Lautlos schloss Ria das kleine Dachfenster durch das sie wenige Momente zuvor eingestiegen war und sperrte die kühle Nachtluft aus. Sie befand sich in einer kleinen Kammer, in der lediglich Platz für eine handvoll Besen und getrocknete Kräuter war, die in dicken Bündeln von dem Dachbalken hingen auf dem Ria hockte. Er knarrte als sie sich aufrichtet und sich nach unten auf den staubigen Boden fallen ließ. Die einzige Lichtquelle war der breite Lichtstreifen, der durch den Spalt der Tür drang.
Ria lauschte einen Moment bevor sie sie öffnete und hinaus in den nächsten Raum schlüpfte, der von ein paar Kerzen, die auf dem Boden und Möbelstücken verteilt standen, beleuchtet wurde. Ein paar von der Zeit verschlissene Kissen und die bunten Decken waren das Einzige was dem ansonsten schmucklosen Raum ein wenig Wohnlichkeit gab, denn die schmalen Betten oder die milchigen Spiegel hätten ebenso gut in ein Feldlazarett gepasst.
Verwirrt ging Ria ein paar Schritte in den trüben Raum, keine einzige Dienstbotenunterkunft die sie betreten hatte war jemals so trist und unpersönlich gewesen. Üblicherweise versuchten die Dienstboten ihr kleines Reich so gemütlich und einladend einzurichten wie es ihnen nur möglich war, doch hier …? Die wenigen Fußspuren die sie noch in der dicken Staubschicht erkennen konnte waren schon so alt, dass sie selbst schon fast unter neuem Staub verschwanden.
Ein heiteres Auflachen riss Ria aus ihren Gedanken und ließ sie wieder aufhorchen. Sie warf noch einen letzten Blick in den eigenartigen Raum, verschob die Frage nach seinem Verwendungszweck auf später und schlich auf leisen Sohlen zu der Bodenluke. Sie quietschte leise als Ria sie einen Spalt aufzog, hinunter blickte und sich nach ein paar Sekunden gespanntem Lauschens hindurch gleiten ließ. Wachsam blickte sie sich in dem Flur um, der schon eher nach einem Raum im Hause eines Adligen aussah. Langer gerade Gang, mit polierten Holzdielen, einem dünnen Teppich, der Rias Landung gedämpft hatte und Feuerschalen an den reich bemalten Wänden.
Ein erneuten Auflachen und eine zweite, tiefere Stimme ließen sie aufspringen und sich in einem der Zimmer verstecken. Laternenlicht beleuchtete den Raum, die Wände waren gesäumt von hohen Bücherregalen und auf einem langen Tisch neben der Tür lagen dutzende Karten, Zirkel, Flaschen und andere Dinge verstreut, die Ria nicht auf den ersten Blick erkannte. Die Fensterseite des Raumes wurde von einem dunklen, massiven Schreibtisch dominiert, dessen Arbeitsfläche unter einer Schicht Papier und Pergament verborgen war und einer Gruppe von Stühlen, die sich eng um einen runden Beistelltisch drängten.
Rias Sinne, die sie normalerweise soweit unterdrückte wie es ging, lagen blank und sie konnte hören wie drei Personen sich der Treppe am Ende des Flures näherten. Reflexartig schaute sie sich erneut im Zimmer um, bis ihr Blick schließlich an der Decke und dem langem Tisch hängen blieb. Sofort stand sie vor ihm und griff mit einer Hand an die kleine Tasche an ihrem unteren Rücken während sie mit der anderen nach der halbleeren Flasche griff, die dort ordentlich auf einem Tablett mit ein paar gestapelten Gläsern präsentiert stand.
Die Schritte von draußen klangen durch das Treppenholz hohl und wurden mit mit jedem Schritt lauter.
Ria zog die drei Glasphiolen aus der Tasche, eine war gelbgold, die andere milchig weiß und die letzte dunkelblau mit einem silbernen Schimmer. Nach kurzem Zögern, welches sie kostbare Sekunden kostete, zog sie von der ersten Phiole den Deckel ab und gab behutsam ein paar Tropfen in die Flasche, bevor sie sie wieder verschloss.
Die Tür öffnete sich in dem Moment als Ria ihre Beine nach oben zog und sich in das Balkengewirr über dem Arbeitszimmer rettete. Die Laternen die von den Streben herabhingen verwandelten den Bereich über ihnen in ein chaotisches Gewirr aus Licht und absoluter Dunkelheit. Rias Gewicht brachte den Balken zum knarren als sie sich einen Streben höher zog, um in einer schattigen Ecke zu verschwinden. Die Dunkelheit legte sich über sie wie eine zweite Haut, als sie hockend ihre Fingernägel in das harte Holz grub und die Szenerie unter sich beobachtete.
Als erster betrat Zerian von Abal den Raum, sein silbriges Haar reflektierte das Licht der Laternen und er wandte sich breit lächelnd den beiden anderen zu. Der Mann der als nächstes über die Schwelle trat erwiderte das Lächeln wobei sich seine weißen Zähne deutlich von der fast schwarzen Haut abhoben und schlug Zerian freundschaftlich auf die Schulter während er sich an ihm vorbei in den Raum schob. Nachdem eine große, schlanke, fast schon abgemagerte Frau das Zimmer betreten hatte, schloss Zerian hinter ihnen die Tür und wies einladend auf die Sitzgruppe.
Die Frau ließ sich sogleich mit einem kleinen Hickser in die weichen Kissen fallen und legte den Kopf mit geschlossenen Augen, breit lächelnd in den Nacken, wobei ihr Gesicht nur noch aus Zähnen und rosa Zahnfleisch zu bestehen schien. Der Geruch von Schnaps wehte bis zur Zimmerdecke und brannte Ria in der Nase.
Zerian ließ sich würdevoll neben ihr nieder, während der andere Mann, Ria schätzte ihn auf Ende 50, die Gegenstände auf dem langen Tisch neben der Tür studierte. Seine Hände fuhren über eine Karte Kronlands und fuhren die Linien des Raham-Gebirges nach und erstarrten über der Kronstadt.
„Ogban, komm und setz dich!“ rief Zerian seinem Freund zu und wies erneut auf den freien Stuhl neben sich.
Der Mann, Ogban, erhob grinsend den Zeigefinger und griff mit der freien Hand nach der halbleeren Flasche auf dem Tablett.
Ria beute sich tiefer über den Balken und beobachtete die Geschehnisse triumphierend. Ein oder zwei Tote mehr, würden ihr nicht zum Verhängnis werden.
„Willst du uns nichts zu trinken anbieten, mein alter Freund? Wo bleiben denn nur deine Manieren?“ Ogban hielt die Flasche hoch und schlenderte auf die Sitzgruppe zu. Zerian griff nach der Flasche noch ehe sein Freund sie der hageren Frau in die ausgestreckten Hände drücken konnte.
„Ich denke du hattest genug, meine Liebe?“ Er warf der Frau einen zugleich prüfenden und liebevollen Blick zu, der die aufwallende Wut in ihrem Gesicht im Keim erstickte. Mit einem lauten Seufzer legte sie wieder den Kopf in den Nacken und kicherte.
Ogban ließ sich neben ihr nieder und streckte nun seinerseits fordernd die Hand nach der Flasche aus.
„Einen Schluck! Nur einen Schluck mein guter, guter Freund!“
„Wie könnte ich solch Schmeicheleien widerstehen? Noch dazu an einem solchen Tag“, erwiderte Zerian und gab die Flasche an Ogban weiter der einen kräftigen Schluck nahm und sie nun Zerian anbot.
„Ich denke ich hatte auch genug, morgen ist ein wichtiger Tag, du weißt ja.“
„Du willst einen Freund allein trinken lassen?“ Ogban griff sich schockiert an die Brust.
„Du hast heute viel getrunken, doch sicher nicht allein!“, lachte Zerian und warf der Frau neben sich einen Blick zu. Sie hatte aufgehört zu kichern, stattdessen schnarchte sie.
„Aber im Moment trinke ich allein, deswegen frage ich erneut: Du willst einen Freund allein trinken lassen?“ Ogban hielt Zerian erneut die Flasche entgegen, der sie mit einem Kopfschütteln annahm und einen kräftigen Schluck nahm.
Ria grinste noch breiter.
„Wie könnte ich einer solchen Logik widersprechen?“
Ogban brach in lautes Gelächter aus und Zerian stimmte mit tränenden Augen mit ein. Als beide sich wieder im Griff hatten umfasste er mit kräftigen Griff den Arm seines Freundes und seufzte schwer.
„Morgen ist ein wichtiger Tag.“
Ogban verdrehte die Augen und ließ sich tiefer in die Kissen sinken, „Du willst uns jetzt schon rauswerfen?“
Zerian zuckte nur mit den Schultern und lächelte matt.
„Morgen ist ein wichtiger Tag.“ Er flüsterte es erneut, scheinbar mehr zu sich selbst als zu seinem Freund, der sich bereits schwankend erhob.
„Bleib nur sitzen, wir finden den Weg raus schon allein.“
„Sicher? Was ist mit Emilia? Soll ich nicht einen meiner Diener wecken lassen, der dir hilft sie hinaus zu tragen?“
Ogban warf Zerian einen fast schon beleidigten Blick zu, „Ich bin bereits durch die gesamte Wüste Thale gewandert, da werde ich doch mit einem Hungerhaken wie ihr noch nach Hause kommen!“
Zerian hob abwehrend die Hände und stöhnte als er seinem Freund half die schlafende, wie Ria vermutete ohnmächtige, Emilia auf dessen breite Schultern zu hieven und ihnen die Tür aufhielt.
Als seine Besucher den Raum verlassen hatte, kehrte er zu der Sitzgruppe zurück und griff erneut nach der Flasche, um sie lächelnd zu betrachten. Langsam schlenderte er durch den Raum, ergriff eines der Gläser und ließ sich schließlich an seinem Schreibtisch nieder, um Gedankenverloren sein Glas zu schwenken und mit dem Daumen über das schon ausgefranste Etikett der Flasche zu reiben.
Aus dem Treppenhaus war noch kurze Zeit lautes Poltern und leises Fluchen zu hören, dass ihn zum Lächeln brachte, aber nach einiger Zeit kehrte Ruhe ein.
Ria hatte die Geschehnisse beobachtet und ihr war ein Stein von der Größe eines ganzen Gebirges vom Herzen gefallen, als der Adlige mit nur einem Schluck sein Todesurteil unterschrieben hatte, doch nun begann sie in ihrer Schattentarnung zu frösteln und wurde zunehmend ungeduldiger, da ihre Muskeln in der unbequemen Haltung verkrampften und Zerian keine Anstalten machte sich schlafen zu legen und ihr damit die Gelegenheit gab zu verschwinden.
Sachte ließ sie sich aus der Hocke auf die Knie sinken, um wenigstens die nächste Zeit nicht vollkommen zu verspannen, doch das Knarren des Balkens ließ sie zusammenzucken und in der Bewegung erstarren. Ein schneller Blick auf Zerian unter ihr zerstörte ihre Hoffnungen, dass er es nicht gehört hatte.
Auch er saß wie erstarrt mit geschlossenen Augen da. Langsam öffnete er erneut die Augen während Ria eine Hand aus der verkrampften Haltung löste und nach ihrem Langdolch tastete. Sie umfasste das Heft und zog die Schatten noch enger um sich. Zerian rührte sich noch immer nicht, nur sein Blick wanderte leer durch den Raum, bis er an dem langen Tisch mit den verschiedensten Gegenständen hängen blieb.
Ria hatte nicht einmal bemerkt, dass sie den Atem angehalten hatte, bis sich Zerian erhob und zu dem langen Tisch ging. Lautlos atmete sie auf und entspannte sich ein wenig.
Zerian stützte sich auf die Tischkante ab und sein Kopf sank entmutigt an seine Brust.
„Hätte es einen Sinn sich zu wehren?“ fragte er plötzlich in die Stille hinein und brachte damit Ria erneut zum erstarren.
Er wartete einen Moment bevor er wieder den Kopf hob.
„Hätte es einen Sinn sich gegen Euch zu wehren, Makeii?“
Es war als hätte man Ria den Boden unter den Füßen weggezogen, so schockiert war sie und das Blut wich ihr mit einem Mal aus dem Gesicht.
Hat er etwas Makeii gesagt? Hat er … Nein das kann er nicht gesagt haben. Ich bin unsichtbar, und alte Holzbalken knarren nun mal. Nichts hat auf mich hingedeutet, oder doch?
„Mach es mir nicht noch schwerer! Foltere mich nicht durch warten!“ Zerian schlug mit der Faust auf den Tisch sodass die Gläser klirrten.
Ria straffte die Schultern und stand mit einem Ruck auf, wobei der Balken erneut knirschte.
Erkennen, Akzeptieren und Anpassen. Die Regeln der Institution bei unerwarteten Wendungen während einer Mission waren einfach.
Sie machte einen Schritt nach vorne in die Leere und kam geräuschlos hinter Zerian auf dem Boden auf. Sie zog ihren Dolch und ließ die Schatten los, ihre Haut kribbelte als sie begann langsam wieder warm zu werden.
„Es ist zu spät um sich zu wehren“, antwortete Ria leise und wahrheitsgemäß. Und betrachtete den Adligen, der die Welt laut der Institution in Aufruhr bringen würde, aus der Nähe. Er zitterte und bei ihrer Stimmer drehte er sich schlagartig um. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und in seinen Augen konnte sie die nackte Angst erkennen. Auch er betrachtete sie und schloss mit zitternder Lippe die Augen. Als er sie wieder öffnete straffte er seine Schultern und richtete sich zu voller Größe auf. Die Angst war Resignation gewichen und er nickte ihr knapp zu.
„Ich ...“, seine Stimme klang wie das Krächzen eines Raben und er räusperte sich, „Ich wusste das ihr kommen würdet.“ Er erwiderte ihren Blick furchtlos. Jede Sekunde gewann er an Selbstsicherheit zurück, bis ihm sogar fast ein Lächeln gelang.
Ria legte den Kopf schräg, betrachtete den alten Mann und konnte sich eine gewisse Bewunderung nicht verwehren.
„Dafür habt ihr aber wenig Vorkehrungen getroffen.“
„Hätten denn mehr Wachen einen Unterschied gemacht?“
„Sie hätten es schwerer gemacht. Wollt ihr auch nicht um Hilfe rufen?“
„Ihr würdet jeden töten den ich rufen könnte.“
„Wahrscheinlich.“
Zerian nickte und setzte sich an seinen Schreibtisch.
„Ihr werdet mich also töten?“ Seine Stimme zitterte trotz seiner aufrichten Haltung. Ria machte ein paar Schritte auf ihn zu, wodurch Zerian zusammenzuckte. Sie bleib erst stehen, als nur noch der breite Tisch zwischen ihnen stand und strich mit dem Zeigefinger liebkosend über den Flaschenhals.
„Ich hab es schon getan.“
Zerian erbleichte und griff nach der Flasche.
„Ogban“, hauchte er und warf Ria einen hoffnungslosen Blick zu. Ria nickte bestätigend und warf einen schnellen Blick zu der Sitzgruppe hinüber, an der kurze Zeit zuvor noch Ogban und Emilia gesessen hatten.
Die ganze Situation beunruhigte sie, sie stand hier, direkt vor ihrem Zielobjekt, dass sich geschlagen ihrem Todesurteil unterworfen hatte und noch mehr beunruhigte sie der Stich in ihrer Brust wenn sie über Ogbans Tod nachdachte.
„Es tut mir Leid“, antwortete sie, erstaunt und schockiert über ihre eigene Worte.
Zerian betrachtete sie forschend aus seinen tieftraurigen Augen und nickte schließlich bedächtig bevor er auf die Flache zwischen ihnen deutete.
„Diesen Wein hab ich bereits vor vielen Jahren geschenkt bekommen und ihn nur zu besonderen Anlässen getrunken. Ein kleines Glas nach dem Tod meiner geliebten Frau, einen Schluck bei der Geburt meiner Nichte … und heute vor der Hochzeit meines besten und engsten Freundes Ogban al Thali.“ Eine einsame Träne schimmerte auf Zerians Wange.
Ria atmete tief ein und schluckte eine erneute Entschuldigung hinunter. Stattdessen ließ sie ihre Stimme bei ihren nächsten Worten hart werden: „Warum erzählt ihr mir diese kleine rührende Geschichte?“
Zerian lächelte mitleidig: „Ich erzähle Euch diese kleine Geschichte, weil ich möchte, dass ihr diesen Moment nie vergesst und Eure Position überdenkt. Ich kenne die Institution schon sehr lange mein Kind, ich kenne die Art Deinesgleichen in ihr kleines Spiel zu integrieren.
All diese Kinder! Diese geraubten Kinder, denen man nicht einmal die Erinnerung an Unschuld oder Moral lässt. Die man zu einem Leben voller Gewalt verdammt und sie in Werkzeuge verwandelt.
Sagt mir Makeii, weshalb tötet ihr mich? Weshalb habt ihr meinen Freund getötet?“
Ria zuckte bei seinen Worten beinah zusammen, am liebsten wäre sie zurückgewichen, irgendwohin wo sie nicht mit ihrem Opfer, mit ihrem Zielobjekt, über Dinge diskutieren musste, über die niemand wissen oder sprechen sollte. Stattdessen lehnte sie sich vor und stützte sich auf der Tischplatte ab.
„Meine Position?“, fragte sie so kalt wie sie nur konnte, „Was wisst ihr über meine Position? Was wisst ihr über die Institution oder das was Richtig oder Falsch ist? Es steht mir nicht zu über solche Fragen zu urteilen, und euch noch weitaus weniger. Ihr fragt weshalb ich euch töte? Weshalb die Institution mit Euch ihre Zeit verschwendet? Weil ihr genau solche Fragen stellt und über Dinge sprecht ohne zu bedenken welch Lawinen aus Leid ihr damit auslöst. Ihr denkt nicht nach bevor ihr sprecht, und noch viel weniger bevor ihr handelt!“ Ria hätte diesem Mann am liebsten ihren Dolch in den Leib gerammt, wie konnte sie ihn zuvor noch bewundert haben. Seine Würde im Angesicht des sicheren Todes war nicht mehr als das trotzige Aufbäumen eines Kindes.
Zerian zuckte bei ihren letzten Worten zusammen, streckte aber zögerlich seine Hand nach der ihren auch. Zu schnell für seine Augen zog Ria ihre Hand weg und wich angewidert einen Schritt zurück.
„Und ihr? Habt ihr selbst nachgedacht bevor ihr hergekommen und mich vergiftet habt? Es ist mir egal ob ich gleich sterbe, ob euer Gift mir die Innereien verdreht oder mich von Innen heraus verfaulen lässt! Wir alle sind todgeweiht, nur wollte ich etwas in der kurzen Zeit die mir gegönnt ist erreichen, ich wollte die Welt verändern! Sie zu einem Ort machen an dem jeder sagen kann was er denkt ohne Angst zu haben mein Schicksal zu teilen!“ Zerian sprang auf und taxierte Ria mit einem wilden Blick.
Sie trat vor und bedeutet dem alten Mann sich wieder zu setzten während sie ihn nachdenklich musterte. Sie zog erneut die Glasphiolen aus ihrer Tasche und nahm eine von ihnen heraus. Nachdenklich drehte sie den runden Flakon zwischen den Fingern.
Zerian beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen dabei und wollte schon zu einer erneuten Volksrede ansetzten doch Ria brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
Bedächtig öffnete sie die Phiole und lehnte sich wieder über den Tisch. Ein Einziger Tropfen der mitternachtsblauen Flüssigkeit viel in das halbvolle Weinglas und verfärbte die helle Flüssigkeit.
Zerian betrachtete sein Glas und schaute wieder zu Ria hinauf, in der noch immer ihr Hass gegenüber diesem Mann mit ihrer Bewunderung und einem Körnchen Unsicherheit stritten. Zufrieden lächelte Zerian, als wüsste er genau was gerade in der Makeii vorging.
„Irgendwelche letzten Worte?“, fragte Ria und verschränkte die Arme vor der Brust.
Noch ein letztes Mal warf Zerian den Karten auf seinem Tisch einen Blick zu, strich liebkosend über das Etikett der Flasche und rückte seinen Kragen zurecht. Entschlossen nahm er das Glas und bedachte Ria mit einem langem Blick.
„Machen sie die Welt zu einem besseren Ort, mein Kind!“
Mit diesen Worten kippte er den Inhalt des Glases mit einem Zug hinunter.
Ria verharrte bewegungslos während sich Zerians Augen kurz weiteten und danach ihre Lebenskraft verloren. Sie blieb stehen bis sie stumpf wurden und seine Haut all ihre Farbe verloren hatte.
Eine raue Hand legte sich um Rias Schulter und riss sie damit aus ihren Gedanken in denen sie schon den ganzen Tag versunken war. Ihr Blick richtete sich wieder nach vorne und begegnete Leanders suchendem Blick. Sie waren in einer der unzähligen kleinen und verlassenen Gassen Nahnhafens, nicht weit von dem Schiff entfernt, welches sie zurück nach Ukoon bringen sollte.
„Alles in Ordnung?“ Er ließ seine Hand auf ihrer Schulter und drückte sie leicht.
„Selbstverständlich“, antwortete sie leicht und erwiderte seinen Blick fest.
Leander ließ seine Hand sinken und verschränkte seine Arme genervt vor der Brust, während sein Blick fordernder wurde. Ria biss sich auf die Lippe, um den Redefluss zu stoppen der sich durch Leandern Blicke anbahnte.
„Du kannst mich nicht anlügen Ria.“
„Und du mich nicht zwingen zu sprechen!“, erwiderte sie giftig und ignorierte Leanders spöttisches Lächeln, natürlich konnte er sie dazu bringen und das nervte sie fast so sehr wie das Chaos in ihren sonst so ordentlichen Gedanken und Gefühlen.
Das Lächeln verschwand aus Leanders Gesicht und betrachtet sie nunmehr mit Sorge: „Hör zu Ria … Seit du letzte Nacht von deiner Mission zurückgekehrt bist, hast du kaum ein Wort gesprochen. Versteh mich nicht falsch, es ist toll wenn du nichts sagst, dann streitest du dich wenigstens nicht, aber diese Art von Schweigen kenne ich nur zu gut und es wäre das Beste wenn du mir davon erzählen würdest. Ich dachte wir hätten, obwohl du dich am Anfang recht ungeschickt angestellt hast, gelernt uns zu akzeptieren und dann kommst du mitten in der Nacht wieder und ich höre außer Mission war erfolgreich kein einziges Wort mehr von dir. Das hier war deine erste Aufgabe und offensichtlich ist irgendetwas außerplanmäßiges passiert.“ Er umfasste sie erneut, diesmal mit beiden Händen, um sie zu zwingen ihm in die Augen zu sehen. Sie ließ es zu und erwiderte seinen Blick unnachgiebig.
„Die Mission war erfolgreich, reicht dir das nicht? Ich dachte um diese eine Sache würde sich dein ganzes Leben drehen, und du bekommst nicht einmal ein Danke Ria, dass du meinen Ruf gerettet hast über die Lippen?“ Sie ließ jedes ihrer Worte so giftig klingen wie sie sich momentan in ihrem Inneren fühlte.
„Danke Ria, dass du meinen Ruf gerettet hast, aber ich will wissen warum du so schaust als wüsstest du nicht ob du dem nächstbesten, und das bin momentan ich, einen Dolch ins Herz rammen oder dich von einer Brücke stürzen willst.
Ich weiß du willst nicht darüber sprechen, und glaub mir, ich hab auch besseres zu tun als mich mit dir zu einer Tasse Tee zu treffen, damit du mir dein Herz ausschütten kannst, doch lass dir eines sagen: Egal was vorgefallen ist, egal was du tun musstest, du hast es für die Institution und das Wohlergehen Kronlands getan! Vergiss das nicht. Vergiss nicht wer du bist!“
Ria wandte den Blick ab und trat einen Schritt zurück, sodass Leander die Arme sinken ließ. Ihr Schiff hatte bereits angelegt.
Ria schaute ihn noch ein Mal an und straffte entschlossen die Schultern: „Danke Leander“, sie nickte ihm respektvoll zu und verließ ihn in Richtung des Hafens.
Sie reckte trotzig das Kinn gen Himmel und löste ihren Geist von ihrem Körper und dem chaotischen Gefühlsgewirr darin.
Er hatte Recht. Sie war eine Aniji. Eine Schattenspionin der Institution. Das durfte sie nie wieder vergessen.