Da die Flugreittiere von Ogrimmar- grosse Löwen mit fledermausähnlichen Schwingen (Wyvern), nur bis nach Brackenwall flogen und sie dann doch noch ein weites Stück durch die Düstermarschen hätte reisen müssen um nach Theramore zu kommen, beschloss sie diesmal den Weg mit ihrem Reit- Wolf zurückzulegen. Die Grenze zu den Düstermarschen lag nicht sehr weit von Durotar entfernt. Sie musste erst Richtung Westen ins Brachland zum neutralen Hafendorft „Ratchet“, das von den Goblins beherrscht wurde. Von dort aus, führte der Weg weiter an der sogenannten „Händlerküste“ entlang bis zu den Düstermarschen. Brackenwall war zu weit von ihrem eigentlichen Ziel entfernt und so beschloss sie gar nicht erst dorthin zu gehen.
Es war eine Zweitagesreise, wenn sie in normalem Tempo ritt. Sie wollte nur kurze Pausen machen und einmal noch irgendwo übernachten. Alles musste bestens geplant und durchdacht sein. Eine Priesterin war schwer zu besiegen, da sie sehr mächtige Zauber wirken konnte und auch die Kraft des Heilens besass. Besonders bei solch zauberkundigen Gegnern war Xantina, die nur ein sehr geringes magisches Potenzial besass, auf den Überraschungsmoment und den Hinterhalt angewiesen. Sie musste verhindern, dass diese Kybelia überhaupt zum Zaubern kam. So war es auch etwas schwierig, sie leiden zu lassen, weil Priester immer noch zaubern konnten, auch wenn sie schwer verletzt waren. Sie konnten einen Schutzschild aufbauen und sich dann immer wieder heilen. Es war eigentlich seltsam, dass man keinen zauberkundigeren Assassinen für diese Auftrag ausgewählt hatte, doch andererseits machte es Xantina auch sehr stolz. Das zeigte, dass die Brennende Klinge Vertrauen in sie setzte.
So also machte sie sich Tags darauf, als die Sonne gerade aufging auf den Weg ins Brachland. Ihr Vater machte sich erneut Sorgen um sie, besonders nach ihrem Ausbruch gestern, schien er sehr verunsichert. Ob er wohl ahnte, in welchen Kreisen seine Tochter verkehrte? Er sprach es nie direkt an, aber manchmal hatte sie stets das Gefühl er wisse mehr. Er besass auch eine ausgeprägte Intuition, das hatten die Schamanen so an sich. Doch sie wollte sich jetzt keine unnötigen Sorgen machen. „Ich bin bald zurück,“ sprach sie zu Thralliok um ihn etwas zu beruhigen. „Die Geister mögen dich beschützen!“ erwiderte er, als ob er wüsste in welche Gefahr sie sich begab. „Ja dich auch Vater. Bis bald!“
Sie bestieg ihren Wolf und ritt hinaus aus der grosse Stadt... hinein in das karge, rote Wüstenland von Durotar...
Erneut musste sie nach Klingenhügel und sich dann dort die westliche Strasse nehmen.
Nach einer Weile tauchte vor ihr eine gewaltige, Brücke auf. Sie war ganz im orcischen Stil gebaut, aus einem dunkelbraunen Holzgerüst und einem mit roter Haut bespannten Dach. Dieses erinnerte in seiner Form stark an den, mit scharfen Spitzen bewehrten Rückenkamm, eines Drachen. Die Brücke führte über den, im heller werdenden Morgenlicht silbern blau glitzernden Südstrohm, welcher zugleich die Grenze zwischen Durotar und dem Brachland bildete. Die Palmen die seinem Ufer entlang wuchsen, neigten sich sanft im Wind.
Es war eindrücklich zu beobachten, wie sich die Landschaft nun mehr und mehr veränderte: Der ausgeprägte rote Ton von Durotar, mit seinen hohen, schmalen Bergen und den von pilzartigen Steingebilden überschatteten Schluchten, wich einer hauptsächlich von Goldtönen beherrschten Umgebung. Das Brachland war etwas fruchtbarer als die Heimat der Orc's, doch immer noch sehr karg. Der heisse Wind trocknete das Steppenland manchmal vollkommen aus und es gab nur wenig wirklich grüne Flecken, ausser dort wo es auch etwas Wasser gab. Bäume hatte es hier mehr, als in Durotar, dessen Landschaft oft von hohen Kakteen beherrscht wurde. Es waren meist sehr mächtige Bäume mit hellen Stämmen und mehrfachen, flachen Kronen, deren Blätter in den Schattierungen von Grün und Gold variierten.
Nachdenklich ritt Xantina durch die weite, flache Landschaft, aus der ab und zu elfenbeinfarbene Berggruppen emporwuchsen, die oft durchzogen waren, mit braunen und lachsfarbenen Strukturen.
Xantina lauschte auf die leisen, ausdauernden Schritte ihres Reittieres, das sich bisher ohne grosse Müdigkeitserscheinungen fortbewegte. Der warme Wind wehte ihr ins Gesicht und... in seinem Rauschen, glaubte sie erneut die Stimmen der Geister zu vernehmen. Doch diesmal hörte sie nicht auf sie, sie wollte es einfach nicht. Es war nicht der richtige Zeitpunkt jetzt die Kontrolle zu verlieren. „Schweigt still!“ rief sie. „Ich kann eure Einflüsterungen jetzt nicht gebrauchen! Dieser Auftrag ist überaus wichtig für mich und ich lasse es nicht zu, dass ihr mich davon abhaltet effizient zu handeln!“
So wurden die Stimmen des Windes wieder leiser und Xantina versuchte ihre ganze Konzentration dem zu widmen, was ihr noch bevorstand. Irgendwie aber liess sie das beklemmende Gefühl einfach nicht los, welches sie schon, als sie den Auftrag erhalten hatte verspürt hatte. Sie glaubte diesmal wirklich einer grossen Prüfung entgegen zu sehn...
Sie nahm beim Hordenstützpunkt des Wegekreuzes die Strasse nach Osten und schon bald erblickte sie unter sich die tiefblaue Küstenlinie des Grossen Meeres. Der Pfad machte nun einen Knick abwärts und dann tauchten vor ihr die ersten mit gelbbraunen Ziegeln bedeckten, hellen Holzhäuser von Ratchet auf. Dieser Ort war ein Angelpunkt für Horde und Allianz. Es gab hier ein grosses Schiff, das nach „Beutebucht“ im Schlingendorntal fuhr. Diese Stadt befand sich in den „Östlichen Königreichen“ und war ebenfalls neutral. Xantina war schon mal dort gewesen, aber diesmal würde sie in Kalimdor bleiben. Sie suchte das Gasthaus in Ratchet auf und beschloss sich hier einzuquartieren, denn der Abend brach schon langsam herein...
Und während sie bereits tief schlief, kam ein anderer Reiter im Gasthof an. Er ritt auf einem eindrucksvollen, violetten Raptor mit intensiv blauen Streifen. Das Tier besass gelbe, stechende Reptilienaugen und hatte ein dunkles Horn auf der Stirn. Der Reiter selbst trug eine lilafarbene Kutte. „Ein Zimmer bitte!“ sprach er zum Gastwirt der Goblins, mit der grünen Haut und den langen, spitzen Ohren. Er würde hier übernachten, denn man hatte ihm den Auftrag gegeben die junge Orcin nicht aus den Augen zu lassen...
Xantina ahnte nichts von allem und machte sich gleich im Morgengrauen wieder auf den Weg. Lange hatte sie nicht einschlafen können, dennoch fühlte sie sich wieder frisch und ausgeruht. Sie liess Ratchet, das im Morgenlicht weissgolden strahlte, hinter sich und wandte sich nach Norden, wo das blaue Band des Grossen Meeres, sich mit der kargen, braun und rot gehenkelten Händlerküste vereinigte. Das angenehme, stetige Rauschen der Wellen, hatte eine angenehm beruhigende Wirkung. Bei Xantina allerdings, verhielt sich das etwas anders, denn sie glaubte in allen Geräuschen der Natur, immer wieder die unangenehmen, tadelnden Worte der Geister zu vernehmen. Manchmal sehnte sie sich danach, die Schönheit der Natur einfach nur so zu geniessen, ohne dieses ständige Gefühl der Beklommenheit dabei zu empfinden.
Die Küstenlinie war ziemlich hügelig und überall gab es wunderschöne Palmenhaine. Xantina ritt und ritt, ohne zu merken, dass ihr schon lange jemand folgte. Das war für sie unüblich, denn meist merkte sie es sofort, wenn sie verfolgt wurde, doch die Geister der Natur schienen ihren Verfolger zu schützen, dämpften die Schritte seines Raptors, liessen ihn sich fast lautlos fortbewegen.
Xantina war vermutete auch nicht, dass sie verfolgt wurde, wozu denn auch? Ausserdem war sie ganz eingenommen von ihrer kommenden Aufgabe. So ritt sie und ritt sie, über Stock und Stein.
Schliesslich erblickte sie vor sich eine grauweisse Festung. Es war die Festung Nordwatch, ein weiterer Stützpunkt der Menschen, um den sie lieber einen weiten Bogen machte...
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