestien es tun?“
Sie sah mich schweigend an und schien keine Antwort zu kennen.
„Sie spiegelt die Sehnsucht“, erklang unweit von uns. Ich fuhr herum und entdeckte einen jungen Mann, dessen Gesichtszüge mir ebenso fremd waren wie seine ungewöhnliche, altmodische Kleidung, denn er sah aus, als wäre er Jules Vernes Zeit entlaufen. Mit einem bestimmten, aber nicht überstürzten Tempo, kam er den Hügel herauf. Er erreichte uns bald.
„Willkommen im Aion“, begrüßte er mich.
„Du bist Adam Kadmon“, sagte ich leise. „Paul Lichtmann...“
Er blieb vor mir stehen und musterte mich mit einem Blick der mit einigen Tropfen Neugier und Verachtung gewürzt war. Er besaß ein glattes Gesicht, das in keiner Weise dem Mann ähnelte, der mich aus meinem Krankenzimmer entführt hatte. Doch ich nahm an, dass Paul Lichtmann durch unzählige Reinkarnationen gegangen war, und dieser Anblick entsprach offensichtlich seinem ursprünglichen Gesicht. Unter der altmodischen Jacke hatte er eine dunkelgrüne Weste, die mit goldenen Stickereien verziert war. An seinen Füßen trug er Stiefel. Sein Erscheinungsbild ließ ein wenig an Forschungsreisende der Kolonialzeit denken. Es fehlte nur ein Gewehr oder ein Tropenhelm.
„Die Stadt verdunkelt sich, während das Diesseits immer heller wird“, sagte er, als er auf dem Hügelrücken stand und in die Ferne blickte.
Ich suchte nach den richtigen Worten, darüber grübelnd, was er mir eigentlich sagen wollte. „Weil es in unserer Welt immer greller und ausgeflippter zugeht, wird das Jenseits immer düsterer?“
Ich glaubte zu sehen, wie er stumm nickte.
„Aber für die meisten Menschen ist die Welt im Diesseits nicht grell und glücklich. Nicht wenn man in Somalia lebt.“
„Du kannst sicher sein, dass diese Menschen die Dunkle Stadt anders sehen“, erklärte er. „Es zählt nur, was du siehst und wer du bist. Woher du kommst und wohin du gehst.“
„Ich habe es mir anders vorgestellt“, flüsterte ich.
„Der Mensch kennt nur ein Ziel.“ Seine Stimme berührte mich wie ein Windhauch, der aus der Stille der Nacht entsprang. „Wir aber wollen frei sein.“
Wir setzten unseren Weg fort. Akhanta ging schweigend voran. Mein Blick folgte nachdenklich der rhythmischen Bewegung ihrer nackten Fersen.
„Doch Freiheit ist ein grausames Schlachtfeld, denn der Feind ist für alle derselbe: die Angst“, fuhr Lichtmann fort.
„Ich habe mich selbst gesehen... Kurz... Es standen Menschen um uns...“
Er schwieg und ließ mich sprechen. Geduldig und leise nickend wartete er, bis ich meine gebrochenen Sätze hervorbrachte.
„Da... Da war Licht. Doch ich habe es beinahe vergessen. Und Lärm... Ich habe nie zuvor einen solchen Lärm gehört...“
„Und jetzt bist du hier“, sagte Paul Lichtmann alias Adam Kadmon. „Technisch gesehen habe ich dich getötet. So wird es zumindest in irgendeinem Polizeibericht stehen. Der unbekannte, psychisch gestörte Soziopath. Das ist vergleichsweise eine milde Beschreibung. Man nannte mich auch schon mal einen geisteskranken Sektenführer und verglich mich mit Radovan Karadžić.“
„Meine Klamotten sind die Pest“, wandte ich ein.
Der junge Mann grinste nur kalt.
„Durch Erfahrung und Willen sind sie veränderbar.“
„Veränderbar?“
„Wenn du es möchtest, kannst du hier alles verändern. Aber es gilt auch für die Folgen einzustehen, die daraus erwachsen.“ Plötzlich versank er in den eigenen Gedanken und sah mich dann etwas lebhafter an. „Seltsam, nicht wahr, dass ausgerechnet das Todesreich den Möglichkeiten des Nimmernimmerlands und des Wunderlands von Alice am nächsten kommt. Und dabei fürchten es die Menschen so. Ich war damals viel jünger als du. Praktisch noch ein Kind. Und als ich wieder ging, war ich erwachsen. Ich bin der einzige Mensch, der jemals im Jenseits erwachsen wurde.“
„Was ist sie eigentlich?“ flüsterte ich und deutete auf unsere Kriegerin. „Sie ist nicht eine von euch, das habe ich verstanden.“
„Sie ist im Grunde aus demselben Holz geschnitzt wie die Monster, die dich hier angreifen können. Eine Reflexion deiner selbst. Wir nennen es eine Imago, eine jenseitige Illusion. Die Angorbestien sind Imagos deiner Angst. In deinem Fall offensichtlich eine akute Arachnophobie.“
„Was hat es mit diesen Sternschnuppen auf sich?“ Ich deutete zum Himmel.
Er blieb stehen. Als Akhanta es bemerkte, hielt auch sie an und lehnte sich schweigend gegen ihren Speer.
„Menschen“, sagte Adam Kadmon. „Hier am Ende der Zeit durchwandern die Seelen von allen Seiten das Jenseits, um Thanatopolis zu erreichen. Dort erfahren sie Dinge, die mit ihren Erfahrungen im Diesseits korrespondieren, nur um ins nächste Leben weiterzuziehen. Zeit spielt dabei keine Rolle. Doch der Grund, warum du nun Zeit empfindest und die Seelen wie kleine Sternschnuppen wandern siehst, hat nichts mit dem Jenseits zu tun, sondern mit dem Bewusstsein des Menschen. Wir sind nun Anomalien. Wir schmuggeln etwas ins Jenseits, das dorthin nicht gehört: den menschlichen Geist. Darum sei achtsam mit allem, das du hier siehst, denn dadurch, dass es hier für den Geist nichts zu sehen gibt, besteht das meiste, das hier von dir gesehen wird, nur aus Bildern, die du selbst mitgebracht hast. Das macht diesen Ort nicht weniger real, doch man sollte sich dabei nicht wie eine Katze verhalten, die stundenlang mit ihrer Pfote gegen das eigene Spiegelbild stößt, da sie den Zusammenhang zwischen sich und der Reflexion nicht versteht.“
„Es ist nicht sicher hier“, sagte Akhanta, die sexy Imago. „Die Engel durchstreifen die Megalopedia.“
Adam Kadmon nickte und wir setzten unseren Weg fort.
„Das ist also der Grund, warum man dich und deine Leute töten will? Warum dieses Oktagon hinter dir her ist und dieses Kerygma?“
„Für die Kerygma-Gruppe bin ich der Antichrist und für die Oktagon Stiftung bin ich eine abnormale Anomalie der Natur, die erforscht und beseitigt werden muss. Die Liste der Leute, die mir an den Kragen wollen, ist noch länger. Der Vatikan, der CIA, der Mossad. Sie alle sind an der Aschewerdung interessiert.“
„Aschewerdung?“ Ich blickte auf. „Ich habe Rufus Mahr das Wort sagen hören. Und im Internet fand ich einen Text, in dem es hieß, es sei ein Ritus...“
„Es ist kein Ritus, sondern eine Methode. So wie die Handlungen eines Schamanen mehr Methoden als Riten sind. Aschewerdung ist das bewusste begehen des Todes, ohne die eigene Gedanklichkeit aufzugeben. Du erfährst sie gerade am eigenen Leibe, wenn auch ohne Leib. Hast du jemals das Tibetische Totenbuch gelesen?“
Ich schüttelte den Kopf und ahnte, dass ich das in der Gegenwart dieses Mannes noch oft tun würde.
„Körper - Geist - Seele. Das kennst du sicher“, fuhr er fort. „Der menschliche Geist ist wie ein Anteil am Gesamten. Er ist wie ein Lesezeichen in einem Buch. Wann immer du das Buch aufschlägst, liest du diese eine Seite und sagst: ja, das bin ich. Die restlichen Seiten empfindest du aber als unzugänglich. Nicht nur, dass wir uns schwertun, die anderen Seiten des Buchs zu lesen, wir ignorieren obendrein, dass die restlichen Seiten genauso viel mit unserer eigenen Geschichte zu tun haben, wie unsere eigene Seite. Verstehst du was ich meine?“
„Wir sind geistig alle verbunden und haben Anteil an derselben Sache, merken es aber nicht“, sagte ich brav, um ihm zu zeigen, dass ich nicht vollkommen schwer von Begriff war.
„Ja. Mit der Seele ist das aber ein wenig anders. Die Seele ist wie ein Partikel im Schweif eines Kometen. Einsam und doch in einer riesigen Gruppe. Die Seele existiert und doch existiert sie nicht. Sie ist wie das Elektron in der Naturwissenschaft. Ganze Industriezweige basieren auf der Nutzung des Elektrons, aber es hat noch nie jemand eins wirklich gesehen. Die Seele wurde vor langer Zeit abgesondert von etwas Größerem und streift seitdem zyklisch zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Auch die kleinste Seele im Universum ist ein Teil der Frage nach dem Warum.“
Ich sah mich um. Der Hügel, auf dessen Gipfel das von Säulen gesäumte Atrium stand, war schon recht weit entfernt. Thanatopolis, die Dunkle Stadt, befand sich dahinter und wurde von der einsamen Anhöhe verdeckt. Die Seelen drifteten weiterhin entschieden über dieses seltsame Himmelsgewölbe auf ein nun unsichtbares Ziel zu.
Vor uns war nur Einöde. Gerade noch erkennbar zeichneten sich am Horizont wilde Bergrücken ab.
„Im Tod verhält es sich so, dass diese virtuelle Verbindung aus Körper, Geist und Seele, die wir Kombinat nennen, aufgelöst wird. Zuerst löst sich der Körper, indem seine Organfunktionen versagen und das Gehirn die elektrische Aktivität einstellt. Die Seele beginnt sofort mit dem Drift ins Jenseits, ist aber noch immer mit dem Geist verbunden, den man sich nicht als eine Entität vorstellen darf, sondern eher als einen Zustand, als eine Verbindung zu einem kollektiven Bewusstsein. Deshalb können sich einige Menschen an Nahtoderfahrungen erinnern. Was sie jedoch ‚sehen’, ist noch immer das Diesseits. Häufig beginnt sich spätestens hier der Geist von der Seele zu lösen. Bei einigen Seelen ist die Bindung an den Geist jedoch stärker. Du weißt aber nun aus eigener Erfahrung, dass all diese Verben und Substantive vollkommen unzureichend sind, um es zu beschreiben. Dein Geist hat es gefühlt.“
„Und dann kommt der Lärm...“, wandte ich leise ein.
„Klänge, Lichter und Strahlen“, rezitierte Adam Kadmon. „Sie jagen einem Schauer ein, ängstigen und erschrecken und verursachen große Müdigkeit. Die Worte des Bardo Thödol, des Tibetischen Totenbuchs. Die Seele passiert auf ihrem Weg einen Zustand, einen Vortex, der sich dem Geist als ein entsetzliches Getöse offenbart. Das Gefühl von Zermalmtwerden, die Wahrnehmung von Lärm, Blitzen und Erschütterung. Spätestens an dieser Stelle befreit sich die Seele von dem seltsamen Konstrukt, genannt Geist, den wir aber lieber Gedanklichkeit nennen. Diese Verdichtung an Informationen, die so intensiv ist, dass sie ein Ego besitzt und ein Gefühl von Zeit. Das Ironische ist natürlich, dass alles um den Geist von ihm selbst produziert und wiederum zensiert ist. Auch der Vortex ist in seiner empfundenen Ausprägung nur das, was der Geist sehen und wahrnehmen will.“
„Und der Geist kommt am Vortex niemals vorbei?“
„Wenn es nur so wäre. Diese Sachen passieren doch ständig“, erklärte er und wirkte nun wie ein U-Bahn-Kontrolleur, der über Schwarzfahrer spricht.
„Das verstehe ich nicht“, gab ich zu.
„Schon mal von Leuten gehört, die mit irgendwelchen Wellenempfängern verzerrte Stimmen aus dem Jenseits fischen? Oder von all diesen Spiritisten, die mit Hilfe von ominösen Ouija-Brettern oder Weingläsern Botschaften von Verstorbenen empfangen können?“
Ich nickte.
„Sie haben alle recht. Nur leider ändert das wenig daran, dass sie Narren sind, die nichts verstanden haben. Ein vorhandenes Seele-Geist-Kombinat im Jenseits ist ein Unglück und keine Quelle spiritueller Ratschläge. Bei Menschen, deren Todesart schnell und ungewöhnlich war, kann es vorkommen, dass der Geist die Möglichkeit des Todes gar nicht akzeptiert. Jene Menschen streifen in dieser trostlosen Landschaft umher, ahnungslos darüber, was mit ihnen geschah. Unfreiwillig und verwirrt haben sie das erreicht, was wir mit Hilfe von Thanatol herbeiführen - ein gewisser Anteil ihres Geistes haftet noch an ihrer Seele. Die Verbindung zum Bewusstsein ist bei ihnen noch nicht durchtrennt. Diese Wesen sind in keiner Weise geeignet, jemandem im Diesseits Ratschläge zu erteilen oder die Zukunft vorauszusagen. Sie sind die Hilfsbedürftigen und können wenig tun für die absurden Spiritisten im Diesseits, die versuchen, aus ihnen das eigene Todesdatum raus zu quetschen.“
„Es gibt noch so viel, das ich fragen möchte“, stöhnte ich und runzelte nachdenklich meine eigentlich nicht mehr vorhandene Stirn.
Wir waren stehengeblieben und ich starrte misstrauisch auf das seltsame Objekt vor uns. Inmitten der kargen Ebene befanden wir uns plötzlich vor einem Kanaldeckel. Es war nicht irgendein Kanaldeckel. Es war mein Kanaldeckel. Ich erkannte ihn sofort.
„Was ist das hier?“ fragte ich verstört.
„Deine Imago“, sagte Adam Kadmon, während Akhanta bereits ihren Speer in eine der Spalten in dem Gullydeckel schob. Sie öffnete ihn mühelos. „Deine eigene virtuelle Realität.“
„Ich war noch ein Kind“, murmelte ich und starrte misstrauisch in das surreale, dunkle Loch inmitten der Wüste.
„Es gibt drei Arten von Bildern, die sich im Jenseits reflektieren“, erklärte er. Akhanta war bereits in der Öffnung verschwunden. „Die Angst, die Sehnsucht und das Versäumnis. Das hier fällt vermutlich unter die Versäumnisse. Richtig?“
„Ich glaube, das fällt unter alle drei“, entgegnete ich halblaut.
Der junge Adam Kadmon verzog die Mundwinkel und folgte ihr. Ich sank auf mein Knie und sah ihnen zaghaft hinterher, während sie an den Metallsprossen immer tiefer kletterten. Ich dachte daran, dass man mit Leuten, die man kaum kennt, nicht in dunkle Schächte klettern sollte. Ein infantiler Gedanke an dieser Stelle.
Dann sah ich unten ein blasses Licht erstrahlen. Ich griff nach der ersten Leitersprosse. Als ich einen Meter tiefer war, packte ich den Kanaldeckel und zog ihn ächzend wieder über das Loch. Die Aussicht auf einen einsamen Arachnid, der uns in den Schacht hinterher stiefelte, war noch unvorteilhafter, als die klaustrophobische Atmosphäre des Kanals.
„Warum muss das Ding so viel wiegen, wenn das hier das Jenseits ist?“ wetterte ich, während ich nach unten kletterte.
„Weil du es so willst“, erklang Adam Kadmons Stimme, nun schon ganz nahe.
Ich kam unten an. Sie saßen auf dem Wasserrohr, das hier durch den Tunnel führte und musterten mich schweigend, wie zwei Bergwanderer, die zwar geduldig, doch auch leicht genervt auf einen erschöpften Nachzügler warten.
Akhanta trug eng um den Hals eine Art Stein oder Brosche, aus der in Blau dieses schwache, jedoch beständige, diffuse Licht strahlte.
„Das wird sicher interessant“, sagte Adam Kadmon geheimnisvoll. „Gehen wir.“
Wir schlichen im Gänsemarsch durch den Tunnel, leicht gebückt, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Als ich das letzte Mal durch diesen Gang marschierte, konnte ich noch aufrecht gehen.
„Eine Sache finde ich irritierend“, sagte ich und räusperte mich.
„Und die wäre?“ fragte Adam über die Schulter, ohne anzuhalten.
„Ist das mit diesen Angorbestien nicht etwas trivial? Ich meine, das hier ist das Jenseits. Die Antwort auf die Frage nach allem. Und was tut es als erstes? Es funktioniert als Verstärker meines Unbehagens vor Krabbeltieren.“
„Das Jenseits ist nicht die Antwort auf die Frage nach allem. Und es ist wie eine Zwiebel“, erwiderte Adam. „Am Anfang kommen die banalen Sachen, am Ende die Tiefen der eigenen Psyche. Das Jenseits fühlt sich für einen Besucher stets an, wie ein Popcorn-Film, der immer mehr zu einem Ingmar-Bergmann-Ehedrama mutiert.“
Ich spürte, dass wir auf dieser transgressiven Achse zwischen dem Prosaischen und dem Profunden auf halber Strecke waren. Ich behielt recht, denn nur wenige Augenblicke später tauchte vor uns eine Szenerie auf, die mir sehr vertraut war.
Wir erreichten eine Kreuzung, und ich sah nur wenige Schritte entfernt, in dem deutlich höheren Gang zu meiner Rechten, den angeketteten Mann und seinen Peiniger. Akhanta blieb zurück, während Adam Kadmon näher trat, um die Imago zu studieren.
„Was sehen wir hier?“ fragte er.
Ich starrte konsterniert auf die unwirkliche Darbietung und brachte kein Wort hervor.
„Das ist der Grund, weshalb wir hier sind“, erklärte Adam Kadmon streng. „Ich mache das hier nicht zum Vergnügen. Wir sind hier, um die Wahrheit über dich zu erfahren.“
Ich blickte ihn besorgt an und entsann mich seiner Worte im Krankenhaus, als er mich daran erinnerte, dass wir keine Kumpels sind. Zumindest konnte ich ihm nicht vorwerfen, dass er mich belog.
„Das hier ist... Das habe ich als Kind gesehen“, flüsterte ich. „Ich war in einen Kanal geklettert...“
„Dieser Mann hier“, sagte Adam und deutete auf den Folterer, „ist Tristan, einer meiner engsten Mitarbeiter und ein treuer Freund. Genauer gesagt ist das hier seine Spiegelung. Sie zeigt ihn so, wie er in den frühen Achtzigern aussah, wie du ihn gesehen hast.“
Die geisterhafte Replik, die nun auf den Namen Tristan hörte, griff sich wie damals das schlanke Messer und schnitt dem blutenden Kerl einen Finger ab. Ich presste meine Hände gegen die Ohren, um das Geschrei nicht zum zweiten Mal hören zu müssen.
Tristan riss an den verklebten Haaren des Mannes und starrte ihm aus nächster Nähe ins Gesicht. Wir waren für ihn nicht vorhanden
„Fila vidakóme? Fila vidakóme?“ schrie er ihn an.
„Das kannst du besser“, raunte mir Adam Kadmon zu. „Ich höre nur eine Art Rauschen, wenn er schreit.“
„Was kann ich besser?“ entgegnete ich ratlos.
„Es ist offensichtlich, dass du zu dem Zeitpunkt noch kein Deutsch gesprochen hast. Die Worte von Tristan sind dir nur als ein phonetischer Brei im Gedächtnis geblieben. Du hast nie versucht, sie später zu verstehen? Verbinde doch ab und zu mal die Zahlen mit Linien, Junge... Für dich. Ich weiß, was die Worte bedeuten. Ich habe vor anderthalb Jahrzehnten den Bericht dazu gelesen.“
Damit hatte er recht. Damals, mit elf Jahren, kam das einzige Deutsch, das ich kannte, aus sowjetischen Filmen über den Zweiten Weltkrieg. Und dort sagten die SS-Männer selten mehr als Ihrrre Papierrrre! oder Halt, stehen bleiben! Oder ich schieße!“.
Ich sah das Abbild von Tristan an. Er erschien mir nun viel kleiner als damals, doch die Szenerie hielt mich noch immer fest im Bann.
„Will er wiederkommen?“, murmelte ich. „Will er wiederkommen?“
Tristans kurze Haare und der dünne Bart sahen genauso aus, wie damals, in 1981, ähnelten jedoch in keinster Weise dem Mann, den ich auf dem Pasinger Bahnhof sah. Er ging an uns vorbei, als wären wir Luft und blieb an einer Abzweigung stehen. Er führte einen Jungen heraus und umklammerte mit seiner mächtigen Hand dessen zierliches Genick.
Ich beobachtete das Kind und versuchte verkrampft den Gedanken zuzulassen, dass ich mich selbst sah. Ich bemerkte, wie sich in Sekundenschnelle die Jeans des Kindes entlang der Oberschenkel verdunkelte und der feuchte Fleck wie ein Tintenkleks wuchs.
Wie in einem Theaterstück, das ich bereits kannte, zog nun Tristan erwartungsgemäß eine große Pistole hervor und drückte sie dem angeketteten Kerl gegen die Stirn.
„Vivenden ak ondi fende“, sagte er zu ihm mit kalter Stimme.
„Wir werden ihn auch ohne dich finden“, interpretierte ich und zitterte dabei am ganzen Körper. Der Schuss krachte, doch im Gegensatz zu damals hallte er nicht in den Gängen, sondern klang dumpf und trocken. Ich fühlte mich nun endgültig wieder wie der kleine Junge, der sich gerade das Trauma fürs Leben abholt.
„Der andere Mann hieß Libor Smutný“, hörte ich Adam Kadmons Stimme. Sie klang aus der Dunkelheit wie der Kommentar bei einem Diavortrag. „Er gehörte der Loge 1912 an, jener Gruppe aus dreizehn Mitgliedern, die aus dem Hintergrund das Kerygma kontrolliert. Neben Locartes war er einer der wenigen Führer der Gruppe, den wir je zu Gesicht bekamen. Locartes, einer der Begründer des Kerygma, starb in den Sechzigern. Es waren uns Dinge zu Ohren gekommen. Dinge, die Fragen über das Ableben von Locartes aufwarfen. Fünfzehn Jahre später gelang es Tristan in Prag, eine Autokolonne anzugreifen, die Libor Smutný zum Flughafen fuhr. Tristan verlor dabei fünf Männer und Frauen. Zwei an den Tod. Drei konnten sich in die Aschewerdung retten. Er schleifte den verletzten Smutný in den Kanal und verhörte ihn.“ Adam Kadmon schwieg kurz, in Erinnerung schwelgend. „Wir hatten einen hohen Preis bezahlt... Für nichts.“
Dann blickte er zu mir und nickte leicht.
„Tristan hatte mir von einem Jungen berichtet, der ihm unten im Kanal begegnet war. Und jetzt... Jetzt sind wir hier. Ich hoffe du hast deinen Glauben an Zufälle auf dem Dach des Krankenhauses gelassen.“
Ich sah hoch und bemerkte, dass die gesamte Imago verschwunden war - der kleine Jan-Marek, Tristan, der tote Libor Smutný. Der Gang schien nur noch zwanzig Schritt weiterzuführen. Von dort drang blasses Licht hinein.
Lichtmann nickte Akhanta zu. Ich folgte den beiden. Als wir das Ende des Gangs erreichten, stockte mein nicht vorhandener Atem erneut. Der Kanal mündete im Nichts! Wir standen vor einem Abgrund, inmitten einer Felswand, und der Weg nach unten konnte leicht einen Kilometer lang sein. Die Talsohle verlor sich unsichtbar in der Dunkelheit. Die gegenüberliegende und kaum erkennbare Wand befand sich mindestens drei oder vierhundert Meter entfernt. Ich griff instinktiv nach dem Fels zu meiner Rechten, um besseren Halt zu haben, und schloss die Augen. Es verursachte mir tiefstes Unbehagen, in diesen Abyssos hinein zu starren.
"Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein", sprach Adam Kadmon.
„Habe ich schon erzählt, dass ich ziemliche Höhenangst habe?“ flüsterte ich.
„Friedrich Nietzsche“, sinnierte er weiter, ohne auf mich einzugehen. „Würde man in der menschlichen Geschichte fünf Geister wählen, die es verdient hätten, ewig zu leben, wäre Nietzsche stets dabei.“
„Aber wer will schon ewig leben, nicht wahr?“ rief ich nervös, während meine Finger einen Felsvorsprung umklammerten.
„Was ist also deine Geschichte?“
Adam Kadmon stand lässig neben mir, am Rande des gigantischen Abgrunds und beobachtete die Felsen, die sich auf der gegenüberliegenden Seite in der Dunkelheit auflösten. Er schien mein Unbehagen zu genießen. Akhanta hatte sich ebenfalls am Felsrand postierte und lehnte sich gleichgültig gegen den kalten Stein.
„Meine Geschichte?“ fragte ich, den Wind der Veränderung nicht spürend.
„Ein Kind klettert neugierig in einen Kanal“, erzählte Adam Kadmon, als handle sich um einen Urlaubsanekdote. „Und wohnt dort zufällig einer Exekution bei, die Tristan an einem leitenden Mitglied der Kerygma-Gruppe ausführt. Ein Zufall. In Ordnung.“
Er sah mich nun durchdringend an.
„Dasselbe Kind schleicht sich - inzwischen erwachsen - zehn Jahre später, in einem anderen Land, in den Keller des eigenen Mietshauses, um dort eines der sechs Hauptquartiere der Kerygma-Gruppe zu entdecken. Ein Zufall? Nicht doch.“
„Ich wusste das alles nicht“, erwiderte ich. „In Prag wusste ich nicht was ich sah und in München auch nicht.“
„Und als der junge Mann dann die Flucht antritt, bricht das komplette Chaos aus. Das Kerygma schickt seine besten und ganz sicher teuersten Schergen los, das Oktagon ist sofort zur Stelle und wir...“ Er lächelte kalt. „Wir wollen natürlich auch ein Stück vom Kuchen. Nur wie der Kuchen schmeckt, kann ich noch immer nicht sagen.“
„Ich verstehe es auch nicht...“, sagte ich. „Ich bin da irgendwie hineingeraten...“
„Ich habe den Stunt auf dem Krankenhausdach nicht deshalb gemacht, weil wir alle deine Fans sind, Jan-Marek. Zeit für eine Runde Erleuchtung. Die Aschewerdung ist ein aufwendiger Akt, der oft Dinge noch komplizierter macht. Niemand geht leichtfertig in die Spiegel. Doch ich konnte nicht riskieren, dass das Oktagon dich in die Finger bekommt. Teiresias, der Seher, hat mich davor gewarnt.“
Ich kam mir vor, als läge ich irgendwo auf einer schmutzigen Matratze inmitten einer abgestürzten Party, mit einem Gehirn, das hoffnungslos versucht, den Mix aus MDMA, THC, LSD, Morphin und Alkohol zu entwirren. Doch ich wusste zugleich, dass ich nicht trippte. Dieser Augenblick war nicht real, er war die Wirklichkeit. Und das machte mir Angst.
Plötzlich spürte ich Adams Hand an meinem Nacken. Sein Griff wurde fest, und bevor ich mich versah, schwebte mein Oberkörper über dem Abgrund, während meine Füße an dem Felssims nach Halt suchten und sich verzweifelt gegen die Gravitation wehrten.
„Also noch mal“, zischte Adam Kadmon, von dem sämtliche Freundlichkeit gewichen war. „Gibt es in diesem verworrenen, faulen Geist irgendeine Information oder Erinnerung, die mir helfen könnte zu verstehen, wie das alles zusammenhängt?“
Ich atmete nur vorsichtig aus und sah zur Seite in den sagenhaften Abgrund.
„Ich höre!“ rief Adam Kadmon.
Plötzlich begann eine Ahnung in mir aufzusteigen. Er hatte recht. Es gab etwas, das er nicht wusste. Etwas, das ich nur einem Menschen erzählt hatte und dieser Mensch war tot. Etwas, das erst nach meinem düsteren Erlebnis im Kanal begonnen hatte. Er wusste von meinen Hyper-Albträumen nicht.
„Wie könntest du mich töten? Ich bin doch schon tot“, raunte ich ihm panisch zu. Ich fing den unsicheren Blick von Akhanta auf, die zwischen Adam Kadmon und mir hin und her sah.
„Sehr schlau, Sportsfreund“, erwiderte er sarkastisch und schüttelte mich. „Was glaubst du wäre passiert, wenn dich die Arachnide erwischt hätten? Sie hätten den Geist deiner Seele entrissen, so wie es ein Sturz aus dieser Höhe tun würde. Dann wärest du nur noch eines dieser kleinen, belanglosen Lichter über dir. Deinen Körper kannst du hier nicht töten, denn du hast keinen mehr. Aber dein eingeschmuggelter Geist, der ist fällig. Warum denkst du gehen wir den Engeln aus dem Weg? Du wirst schon bald mindestens dreißig Sekunden freien Falls vor dir haben, um über die tödliche Funktion von Angst im Jenseits nachzudenken.“
Während ich mit dem Rücken über dem Abgrund hing, wanderten hoch über mir unaufhaltsam Millionen Sternschnuppen. Seelen all jener Menschen, die an Alter, Krankheit, Krieg, Unfall, Mord oder Suizid gestorben waren. Erlöst oder gescheitert.
„Akhanta!“ rief ich erstickt. „Du sollst mich doch beschützen.“
„Er hat recht“, sagte sie plötzlich und drückte die Spitze ihres Speers gegen Adam Kadmons Hals. „Ich muss tun, was ich tun muss Denn ich bin, was ich bin.“
„Denn die Schatten haben dich so gemacht“, sagte ihr Adam Kadmon leise und zog mich wieder in die Vertikale zurück.
„Sie ist genauso wankelmütig wie alle deine Bedürfnisse“, schnaubte er angewidert.
„Ja, aber wir sind zwei gegen einen“, wandte ich in einem überaus gespielten Anfall von Selbstbewusstsein ein, während Akhanta langsam die Speerspitze von Adams Nacken nahm, doch weiterhin in einer Angriffspose verharrte.
„Ihr könnt mir wenig anhaben“, sagte Adam Kadmon, hob aber anerkennend die Augenbrauen. „Dennoch ein bemerkenswerter Schachzug. Du bist doch nicht nachtragend, oder?“
„Einmal in den Abgrund gestoßen zu werden, reicht mir erst mal“, erwiderte ich.
Plötzlich breitete Adam Kadmon die Arme aus und stieß sich von dem schmalen Sims ab. Doch statt in die Tiefe zu stürzen, blieb er auf meiner Augenhöhe schweben, mit dem Abgrund unter seinen Füßen.
„Derjenige, der erkennt, dass die Welt nur aus Bildern besteht, kann sie auch verändern. Ich bin im Jenseits aufgewachsen. Ich bin hier das geworden, was ich bin. Glaubst du wirklich, du kannst mich hier bekämpfen?“
Ich starrte ihn nur an und schwieg. Ihn so zu sehen löste ein Schwindelgefühl in mir aus. Ich taumelte einen Schritt nach hinten und tastete wieder blind nach dem Fels, um besseren Halt zu haben.
Akhanta schien das alles deutlich weniger zu beeindrucken als mich. Sie beobachtete Adam Kadmon ausdruckslos und zielte vorsichtshalber mit dem Speer auf ihn.
„Ich gebe zu, es war unfair, dich über den Abgrund zu halten“, sagte der junge Mann und drehte sich einmal kurz um seine Achse. „Aber ich dachte, etwas gesunde Angst würde dich motivieren.“
„Motivieren wozu?“ brach es aus mir heraus.
Er nickte nachdenklich.
„Also gut. Ich sag dir, was wir machen. Du folgst deiner so getreuen Imago in die Stadt hinein. Sie kennt viele Wege dorthin, und sie weiß, wie man von Engeln unbemerkt bleibt. Ich werde nicht mit euch gehen...“
„Was muss ich tun?“
Ich war in der Tat auf seine Antwort gespannt. Seit meiner Ankunft hier war ich so sehr von den Eindrücken überwältigt, dass ich über eine Rückkehr noch nicht viel nachgedacht hatte.
„Komm mit“, sagte Adam Kadmon trocken. Dann streckte er seine Arme und seine Finger von sich und fing langsam an weg zu driften. Unter ihm begann eine schmale, schlichte Brücke zu entstehen, die über die Schlucht führte. Akhanta machte es mir vor und trat selbstbewusst auf den engen Steg, der wie Marmor aussah. Ich folgte ihr, während sich mein Magen verkrampfte, da nur einen halben Schritt links und rechts von meinen Füßen der mächtige Abgrund gähnte. Während wir gingen, verlängerte sich die Brücke immer weiter, nur wenige Meter vor uns. Sie war leicht gebogen, so dass wir zuerst etwas bergauf gingen. Ich wagte es kaum, von meinen Füßen hochzublicken, doch sah ich bereits, dass auf dem Zenit des Brückenbogens eine größere Plattform am Entstehen war.
Als ich sie erreichte, befanden wir uns über der Mitte des Abgrunds, doch mit festem Boden unter den Füßen. Über uns schwebte eine altmodische Leuchttafel mit der Aufschrift „El Corazón“. Die Plattform war an die zehn Schritt breit und mindestens zwanzig lang. Zu meinem Erstaunen begannen um mich herum Gestalten zu erscheinen. Möbelstücke traten aus dem Nichts hervor und nur einige Gedanken weiter befand ich mich inmitten eines Cafés. Über unseren Köpfen war das Jenseits, mit seinen unzähligen Seelen auf dem Strom der Bestimmung, doch um mich herum waren die Dreißiger Jahre, aus denen rätselhafte Gesichter auftauchten. Ich trat schnell beiseite, um einem tanzenden Paar Platz zu machen. Und ich hörte Musik. Unerwartet durchschnitt sie dieses akustische Vakuum. Es war ein alter Song. Ich kannte ihn von meinem Vater. Ein Tango von Carlos Gardel. Ich erinnerte mich deutlich an die Schallplatte, die meinem Vater die wertvollste war. Schwerer Schellack, etwas kleiner als die Alben der Nachkriegszeit. Das Label in der Mitte der Scheibe war rot und mit goldenen Lettern bedruckt. Der Schriftzug „ODEON - Fabriqué en France“ fiel mir wieder deutlich ein und die zwei alten Briefmarken, die auf dem Label klebten.
An der hinteren Wand des Cafés saß ein Mann auf einem Stuhl. Er trug einen altmodischen Anzug und eine gepunktete Fliege. Seine Haare waren dunkel und mit einer Pomade glattgekämmt. Zwischen seinen Knien klemmte eine spanische Gitarre. Ich erkannte sein Gesicht sofort von der Schallplattenhülle meines Vaters. Er war die Musik.
Mein Vater hatte mir mal erzählt, wie Carlos Gardel 1935 bei einem Flugzeugunglück gestorben war und dass sich deshalb Menschen in Lateinamerika das Leben genommen hatten. Vielleicht waren das jene Menschen, die nun um uns waren.
Es waren Gäste, die an den Tischen saßen und den Tanzenden auf der Tanzfläche zusahen. Adam Kadmon nahm lässig Platz an einem freien Tisch und deutete mir, es ihm gleichzutun.
„Adiós muchachos, compañeros de mi vida“, hörte ich den große Milongero mit sanfter Stimme eröffnen.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich so oft Schlechtes über meinen Vater dachte und tatenlos unser Verhältnis begrub, in der festen Überzeugung, dass Väter kein Gespür für den Puls der Zeit haben. Doch jemand, der Carlos Gardel liebte, konnte weder schlecht sein, noch verdiente er es, an der zickigen Hysterie der Neuzeit gemessen zu werden. musste ich erst das Jenseits betreten, um dies zu erkennen?
Akhanta blieb misstrauisch am Eingang des Cafés stehen und beobachtete uns starr. Ähnlich wie ich wirkte sie hier fehl am Platz und falsch gekleidet. Wir befanden uns nun im Lichtmannschen Universum. In seinen Imagos.
„Dein Körper ist auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus zerschlagen“, entzog mich Adam Kadmon meinen Gedanken. „Diesen Teil der Aschewerdung nennen wir das Artificium. Es ist kein Selbstmord, auch wenn die im Diesseits es meistens so einschätzen. Das Artificium befördert dich hierher. Doch um geistig unversehrt zurückzukehren, ist es nötig, tief in die Trickkiste der Schatten, der Inferni zu greifen, die vor Jahrtausenden das Jenseits gestaltet haben. Es gibt hier ein Überbleibsel der alten Tage, des Ersten Zeitalters, als die Inferni das Jenseits beherrschten. Sie heißt Apythia und sie ist das Tor zum Diesseits. Hast du jemals die zweite Tarotkarte gesehen?“
Ich war mir nicht sicher.
„Nun, sie ist eine etwas entartete Version davon...“
„Und sie schickt uns zurück?“
„Das Geheimnis der Aschewerdung besteht darin, dass du von jedem lebenden Menschen, der auf der Welt wandelt, Besitz ergreifen kannst. Du kannst seinen Körper beanspruchen, seine Gedanklichkeit ablösen und seine Seele ins Jenseits schicken. Hierher.“
„Du tötest bei der Rückkehr Menschen?“ Ich hatte keine solche Wende erwartet.
„Beruhige dich. Es ist nicht ganz so dramatisch. Doch dafür viel spannender. Es wird dir gefallen.“
Er bestellte einen Wein und es war mir vollkommen unklar, weshalb jemand ein Glas Wein im Jenseits bestellen sollte, da es doch offensichtlich nur ein Phantasieprodukt war.
„Ich nehme an, der Wein hat keinen Geschmack“, wandte ich ein.
„Sprich nur für dich selbst“, erwiderte Adam Kadmon und verzog überheblich den Mundwinkel.
„Apythia geht den Weg der geringsten spirituellen Reibung“, setzte Adam Kadmon seine Ausführungen fort. „Sie ordnet uns zu, wo und in wem wir wieder erscheinen. Sie ist ein Orakel. Viel mehr ein Anti-Orakel. Sie weissagt nicht deine Zukunft, sie macht deine Zukunft. Ein grausames Biest, mit unerfreulichem Humor. Eine Kreatur, die älter ist, als die alten Kulturen. Aber sie hat noch nie über die Stränge geschlagen. Sie erwartet eine Frage. Und sie beantwortet jede Frage. Doch von der Art der Frage leitet sie die Art deiner neuen Erscheinung ab.“
„Also kann man es sich nicht aussuchen, wie man wieder ins Diesseits zurückkehrt?“ fiel ich ihm ungeduldig ins Wort.
„Sie sorgt dafür, dass wir immer nur in Avataren auftauchen, die dem Tode geweiht sind. Wir betreten ihren Körper, nur kurz bevor sie ihn vor ihrer Zeit verlassen.“
„Avatare...?“
„Wirtskörper. Weißt du, wer Charon ist?“
„Ist das nicht ein Fabelwesen? Pferd mit Menschenkopf. In den Griechischen Sagen.“
Adam Kadmon ließ kurz einen gelangweilten Blick über den zerfurchten dunklen Canyon gleiten und lehnte seinen Ellbogen gegen das Geländer am Rande der Plattform. „Das war Chiron, du Anarch. Ich meine Charon, den Fährenmann.“
Es dämmerte mir. „Man musste ihm eine Münze geben, damit er einen über den Fluss nahm...“
„Styx“, fügte Adam Kadmon an.
„Darum haben doch die Griechen und Römer den Toten Münzen auf die Zunge oder auf die Augen gelegt.“
„Es ist der Preis. Der Preis, den man zahlen muss. Heute wird das missverstanden und etwas zu wörtlich genommen. Aber es ist ein Gesetz des Ausgleichs. Die Spiegelwelt. Die Kräfte müssen in Balance gehalten werden.“
„Ich kapiere noch immer nichts“, meinte ich verwirrt.
„Balance ist die Antwort“, fuhr Lichtmann fort. „Das Diesseits ist hell, das Jenseits dunkel. Wird das Diesseits dunkler, wird das Jenseits heller. Ich glaube, während des Hundertjährigen Kriegs im Mittelalter, als aller paar Jahre der Schwarze Tod durch die Städte zog, war das hier ein recht annehmbarer Ort. Eine echte Partymeile.“
Während Adam Kadmon mit seinen Belehrungen fortfuhr, begann es mir langsam zu dämmern.
„Eine Münze - eine Überfahrt“, erklärte er theatralisch und bedankte sich mit einem knappen Kopfnicken für den servierten Wein. „Wie hoch ist der Preis, den du für deine Rückkehr zahlen willst? Wenn du so wenig wie möglich Energieausgleich zwischen hier und dort auslösen willst, ist es geraten, in jemanden zu treten, dessen Tage ohnehin gezählt sind. Du stiehlst von diesem Menschen nicht sein Leben, sondern seine letzten Atemzüge.“
„Apythia sucht also einen sterbenden Menschen für mich aus?“
„Ja. Menschen kurz vor ihrem Tod. Menschen, die auch ohne deinen Eingriff sterben werden. Nur Sekunden oder Minuten später. Du hast keine andere Wahl, als es anzunehmen. Außer du möchtest hierbleiben.“
„Wache ich da in Krankenhäusern auf, mit einem Körper voller Metastasen?“
„Nein. Denn ich sagte vor ihrer Zeit. Krankheiten sind kein unnatürlicher Tod. Krankheiten kommen nicht vor ihrer Zeit. Niemals. Das kommt den Menschen nur so vor, weil sie für ihre Erkrankungen immer die Außenwelt verantwortlich machen möchten. Du kannst bei der Aschewerdung nur an Linien anknüpfen, die im Begriff sind, unterbrochen zu werden. Gewaltsame Brüche des Schicksals. Futurologen würden hier von Wildcards sprechen. Das Kerygma nennt sie fatumale Anomalien. Für uns sind sie Chancen, den Tod zu überwinden.“
Langsam begriff ich. Es begann Sinn zu ergeben.
„Also reinkarniert ihr in Menschen, die - ohne es selbst zu wissen - nur wenige Augenblicke vom eigenen plötzlichen Tod entfernt sind?“
„Gut aufgepasst“, lobte mich Adam Kadmon. „Das ist nicht unsere Idee und offensichtlich auch nicht die der Schatten. Es ist ein spiritueller Mechanismus, den es schon immer gab und der schon immer gelegentlich Verwendung fand. Im Englischen wird er oft als Walk-In bezeichnet. Es heißt, ein höheres Wesen kann die orientierungslose Seele eines unerwartet Sterbenden retten, indem es sie dem Körper entzieht und ins Jenseits schickt, während das Wesen selbst den Leib des Betroffenen annimmt. Der Trick bei uns ist, dass wir keine höheren Wesen sind und es dennoch können“, fügte er mit einem sarkastischen Lächeln hinzu. „Auf jeden Fall sind wir diskreter. In den alten Tagen zogen viele solcher Körperbegehungen durch höhere Wesen all jene kurzweiligen Freizeitbeschäftigungen des Priesterstands nach sich, wie Exorzismus und Inquisition. Aber auch die Hindus berichten von Walk-Ins, bei denen Götter Besitz von Körpern nahmen. Und stets sind es Sterbende oder gerade Verstorbene, die als Brücke zwischen Jenseits und Diesseits dienen, zwischen dem Hier und dem Dort. Intakte Körper.“
„Wie viele Atemzüge kann man sich da erkaufen?“
„Nicht viele. Ich sagte doch, Apythia ist ein zynisches Miststück. Es sind manchmal nur Sekunden. Wir sprechen von Autounfällen, Schiffsunglücken, Morden. Das volle Programm. Das Gesetz dieses Universums lautet: Information ist alles. Information im Wasser, in der Luft, in unserem Immunsystem, in einem DMT-Molekül“, referierte er und schnipste energisch mit den Fingern, als würde er gerade in einem Werbespot spielen. „Der vorherige Wirt des Körpers hat zumeist keine Ahnung, dass er in wenigen Sekunden stirbt. Du schon. Du hast die eine Information, die er nicht hat. Wende das Unglück ab und der Avatar gehört dir.“
„Und wenn ich es nicht schaffe, den Tod abzuwenden?“
„Dann stirbst du nur Sekunden später wirklich. Keine Aschewerdung, kein Artificium. Einfach nur der Tod. Niemand wird jemals erfahren, dass die letzten Sekunden im Leben des Unfall- oder Gewaltopfers ein anderer seine leibliche Hülle bewohnte. Also wenn es so weit ist, und du die Augen öffnest und die vertraute Welt des Diesseits um dich siehst, fange nicht an zu jauchzen und zu frohlocken, denn es bedeutet nur, dass der Tod ganz nahe ist. Nichts verlangt mehr Aufmerksamkeit, als die Wiederankunft.“
Ich nickte vor mich hin. Es schien, als ob der Tritt ins Leben nicht leichter werden sollte, als der Tritt aus dem Leben hinaus.
„Was geschieht mit den Menschen, deren Körper wir besetzen?“
„Wir wissen es nicht genau. Die naheliegende Annahme ist, dass sie in den natürlichen Kreislauf der Seelen gelangen. Sie werden zu jenen Sternschnuppen, die hier unentwegt über den Himmel driften, zur Spitze des Turms. Wir stehlen ihnen Sekunden oder Minuten ihres Lebens. Wir stehlen ihre Körper. Doch wir ersparen ihnen zumeist das minutenlange Sterben in einem zerfetzten Auto am Rande der Autobahn. Wir ersparen ihnen, in den Lauf einer Schusswaffe zu blicken, mit der ein Mörder ihnen ins Gesicht zielt. Wir können ihnen den Tod nicht ersparen, doch das Sterben durchaus. Und glaube mir, die meisten Menschen fürchten den Tod nicht. Sie fürchten nur das Sterben.“
Bei ihm klang das in der Tat wie eine noble Freizeitbeschäftigung von Philanthropen.
„Mi cuerpo enfermo no resiste más“, klagte Gardel unterdessen von der kleinen Bühne, während seine Finger über den Saiten der Gitarre tanzten..
„Ihr seid also sterblich“, wandte ich ein.
„Natürlich. Jede Ähnlichkeit mit Göttern ist rein zufällig“, erklärte Adam Kadmon und lächelte mich spöttisch an. „Wir sind von Müttern geboren. Richte im Diesseits eine Pistole auf mich, drücke ab, und ich werde verenden, wie jedes andere Tier. Ich werde als ein ahnungsloses Kind wiedergeboren werden und die Linie der Lux Aeterna wird unterbrochen sein.“
„Wer sind dann die Inferni?“
Adam Kadmon sah mich einen Moment lang schweigend an. Seine Augen schienen mich zu durchbohren.
„Die Inferni sind so etwas wie unsere Auftraggeber.“
„Engel sind es offensichtlich nicht...“, wandte ich ein, gewahr der Tatsache, dass seit unserer Ankunft Akhanta und Adam Kadmon alles nur erdenkliche getan hatten, um von den Engeln unentdeckt zu bleiben. Ich hatte schon zuvor begonnen zu ahnen, dass meine einzigen beiden Freunde, die ich in dieser Existenz noch besaß: eine barbusige Projektion und der Anführer einer geheimen Gruppe, beide im Dienste der „bösen Jungs“ waren.
„Einer von ihnen ist durchaus ein Engel. Er ist ihr Anführer. Die anderen sind...“ Er suchte nach dem richtigen Wort während er seinen Blick über die mysteriöse Roger-Dean-Landschaft um uns streifen ließ. „...ich glaube die häufigste Bezeichnung lautet: Dämonen.“
Er hob sein Weinglas. Sein Mundwinkel zuckte belustigt. Carlos Gardel hatte sein Lied beendet, und während die Menschen an den Tischen ihm applaudierten, begann Adam Kadmon, der mich noch immer grinsend anstarrte, eine Melodie durch seine Lippen zu sieben. Nach einigen Takten erkannte ich, dass es „Sympathy for the Devil“ war.
„Auf die Inferni, die Schatten, deren Mission wir in die Welt tragen“, rief er schließlich mit der Verve eines Triumphators. „Die bedingungslose Freiheit des Geistes, die Schönheit im Chaos und das ewige Licht des Wissens. Auf Drogen, orgiastischen Sex und obszöne Kulte. Möge alle Kuttenträger die Syphilis ereilen.“
Er nahm einen Schluck, während ich ihn andächtig beobachtete. Es war kaum möglich, sich dem Charisma von Adam Kadmon zu entziehen. Dass er mich nicht lange zuvor bedroht hatte, spielte keine Rolle, wenn er wollte, dass es keine Rolle spielte.
Der Wein schien ihm zu schmecken, und so lehnte er sich lässig nach hinten und schlug die Beine übereinander.
„Die Menschen deiner Zeit denken, Tango Argentino ist eine sinnliche, erotische Angelegenheit, bei der echte Männer Frauen auf der Tanzfläche das geben, was sie begehren. Das, was sie von ihren Ehemännern nicht kriegen.“
Er sagte das mit einem sarkastischen Tonfall und wandte sich kurz nach hinten, um mit seinem Glas Carlos Gardel zu salutieren. Der Sänger nickte lächelnd zurück, während er an den Wirbeln seiner Gitarre drehte und die Saiten nachstimmte.
„Aber mit der Tanzfläche ist es wie mit dem Jenseits“, fuhr Adam Kadmon fort. „Was du auf die Tanzfläche nicht mitbringst, das findest du dort auch nicht.“
Dann neigte es sich nach vorne und seine Augen wurden zu verschwörerischen Schlitzen.
„Ich erkläre dir mal, was der Tango Argentino wirklich ist. Es geht darum, den Körper wie einen Teebeutel aufgebraucht und ausgelaugt ins Grab zu tragen. Es geht darum, nur im Augenblick zu leben, in der vollkommenen Gegenwart. Auf der Tanzfläche durch das Dickicht der Drogen und Geschlechtskrankheiten zu schleichen wie eine unausgeschlafene Kreatur der Nacht. Keine Sparbücher, keine Rentenversicherung und keine Vorsorge-Darmspiegelung. Nur das Jetzt und der Tod.“
Er lehnte sich wieder zurück und lächelte, bevor er am Weinglas nippte.
„Nicht gerade die Art, wie der Tango in Europa rezipiert wird, nicht wahr?“ flüsterte er mit einem diabolischen Lächeln.
Er begann nun, mir die Prozedur des Beneficiums, der Rückkehr aus dem Jenseits, Schritt für Schritt zu erklären. Es war nicht sehr kompliziert, doch ich war unentwegt durch die Tatsache abgelenkt, dass wir auf einer Brücke über dem Abgrund schwebten, die nur durch seinen Geist erschaffen worden war, und dass unweit von mir ein Sänger in die Gitarrenseiten schlug, der schon vor Jahrzehnten für tot erklärt wurde und... nun ja, dass ich im Jenseits war.
Während Adam Kadmon noch einen Wein zu bestellte, hielt er kurz inne und sah zurück zu den Felsen. Ich folgte misstrauisch seinem Blick, doch entdeckte nichts.
„Wie finde ich euch?“ fragte ich.
Er hob die Augenbrauen.
„Uns finden?“
„Auf der anderen Seite.“
„Traditionellerweise möchten wir gar nicht gefunden werden“, antwortete Adam Kadmon und warf sich eine Handvoll Erdnüsse in den Mund. „Anderseits schulde ich dir etwas, weil ich an dem Felsvorsprung so gemein zu dir war. Wir mögen ruchlos und unbarmherzig sein, doch es bedeutet nicht, dass wir keinen Kodex haben. Wir benutzen neuerdings das Internet und haben eine eigene Webseite. Du weißt schon, diese... Homepages.“
„Ist klar“, entgegnete ich, beinahe leicht amüsiert, und klopfte nervös mit dem Zeigefingerknöchel gegen den Holztisch. „Wie ist die Adresse?“
„Sehr gut. Die Adresse. Ähm.“ Er griff mit der Hand zur Schläfe und überlegte. Die Adresse lautet www.extremgeilehausfrauen.de.
Ich blickte ihn ungläubig an. „Wie bitte?“
„Wie gesagt... Wä-wä-wä - Punkt - extremgeile Hausfrauen - Punkt - Dä-ä.“
Ich nickte verwundert. „Ist das... zusammen oder mit Bindestrichen?“
„Zusammen. Es gab 1999, als wir beide gesprungen sind, ziemlich viele dieser Internet-Cafés - inzwischen werden es noch mehr sein.“
„Was meinst du damit? Ist denn im Diesseits mehr Zeit vergangen als hier?“
„Der Faktor 1:250 ist inzwischen nicht ungewöhnlich und er nimmt zu, je ferner man sich von der Dunklen Stadt aufhält. Das hat mit der Anzahl der Seelen zu tun und mit der Weltbevölkerung im Diesseits. Es werden ja keine neuen Seelen ‚geschaffen’, nur weil sich neuerdings die Menschen wie Karnickel vermehren. Deshalb verändert sich das Zeitverhältnis zwischen Diesseits und Jenseits. Die Seelen im Jenseits haben zunehmend weniger Zeit, im Jenseits Erfahrungen zu verarbeiten und kehren zunehmend schlechter und mangelhafter vorbereitet in das Diesseits zurück. Die Menschen werden viel zu ungeläutert geboren, unreifer und beladen mit Hypotheken. Plötzlich haben kleine Kinder bereits in der Wiege unerklärliche Krankheiten und Allergien. Dieser seelische Zustand macht die Konsumgesellschaft überhaupt erst möglich. Das Oktagon, das hinter den Pharmakonzernen sitzt, verdankt dieser Tatsache seinen Erfolg. Die spirituelle Infantilität des Menschen hängt direkt mit der Demographie zusammen.“ Adam Kadmon wartete schweigend, bis ich dieses „kleine Detail“ verdaut hatte und fuhr dann übergangslos fort. „Also, auf der Webseite kann man nach Kontaktanzeigen suchen. Suche nach dem Wort Reizstrom.“
„Reizstrom“, wiederholte ich ungläubig. „Das ist einfach alles... so unbegreiflich. Es könnte auch ein Traum sein. Eine Droge. Mein Nervensystem reagiert ungünstig auf die Narkose im Krankenhaus...“
Adam Kadmon verzog den Mundwinkel. „Nervensystem. Narkose. Krankenhaus. Ja, das wird’s wohl sein. Wenn dir alles hier zu unglaubwürdig erscheint, dann musst du wohl dem Oktagon glauben. Dann bist du ein Opfer und kannst für nichts dafür. Ein Opfer der Holophrenie. Du phantasierst das alles nur. Diese Tür ist immer offen. Klopfe an und das Oktagon wird dir öffnen. Sie werden dich mehr als gerne in ihre Therapieprogramme aufnehmen.“
Er schob plötzlich den Stuhl beiseite und trat an das Geländer.
„Sie kommen“, sagte er leise und starrte ernst in die Dunkelheit.
„Wer?“ rief ich aus. Ich folgte wieder seinem Blick. Diesmal sah ich sie. Kleine Lichtpunkte am Horizont, die immer größer wurden.
„Aasfresser“, erklärte Kadmon und packte mich an der Schulter. „Ich kann dich vor ihnen nicht beschützen. Im Gegenteil, wenn ich in deiner Nähe bleibe, gefährde ich dich mehr, als wenn du allein wärest. Aber ich kann sie ablenken. Auf meine Fährte locken. Bleib bei Akhanta. Sie kennt hier jeden Stein.“
Dann schwang er sich über das Geländer, während sich im selben Augenblick meine Hände um die Lehne des Stuhls verkrampften.
„Hey!“ rief ich ihm hinterher. „Hey!“
Ich sah zaghaft in den Abgrund, doch Adam Kadmon war verschwunden.
Ich blickte gleichermaßen irritiert und wütend zu Akhanta. Sie kam bereits zielstrebig auf mich zu.
„Er hat es getan! Er hat es...“
„Wir sollten gehen“, meinte Akhanta, ein winziges Stück weniger kaltschnäuzig als bisher. Sie drängte sich an all den tanzenden Aficionados vorbei, packte mich am Ellbogen und zerrte mich über die Tanzfläche. Ich war zu sehr von ihren äußerst einprägsamen Nippeln abgelenkt, um ihr zu folgen.
„Das hier ist ein Irrenhaus“, murmelte ich.
„Da er jetzt weg ist, wird auch seine Imago nicht mehr lange bestehen,“ erklärte sie.
Ich fragte mich einen Augenblick, was das bedeutete. Dann fiel mir ein, dass es unter uns einen guten Kilometer nach unten ging. Ich hörte hinter mir Glas zerbrechen und eine Frau etwas auf Spanisch schimpfen.
Wir stießen unfein einige Menschen beiseite und befanden uns bald wieder auf der schmalen Brücke, die uns diesmal abschüssig auf die andere Seite des Abgrunds führte. Nur kurz machte ich den Fehler, mich umzusehen. Das Spiegelbild des Tango-Argentino-Cafés begann sich bereits aufzulösen, und das Nichts fraß sich langsam in beide Richtungen entlang der Brücke. Es war nicht zu übersehen, dass der Auflösungsprozess deutlich temporeicher vonstattenging, als der Aufbau unter Adam Kadmons Fingern verlaufen war. Verdammter Scherzkeks.
„Schneller!“ zischte Akhanta. Sie rannte bereits auf den letzten Metern der Brücke und ich merkte, dass der Steg unter meinen Füßen immer transparenter wurde. Akhanta sprang voraus und landete auf ihren Füßen. Sie wandte sich sofort um und griff nach meinem Arm, was eine außerordentlich gute Idee war, denn ich trat zu diesem Zeitpunkte bereits in die Luft und war gerade im Begriff, nur einen Meter vor dem Felsmassiv die Reise nach unten anzutreten. Wie ein Pendel schwang ich hin und her, bis sich die Welt um mich langsam wieder beruhigte. Ich spürte den starken Zug ihrer Hand und half so viel ich konnte mit meinen Füßen nach. Schließlich lag ich am Rand des Felsens und starrte konsterniert auf die Seelenstreifen am Jenseitshimmel.
„Wir müssen weiter“, sagte die unermüdliche Kriegerin.
Auf der anderen Seite der Schlucht sah ich noch immer diesen Schwarm aus niedrig fliegenden kühlen Lichtpunkten. Doch sie hatten den Kurs geändert.
Ich rappelte mich hoch und sah sie skeptisch an.
„Ich glaube einfach nicht, dass ich das alles tue“, röchelte ich. „Warum ist alles so ein Riesendrama hier?“
Doch sie hatte sich bereits wieder abgewandt und ging voran.
„Kann man mit dir auch eine kleine Nummer schieben? Hinter einem Felsen?“ rief ich ihr hinterher. „Nicht etwa, dass ich gerade das Bedürfnis danach hätte. Aber etwas Blümchensex mit einer Boris-Vallejo-Schönheit im Jenseits, würde mich bei meinen Kumpels richtig gut aussehen lassen.“ Ich erinnerte mich, dass ich keine Kumpels hatte. Weder vor meinem vermeintlichen Selbstmord, geschweige denn jetzt.
„Oder wir gehen einfach nur“, fuhr ich fort und räusperte mich. Ich sprang auf und stellte fest, dass ich keineswegs erschöpft war. Ich lief ihr hinterher.