Es war ein unglaubliches Angebot, das war mir bewusst. Zwei Monate meinem eigentlichen Job nachgehen, und das für 100.000 Dollar in der Woche. So was würde ich als Metzgerin nie wieder verdienen. Nicht als Frau, nicht mit meiner Vergangenheit. Da konnte ich Jahrgangsbeste sein, wie ich wollte. Natürlich hatte dieses Angebot einen Haken, es konnte nur so sein. Niemand gab für einen Fleischschneider so viel Geld aus, wenn das Tier, um das es ging, nicht im hohen Maße illegal war. Ich rechnete fest mit dem letzten Turkan, Sibirischer Tiger oder sowas. Das war mir sofort klar.
Warum ich das in Erwägung zog? Ersten war ich eine Frau. Das ist in den meisten Köpfen noch immer ein Hindernis, wenn man eine Anstellung suchte. Wenn ich diese Hürde übersprang, fand sich ziemlich schnell die Schlagzeile, dass sich mein Meister das Leben genommen und ich sein Fleisch nach seinem Wunsch portioniert habe. Er war tot krank und wollte mit dieser Aktion ein Statement setzen, dass die Welt Fleisch zur billigen Massenware hatte verkommen lassen. Ich habe meinen Meister geliebt, nur deshalb habe ich es gemacht. Im Nachhinein war ich einfach nur eine dumme Sechzehnjährige, die noch zu naiv für die Welt war. Aber das sollte sich in den nächsten 8 Jahren dramatisch ändern.
Nach meiner Ausbildung musste ich richtig Scheiße fressen. Ich habe jeden Job gemacht, nur um über die Runden zu kommen. Ich habe sogar in einem Klub an der Stange gestanden. Und eben in einem solchen Klub wurde ich dann auch angesprochen. Als ich den Mann nur sah, wusste ich, hinter ihm stand Geld und das richtig. Es war diese, zur Schaugestellte, gewöhnliche Art. Dieses auf billig getrimmte maßgeschneiderte. Keiner fühlte sich in Mode von der Stange wohl, vor allem nicht, wenn sie neu ist. Dafür gab es nur einen Grund, Mafia.
"Ich prostituiere mich nicht", war dann auch meine erste Reaktion.
"Das wäre auch nicht ihr Auftrag", sagte der Mann mit dem sehr teuren Lächeln. Niemand, der solche Kleidung trug, besaß solche Zähne. "Ich möchte, dass sie für uns den Beruf ausführen, den sie gelernt haben."
Er schob mir einen Zettel herüber, wo ein Betrag pro Zeit drauf stand.
"Für wie lange?", wollte ich wissen.
"Die Saison dauert zwei Monate. Wenn sie wollen und sich bewehren, können sie auch mehr als eine Saison für uns arbeiten."
Ich sah ihn über den Tisch hinweg an. 100.000 pro Woche waren fast eine Millionen pro Saison. Ich würde nie wieder etwas anderes als das tun müssen. Ich sah zurück zur Stange. Dort zeigte ich allen mehr Fleisch, als ich eigentlich bereit war. Auch das würde ich nie wieder tun müssen.
"Ich nehme an, absolute Verschwiegenheit."
"Wenn sie wollen, können wir Ihnen einen offiziellen Jahresvertrag anbieten. Natürlich würden in dem dann nicht mehr diese hohen Beträge auftauchen."
Ich sah ihn ungläubig an. Offizieller Vertrag? Was bitte sollte das sein?
"Das Ressort wird nur in der angegebenen Zeit für den Zweck, für den sie tätig werden, genutzt. In den drei Sommermonaten des Jahres ist es ganz normales Urlaubsressort mit umfangreichen Außenaktivitäten. Sie wären trotzdem nur von Dezember bis Januar im Dienst. Wir trennen das Personal der beiden Saison strikt.“
Ich nickte. Wäre ja auch fatal, wenn sich ein Mitarbeiter verplapperte. Wollte ich also etwas offizielles oder reichte es mir, Geld zu bekommen und mich dann zur Ruhe zu setzen? Ich überlegte lange und dann beugte ich mich nach vorne und setze meine Unterschrift unter den Vertrag.
"Willkommen bei der Stanfort International", lächelte der Mann und überreichte mir dann eine schwarze Kreditkarte und ein Handy. "Wir werden sie eine Woche vor ihrem Einsatz kontaktieren. Bitte seien Sie sie pünktlich."
"Und die Karte?"
"Ist bereits mit einem Vorschuss ihres Gehaltes gedeckt. Ein Viertel ihrer Prämie."
Knapp eine Viertel Millionen. Ich konnte nur sprachlos dem Mann ansehen, der sich erhob und mir dann nochmal die Hand reichte. Die Viertel Million Dollar hallten auch noch durch meinen Verstand, als mein Boss mich zu meinem nächsten Auftritt rief.
"Fick dich", war meine Antwort, als ich zur Umkleide lief.
"Du bekommst in dieser Gegend nie wieder einen Job, wenn du jetzt gehst", rief er mir hinterher.
Eine Viertel Millionen. Was kümmerte mich das. Mit den läppischen dreißig Dollar, die ich an diesem Abend schon gemacht hatte, ging ich zurück zu meinem alten rappeligen Ford RAM, den ich von meinem Vater geerbt hatte. Er kostete mich genauso viel an Reparaturen, wie er mich Benzin kostete. Bei der Fahrt aus der Stadt zum Trailerpark, das einzige, was ich mir bisher leisten konnte, dachte ich die ganze Zeit nur an das Geld. 250.000 Dollar. Was sollte ich bitte schlachten, dass mit jemand vorab schon 250.000 Dollar gab?
Einer Illusion gab ich mich nicht hin. Dass ich das Geld abbuchen und damit verschwinden könnte? Sie hatten mich aus Millionen Menschen heraus gepickt. Sie hatten vor mir gewusst, dass ich unterschreiben würde. Also wussten sie bereits alles über mich. Und bis zu meinem ersten Einsatz war es auch nur noch ein Monat. Trotzdem, die schwarze Kreditkarte fühlte sich seltsam an und von dem Handy fühlte ich mich überwacht. Ich hätte das Gefühl, einem Vertrag mit dem Teufel geschlossen zu haben. Würde ich nun meine Seele verlieren? War Geld das wert?
Zu Hause im Trailer - merkwürdig mit der Aussicht auf Millionen einen geliehenen Trailer noch ein Zuhause zu nennen - legte ich mich in mein Bett und starrte an die Decke. Was machte ich mit so viel Geld? Was waren meine Träume? Ich hatte schon lange keine mehr gehabt. Wenn man um seine bloße Existenz kämpfte, kümmerte man sich nicht um Träume. Aber jetzt könnte ich mich wieder dran erinnern. Ich musste an meine naiven Träume aus meiner Kindheit denken. Das Haus am See, eine Frau an meiner Seite, die ich liebte. Zehn Kinder, ein eigener Laden, vielleicht eine eigene Zucht. Rinder oder etwas Besonderes. Das waren die Träume der lesbischen Tochter eines Farmhelfers, die schon früh hatte mit anpacken müssen. Die ihren Mann hatte stehen müssen in einer Welt aus Männern.
Vielleicht war ich zu sehr in deren Weltanschauung eingetaucht, um mir etwas anderes vorzustellen. Ein Mann, selber Kinder zu bekommen, einen von diesen Typen als Partner - es schüttelte mich. Auch die Typen in der Bar, die hofften, dass ich an der Stange auch den letzten schmalen Rest meiner Hüllen fallen ließ, erfüllten mich mit kaltem Schauer. Keiner von ihnen erregte mich. So war ich mit vierundzwanzig noch immer Jungfrau, technisch und tatsächlich. Wahrscheinlich die einzige in meinem Job an der Stange, bei der es so war. Ob das mein neuer Arbeitgeber auch wusste? Er hätte mich auch hier aufsuchen können, aber er holte mich aus meiner Arbeit. Hätte das meine Entscheidung verändert? Ich schloss meine Augen.
Ein Traum war mir die ganze Zeit geblieben. Es war der von einem Menschen, der sich mir hingab. Ein Wesen, ich konnte nicht mal genau sagen, ob es ein Mann oder eine Frau sein sollte, das ganz mein war. Eine Person, die zu mir gehörte und mir das gab, von dem ich träumte, Liebe, Zärtlichkeit, das Gefühl, dass da jemand ist, wenn man nach Hause kam.
Ich öffnete meine Augen und sah in den ranzigen Trailer, der nur im Bereich meines Bettes gemütlich wirkte. Mit dem Geld könnte ich mir einen Ort schaffen, zu dem ich wirklich zurück kommen wollte. Das wäre das erste, was ich ändern würde. Und dann könnte sich mein Traum erfüllen. Eigentlich der wirklich wichtige. Der, den man sich mit Geld nicht erkaufen konnte. Es war nur leichter, ihn zu erfüllen, wenn man Geld hatte.
Am nächsten Morgen machte ich Nägel mit Köpfen. Ich ging in ein Maklerbüro und kaufte mir Land. Davon gab es genug hier draußen, meist wertlose Ödnis, aber auch der besagte See, allerdings noch ohne das Haus. Dann holte ich mir Angebote ein. Bei dem, was ich vorhatte, waren eine Viertel Millionen nicht viel, aber die ganze Millionen am Ende der Saison würden es richten. Wenn ich aber nun das Geld verplante, würde es keinen Weg zurück geben. Egal, was sie von mir verlangten, ich war ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Aber es gab sowieso keinen Weg mehr zurück. Und so stellte ich am Ende des Monats einen Container auf meinen erworbenen Grund, in dem sich mein Bett befand, fuhr mit der nun reparierten Klapperkiste meines Vaters zum Flughafen und wartete ungeduldig darauf, abgeholt zu werden. Ich war pünktlich, andere schienen es nicht zu sein.