Lea sprang von Silberstern und hielt nach dem schwarzen Ritter Ausschau. Da unten lag er, aber er war wohlauf. Sein schwarzer Rappe wieherte und dann preschte er über den Himmel davon. Silberstern nahm die Verfolgung auf. Der Ritter erhob wütend seine Faust gegen Lea und rief: „Das war noch nicht das Ende! Irgendwann werde ich dich vernichten!“ „Jaja“, sprach Lea mit seltsamer Gelassenheit. „Rede du nur. Wie du siehst habe ich dich gerade besiegt. Du hast keine Macht über mich!“ Dann erhob sie sich triumphierend und ging über die steinerne Brücke…, hinein in den magischen Wald der Rabenfrau.
Als sie einige Schritte gegangen war, stand diese auf einmal vor ihr! Sie trug diesmal ein dunkelrotes Gewand, mit schwarzen Einnähern. Ihr schwarzes Haar fing das rare Licht auf wundervolle Weise ein und brachte es zum Glänzen. Eine wundersame Aura umgab sie und sie kam lächelnd auf Lea zu. Diese trug nun nicht mehr ihre Rüstung, sondern ein bequemes, leinenes Kleid in den Farben hellgrün und eierschalen. Es war über der Brust geschürt. Ihr Haar fiel lang und wellig über ihre Schultern, es hatte dieselbe Farbe, wie immer. Nur glänzte es jetzt ebenfalls ganz besonders schön und… auf einmal hatte sie das Gefühl, dass sie selbst von einer ganz ähnlichen Aura umgeben war, wie die Rabenfrau. „Ich bin sehr stolz auf dich!“ sprach diese nun zu Lea. „Du hast den schwarzen Ritter besiegt und damit den Weg frei gemacht, zu deiner inneren Magie. Noch ist der Ritter zwar präsent, aber er hat an Macht verloren und dies wird nun immer mehr geschehen, wenn du anfängst wahrlich auf deine magischen Kräfte zu vertrauen.“ „Aber… ich habe keine magischen Kräfte“, wollte Lea protestieren. Doch sogleich korrigierte sie sich. Hatte sie tatsächlich keine magischen Kräfte? Woher konnte man das so genau wissen? Sie dachte an all die Dinge, die sie in letzter Zeit erlebt hatte und musste sich eingestehen, dass diese wirklich etwas Magisches an sich hatten.
Die Rabenfrau streckte ihr die Hand entgegen und meinte: „Willst du mich ein wenig begleiten? Ich kann dir vieles zeigen.“ „Wenn du meinst.“ Sie folgte der Rabenfrau in den geheimnisvollen Wald. Alles wirkte nun noch verzauberter, als zu Beginn. Als hätte sich Leas Bewusstsein nochmals erweitert, seit dem Kampf. Sie konnte nun die leuchtende Aura jeder Pflanze und jedes Pilzes sehen. Es war ein phosphoreszierendes Leuchten, manchmal rosa, manchmal hellblau, manchmal golden. Die Rabenfrau legte ihre Hand auf den Stamm eines knorrigen Baumes und dieser begann unter ihrer Berührung aufzuleuchten.
„Alles hier lebt, alles hat seinen Geist, Pflanzen und Tiere. Die Menschen sind nicht die einzigen Geschöpfe mit einer Seele. Doch viele erkennen das nicht mehr, sie erkennen nicht, welcher Segen uns die Natur geben könnte, wenn sie im Einklang mit ihr leben würden. Es ist eine wundervolle Schöpfung, durchdrungen von Energie, von pulsierender Kraft. Du kannst dich mit dieser Kraft verbinden und das tust du eigentlich auch schon eine ganze Weile. Durch deine 1. Reise in die Zwischenwelt, hast du das erkannt, du hast erkannt, dass es da noch mehr gibt und dass du Kraft aus vielem ziehen kannst, eben auch aus der Natur. Du hast gelernt, dich mit einigen deiner inneren Helfer zu verbinden und angefangen deinen Dämonen wahrlich ins Auge zu sehen. Dadurch wirst du wundervolles Wachstum erleben. Nur schon die Erkenntnis darum, dass da irgendwo in dir diese gewaltigen, magischen Kräfte sind, hilft dir mehr und mehr zu überwinden und selbst zu einem Quell aus Licht und Kraft zu werden. Auch für dich selbst. Für dich selbst vielleicht sogar zuallererst!“ Sie blieb stehen und schaute Lea eindringlich an. „Es ist sehr wichtig, dass du dir deines Wertes mehr und mehr bewusst wirst Lea! Glaube an dich selbst, glaube an deine Kräfte und du wirst feststellen, dass sie dir mehr und mehr zur Verfügung stehen werden!“ Die Frau nickte etwas betrübt und sprach: „Wenn ich nur an all das auch wahrlich glauben könnte, liebe Rabenfrau. Ich zweifle oft sehr daran, auch an diesen Kräften. Ich lasse mich noch so schnell verunsichern, von irgendwelchen Leuten, Umständen, Dämonen. Ich bin eigentlich gar nicht würdig hier bei dir zu sein, weil du so eine gewaltige Macht, eine Magie besitzt, welche mir wohl nie wahrlich zugänglich sein wird…“ Lea hielt inne. Sie hörte auf einmal wieder das schwarze Pferd wiehern. Es klang für sie ziemlich schauderhaft und sie fühlte Gänsehaut über ihren Körper rieseln. „Siehst du, das Reittier von dem schwarzen Ritter ist ganz in der Nähe, da kann er auch nicht weit sein“, sprach sie mit zitternder Stimme. „Ich habe ihn zwar besiegt, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es das noch nicht war.“ „Weil er ein ziemlich hartnäckiger Dämon ist Lea“, gab die Rabenfrau gleichmütig zurück. „Mach ihn zu deinem Verbündeten und er wird dir eine grosse Hilfe sein.“ „Zu meinem Verbündeten machen?“ rief Lea entsetzt aus. „Nein das geht auf keinen Fall! Er ist viel zu gefährlich.“ „Das hast du schon mal gesagt, erinnerst du dich noch? Damals bei dem Tentakelmonster?“ „Ja, aber das hier ist wieder anders, ausserdem war es damals das Kind, welches das Monster gezähmt hat.“ „Dieses Kind existiert immer noch Lea, es ist nun immer bei dir. Es war ein verlorener Teil von dir, den du wiedergefunden hast. Zweifle nicht immer daran, zweifle nicht an dem was dir immer wieder offenbart wird! Es ist meine Aufgabe, dir bei der Entdeckung und Erweckung deiner inneren Kraft zu helfen. Denn IN dir ist die Kraft, vergiss das nicht! Sonst wäre ich gar nicht hier. Und…“ sie hielt auf einmal lauschend inne, als sie erneut den Rappen wiehern hörten.
„ Du hast Recht, das Reittier der Ritters ist wirklich ganz in der Nähe, genaugenommen sogar bei meinem Haus!“ Sie wirkte nun auch leicht erschrocken und verschnellerte ihren Schritt um nachzusehen.Als sie jedoch auf der kleinen Lichtung ankamen, wo sich das Heim der Rabenfrau befand, bot sich ihnen ein seltsames Bild.
7. Kapitel
Das abtrünnige, schwarze Pferd/ Silbermond
Silberstern war da, seine Flügel waren verschwunden. Bei ihm befand sind noch ein süsses, kleines Fohlen, ebenfalls schneeweiss, das übermütig herumtänzelte und der Rappe, nun ebenfalls wieder ohne Flügel, spielte mit den beiden. Der schwarze Ritter, war jedoch weit und breit nicht zu sehen. „Das ist ja seltsam!“ sprach Lea und irgendwie erfüllte sie auf einmal eine seltsame Freude. „Das schwarze Pferd scheint sich mit meinem Silberstern angefreundet zu haben. Sie verstehen sich erstaunlich gut.“ „Dem müssen wir näher auf den Grund gehen“, meinte die Rabenfrau und ging mutig und entschlossen auf die Pferde zu. Sogleich versammelten sich die 6 Raben laut krächzend um sie, um sie zu schützen. Sie kreisten in engen Runden über den drei Pferden und musterten den Rappen mit ihren aufgeweckten, schwarzen Augen.
Lea fürchtete sich irgendwie ziemlich und wollte sich dem schwarzen Pferd sehr ungern nähern. Doch die Entschlossenheit der Rabenfrau half ihr ihre Angst ein wenig ich Schach zu halten. Diese ging nun zu dem schwarzen Pferd hin, das nervös tänzelte und schnaubte. Die streckte langsam ihre Hand aus und berührte das wunderschöne, schwarze Fell, welches nun jedoch vor Schweiss glänzte. Die Flanken der Rappen erzitterten kurz unter ihrer sanften Berührung. Die Rabenfrau flüsterte leise, beschwichtigende Worte und schliesslich beruhigte sich das Pferd ganz. Silberstern und das kleine Fohlen, trotteten nun auch näher heran und Silberstern sprach: „Das Pferd des Ritters, ist von selbst zu uns gekommen. Er wollte nicht mehr zu seinem alten Meister zurück…“ „Tatsächlich?“ Die Rabenfrau musterte den Rappen interessiert und ihr Blick schweifte dann zu Lea herüber. „Eine wirklich interessante Wendung mein Kind, alle Achtung!“ Lea war total durcheinander und blickte immer noch ängstlich auf das einst gegnerische Pferd. „Aber…“ wendete sie ein „das könnte auch eine Falle sein.“ „Ganz bestimmt nicht!“ erwiderter nun der Rappe auf einmal selbst. Er konnte also auch sprechen. Lea sah ihm in die Augen, sie waren nun von wunderschönem Braun, nicht mehr so rotglühend und es schien wirklich, als hätte sich etwas verändert. „Aber… warum?“ brachte sie mit Mühe über ihre Lippen. Ihr Mund wirkte sich plötzlich trocken an. „Weil er zu böse ist, ich mag ihn nicht mehr. Er quält dich schon so lange, ich helfe ihm nicht mehr dabei, “ erwiderte der Rappe. „ Du hast es verdient endlich zur Ruhe zu kommen. Mein alter Meister will das verhindern und darum kehre ich nicht zurück. Darf ich bei euch bleiben?“ wandte er sich nun an die Rabenfrau. „Aber natürlich!“ rief diese erfreut aus. „Wir rechnen dir hoch an, dass du diese Entscheidung getroffen hast!“ „Wir haben uns schon angefreundet“, sprach Silberstern freundlich. „Mein Sohn Silbermond hat auch Freude an Blackfeet.“ Blackfeet… eigentlich gefiel Lea dieser Name. „Ja, wenn du uns keinen Ärger machst, kannst du sicher bleiben,“ meinte sie schliesslich. „Blackfeet…“ „Du wirst es nicht bereuen!“ versicherte ihr der Rappe.
„Da habe ich aber auch noch ein Wörtchen mitzureden!“ erklang auf einmal eine düstere, Lea nur allzu bekannte Stimme. Es war der schwarze Ritter. Noch immer in seiner schwarzen Rüstung, mit einem schwarzen Mantel bekleidet, welcher dafür dass nur so ein laues Lüftchen wehte ziemlich stark flatterte. Wieder spürte Lea die unselige Präsenz des Dämons, die ihr entgegenschlug, wie eine dunkle Aura und sie begann unmerklich zu zittern. Dennoch versuchte sie ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. „Ich… glaube nicht… dass du da viel zu sagen hast. Dein Pferd will nicht mehr zu dir zurückkehren, du bist sogar ihm zu böse und zu verderblich geworden.“ Sie richtete sich entschlossen auf und stellte mit Erstaunen fest, dass der Ritter nun nicht mal mehr grösser als sie war. Er schien geschrumpft zu sein und der Verlust seines Pferdes, hatte ihn merklich geschwächt. Plötzlich fürchtete sie sich viel weniger vor ihm. „Du bist selbst Schuld, wenn du mir immer schaden willst. Es ginge doch eigentlich anders, aber du begreifst es wohl noch immer nicht.“ „Ich Augenblick… will ich einfach mein Reittier zurück!“ erwiderte der Ritter kalt und zornerfüllt. „Rückt es raus! Sonst werdet ihr es noch bereuen!...