Der Kreuzzug des Ritter Franz
Zur höheren Ehre Gottes
Das Feuer war schon ziemlich niedergebrannt. Ritter Franz blickte stumm in die Flammen, dann auf die Sterne des Himmels. Er haderte mit sich und seiner Situation: Warum hatte er sich nur auf diese Reise, auf diesen Handel eingelassen? Warum hatte er es nicht geschafft, sich diesem jungen Pater zu widersetzen? Er dachte noch einmal nach wie er in diese Lage gekommen war und ob es nicht doch noch einen ehrenhaften Ausweg gab. Vor ziemlich genau einem Jahr war der alte Pater Friedemund gestorben und Helfrich der Abt des nahen Klosters schickte ihm, wohlmeinend wie er war, diesen tüchtigen und frommen jungen Mönch Gottmund von Ainfalt auf seine Burg. Von da an waren die ruhigen Zeiten vorbei. Kein Braten am Freitag mehr, keine Messe, keine Andacht die nicht des Ritters Anwesenheit erforderte. Und wie viele Fastentage auf einmal eingehalten werden mussten. Und dann die ständigen Predigten, die täglichen Ermahnungen was nicht alles die Seele ins Fegefeuer treiben würde. Der Ritter Franz von Wingart zu Hopfenstein hatte seine allerbesten Jahre schon hinter sich und wollte, nachdem er den schmerzlichen Verlust seiner Burgfrau überwunden hatte und seine liebreizende Tochter nun an einen edlen Burgherren verheiratet war, eigentlich noch einmal von der Schönheit von Gottes so wunderbarer Schöpfung kosten - aber dieser junge Priester ließ ihm keine Ruhe. Jeden Tag warnte er ihn vor der Sünde die hinter jeder Ecke lauerte und mahnte ihn, in sich zu gehen, zu bereuen und nach seinen verborgenen Lüsten zu forschen um diesen zu entsagen, bevor sie an die Oberfläche drangen. Und da musste er gar nicht lange suchen.
Eines Tages kam ein Wanderprediger auf die Burg und erzählte ihm und dem Priester von der edlen Pflicht des christlichen Rittersmanns, ja jeden echten Christenmanns, in das Heilige Land zu ziehen um dieses von den Ungläubigen zu befreien, welche die frommen Christen und Pilger davon abhielten die heiligen Stätten, die Stationen des Lebens Jesu zu besuchen. Und was diese Ungläubigen nicht alles an Mord- und Schandtaten begingen, vom Teufel gesandt die Stärke der Christenheit zu prüfen! Der Ritter hörte interessiert zu, was sich in der Welt alles zutrug und dass Tausende frommer Ritter sich aufmachten um dem Hilferuf des Papstes für das Heilige Land zu folgen. So interessant sich dessen Erzählungen zuerst anhörten, so unangenehme Konsequenzen hatten sie für den Ritter, denn nun drängte ihn der Priester jeden Tag ins Heilige Land zu ziehen, für die Sache Gottes zu kämpfen und sein Seelenheil zu retten. Kämpfen? Ein tapferer Ritter musste kämpfen, das war seine Berufung, das war sein Recht und seine göttliche Pflicht. Und ja, er war in seinen frühen Jahren schon einmal mit den Herzog gezogen und er bedauerte es sein Leben lang, dass ihn ein weher Zahn dann von der großen Schlacht abhielt und ja, er focht Turniere und er hatte nicht jedes verloren. Aber nun? Es war für ihn nicht mehr die Zeit zu kämpfen. Natürlich hätte er dem jungen Priester widersprechen oder ihn gar von der Burg jagen können – aber wer war er um sich dem Willen Gottes zu widersetzen. Außerdem hatte Gottmund eine Sprachgewalt und Gewissheit in seinen Worten, denen der Ritter nichts entgegenzusetzen hatte und schließlich dieses Blitzen in seinen Augen wenn er vom Himmelreich sprach – oder der ewigen Verdamnis. Andererseits, so dachte er, würde er nun tatsächlich ins Heilige Land ziehen, hätte er endlich Ruhe vor Gottmund und vielleicht gab es unterwegs auch guten Wein und freundliche Gasthäuser. Vielleicht gab es dort ja sogar Ruhm oder Beute für ihn zu holen? Schließlich war es nicht leicht die Mittel aufzubringen um die Burg instand zu halten und sein Gesinde zu versorgen.
Als Gottmund nach dem Tischgebet, wieder einmal anhob um über die Allgegenwart der Sünde zu sprechen erhob sich Franz und sprach: „Halt, ich werde fahren! Ich werde ins Heilige Land ziehen um für Gottes Sache ... äh, zu kämpfen!“ Kaum hatte er die Worte gesprochen, da bereute er sie schon wieder aber Gottmund lächelte verzückt und antwortete: „Ritter Franz, ich wusste es, ihr seid ein wahrer Streiter für Gottes Sache! Welch edler frommer Mann, welch braver Ritter ihr seid! Der Stolz und die Wünsche unseres ganzen Landes werden mit euch ziehen! Ich werde eine Messe für eure Seele halten.“ Ritter Franz erbleichte und setzte sich wieder, er stammelte nur „Ja, für Gottes Sache ist mir nichts zu schwer!“
Am Abend trank er zwei große Becher voll mit Wein, rief dann sein Gesinde zusammen und sprach: „Meine lieben Leute, meine treuen …ehm, ich habe euch eine sehr freudige Mitteilung zu machen: Ich ziehe ins Heilige Land um, …um dort für Gottes Sache zu kämpfen und das Land vor den Ungläubigen zu schützen.“ Betretenes Schweigen trat ein und nur die einfältigen Brüder Strebhart und Lentfrid taten ihrer Freude Ausdruck und riefen „Hoch Ritter Franz von Wingart! Ein Hoch für Gottes Sache!“
Ritter Franz sprach weiter: „Mein Knappe Edelbert von Folschlaghausen und mein Zeugmeister Feistbard werden mit mir ziehen!“ Edelbert entgleisten die Gesichtszüge und er dachte daran, den jungen Novizen, der zur Zeit bei Gottmund von Ainfalt half, nie mehr wieder zu sehen, der Zeugmeister hingegen dachte an sein zänkisches Weib und sprach gefasst: „So es wohl Gottes Wille ist“. „Ich brauche noch drei Waffenknechte und einen Burschen, die ebenfalls mit uns ziehen!“ Strebhart und Lentfrid riefen „Lasst uns mit euch ziehen und für Gott kämpfen!“ Ritter Franz rechnete mit dieser Meldung und so konnte er es vermeiden, die Fassung zu verlieren denn er fürchtete, dass die beiden ihm bei dieser Reise wohl kaum eine Hilfe sein würden, aber er hatte keinen guten Grund sie abzulehnen. Ein dritter Knecht war im ernsthaften Schwigmunt bald gefunden und als Burschen wählten sie einen fähigen wie pfiffigen Bauernsohn mit dem Namen Denkhart der sich seit einigen Jahren an der Burg verdingte. Die Vorbereitungen zur Abreise nahmen noch viele Wochen in Anspruch. Die Ausrüstung musste ausgebessert und die Vorräte ordentlich zusammengestellt werden, geeignete Pferde und Packtiere mussten ausgewählt oder besorgt werden. Es mussten Erkundigungen über die Route eingeholt werden, der Ritter besorgte einen Schutzbrief seines Fürsten um sein Lehen für die Zeit seiner Abwesenheit sicher zu wissen, die Verwaltung der Burg und der Ländereien musste geregelt werden. Ob er diese in Gottmunds Hände übertragen konnte? Zumindest war dieser gottesfürchtig und würde ihn sicher nicht hintergehen. Schließlich musste die Rüstung des Ritters erweitert und angepasst werden, denn offensichtlich war diese im Laufe der Jahre zu eng geworden. Während auf der ganzen Burg eine angespannte, fast nervöse Stimmung herrschte, war Gottmund gelöst, ja wirkte fast euphorisch, lobte den Ritter bei jeder Gelegenheit und sprach ständig seinen Segen über ihn und die Mitglieder der Reisegesellschaft.
Franz starrte in die Glut, er konnte nicht zurückkehren ohne völlig sein Gesicht zu verlieren und auch wenn er Gottmund nicht mochte – er wollte, er konnte ihn nicht so enttäuschen.