von Martina Hoblitz
Cinderella, Dornröschen und Schneewittchen waren beste Freundinnen seit Kindertagen und wuchsen miteinander auf in einem kleinen beschaulichen Dorf im Bayerischen Wald. –
Natürlich hießen sie nicht wirklich so, sondern diese Namen gaben sie sich untereinander, weil sie alle ein Faible für die Märchen der Gebrüder Grimm hatten. Außerdem teilten die Drei noch eine Leidenschaft – die Liebe zur Musik.
***
Cinderella – mit wahrem Namen Christa, war eine zierliche, blonde, blauäugige Barbie-Puppe, der niemand zutraute, dass sie virtuos und mit Hingabe – Schlagzeug spielte. Außerdem verfasste sie noch so nebenbei gefühlvolle, romantische Gedichte. Ihr Vater betätigte sich als Schuster und besaß einen kleinen Schuhladen am Ort. Und für Christa gab es keinen Zweifel, dass sie später – als einzige Tochter – in seine Fußstapfen treten würde. ---
--- Dornröschen – mit bürgerlichem Namen Doris, war ebenfalls die einzige Tochter eines Gärtners mit eigenem kleinen Blumenladen, der als Hobby eine kleine, sehr angesehene Rosenzucht betrieb. Und Doris' Berufswunsch ergab sich daraus, sie wollte Floristin werden. Doch sie liebte auch die Musik, spielte Gitarre und hatte eine ungewöhnliche Singstimme, tief und rauchig, passend zu ihrem Aussehen mit kastanienbraunen Locken und smaragdgrünen Augen. ---
--- Schneewittchen – die Dritte im Bunde, die richtig Sabine hieß, war die Tochter des Revierförsters und in der Schule Klassenbeste. So stand ihrem Berufswunsch – Tierärztin – eigentlich nichts im Weg, außer der Aussicht, dass sie für ein Studium das Dorf verlassen und weiter weg ziehen musste. Sie spielte fabelhaft Klavier und komponierte süße, kleine Melodien. Ihren Spitznamen verdankte sie ihrem Aussehen, sie hatte eine sehr blasse Haut – eine leichte Pigmentstörung - , trug ihr pechschwarzes Haar als Bubikopf und benutzte mit Vorliebe knallroten Lippenstift.
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Nachdem die Drei als Teenager die Phase des ''Märchen lesen“ hinter sich gebracht hatten, taten sie sich musikalisch zusammen und gründeten eine Band, jedoch immer noch getreu ihrem Motto nannten sie sich die ''Märchenfeen“.
Sie präsentierten eigene Songs, die Sabine komponierte, und zu denen Christa die Texte schrieb – oder umgekehrt – jedenfalls passend zugeschnitten auf die ungewöhnliche Stimme von Doris.
Gitarre und Schlagzeug harmonierten gut, nur das Klavier konnte wohl schlecht hin und her transportiert werden, und so stieg Sabine um auf Keyboard. ---
--- Schon bald wurden die Mädels zu einer kleinen Sensation auf Volksfesten und Jubiläumsfeiern im Dorf und in der näheren Umgebung. Denn sie entwickelten ihren ureigenen Musikstil, der sich in keine der üblichen Schubladen stecken ließ. –
Und es dauerte auch gar nicht lange, bis ihr Talent entdeckt wurde.
***
Eines Tages tauchte ein Musikproduzent in dem Dorf auf!
Er machte dort Urlaub, gerade zur Zeit der Herbst-Kirchweih und wurde zufällig Zeuge einer Darbietung der ''Märchenfeen“ im Festzelt -- und er zeigte sich ganz begeistert.
Sein Name war Robert Prinz, und die Mädchen lachten herzlich, als er sich ihnen vorstellte und behauptete, er wollte sie mit in die Stadt in sein Tonstudio nehmen, um mit ihnen Plattenaufnahmen zu machen. Sie hielten das Ganze für einen Scherz und gingen gleich auf Abwehr.
Tatsächlich konnte er ihr Misstrauen verstehen, er bedrängte sie nicht weiter, sondern hinterließ ihnen lediglich seine Visitenkarte, als er wieder abreiste. ---
--- Die drei Mädchen hielten Kriegsrat.
Sabine meinte: „Eigentlich macht dieser Mann doch einen ganz seriösen Eindruck.“ – „Das find ich auch.“ stimmte Christa ihr zu, wobei sie die etwas verschnörkelte Visitenkarte irgendwie ratlos in den Händen drehte.
„Vielleicht sollten wir zunächst mal da anrufen? Nur um zu hören, wer sich da in welcher Weise meldet.“
Doris schwieg, denn ihr spukten ganz andere Gedanken durch den Kopf. Sie war schon sehr beeindruckt von diesem Robert Prinz, aber als Mann sozusagen. In ihren Augen war er so stattlich und attraktiv und irgendwie vornehm, kein Vergleich mit den derben Bauernburschen aus dem Dorf. – Und sie glaubte, auch er hätte sie so besonders angesehen, obwohl er vorgeblich mit allen Dreien gesprochen hatte.
Aber vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein? –
Sie seufzte abgrundtief und erntete dafür verblüffte Blicke von ihren zwei Freundinnen, worauf sie leicht errötete.
Die beiden grinsten sich wissend an, und Christa bemerkte, indem sie Sabine zuzwinkerte: „Ich glaub, unser Dornröschen wurde wach geküsst!“
Was Doris' Gesichtsröte noch vertiefte und sie zu dem empörten Ausruf veranlasste: „Aber wir haben uns doch noch gar nicht geküsst!“
Da gestand Christa plötzlich: „Also dieser Robert mag ja vielleicht ganz gut aussehen, aber ist kein Vergleich zu meinem Wastl!“ – „Du meinst doch wohl nicht euren Gesellen, diesen Rothaarigen mit Brille?“ staunte Sabine und lachte.
„Das Aussehen ist doch nicht wichtig!“ versicherte Christa schnell. „Ich zeig euch mal was!“
Sie stand auf und ging an ihren Kleiderschrank.
- – Das Treffen fand bei ihr im Zimmer statt. –
- Sie holte eine große Schachtel heraus und zeigte den beiden Freundinnen, was sich darin befand.
Es handelte sich um ein Paar silberne Stoff-Pumps mit Pailletten und Perlen bestickt, zu dem Christa erklärte: „Die hat er extra für mich angefertigt. Sind die nicht einfach wunderschön?“
Doris und Sabine wechselten einen Blick und grinsten, und Sabine sagte: „Ja, Cinderella! Aber wo willst du die denn anziehen? Etwa auf eurer Hochzeit?“
Dieses Mal errötete Christa.
Da holte Sabine tief Luft und äußerte sich etwas verlegen: „Na, ihr habt vielleicht einen Männergeschmack! Die Eine verguckt sich in den Märchenprinzen – groß, blond, blauäugig. Und die Andre schwärmt für einen etwas groß geratenen Pumuckl. - Nun, dann will ich euch hier im trauten Kreis mal gestehen, dass ich auch einen Mann ins Auge gefasst habe. Einen feschen Dunkelhaarigen mit 3-Tage-Bart. Er heißt Sepp und ist Waldarbeiter. Und ich hab ihn kennen gelernt, als er vor ein paar Tagen im Forsthaus einen Wurf ausgesetzte Hundewelpen bei meinem Vater abgegeben hat, damit er sich darum kümmert. Er hat sie in einem Sack im Wald gefunden, als sie dort Bäume fällen wollten. - Und stellt euch vor, es sind wahrhaftig genau 7 Stück!“
Christa und Doris prusteten los. Und Sabine fiel in ihren Heiterkeitsausbruch mit ein, als Christa, atemlos vor Lachen, bemerkte: „Na, da hat unser Schneewittchen ja schon die 7 Zwerge!“ …
Irgendwie war Christa nicht besonders glücklich über die Entscheidung der ''Märchenfeen“, und im Grunde genommen hatte sie sich auch nur von ihren beiden Freundinnen überreden lassen.
Oder plagte sie jetzt schon das Heimweh nach dem beschaulichen Dorfleben? Die Hektik der Großstadt behagte ihr so ganz und gar nicht. –
Auch der Abschied von Wastl war ihr sehr nah gegangen und ausgesprochen schwer gefallen. Schließlich hatte sich ihre Beziehung gerade erst so richtig entwickelt. Und Wastl zeigte sich ziemlich betroffen, als sie ihn quasi verlassen wollte, um eine Karriere als Musikerin zu starten, statt bei ihrem Vater mit der Schuster-Lehre zu beginnen.
Dabei hatte sich doch alles so vielversprechend angehört und auch recht gut angefangen.
***
Als die drei Mädels guter Dinge im Hauptbahnhof der großen Stadt ankamen, staunten sie sehr über die vielen Menschen, die da herum wuselten, und alle schienen es irgendwie eilig zu haben.
So eine Hektik kannten die Freundinnen überhaupt nicht, und sie standen zunächst ziemlich hilflos und beinah ängstlich auf dem Bahnsteig herum. Niemand schien sie abzuholen.
Also schlug Christa vernünftig vor, zuerst einmal einen Gepäckwagen zu organisieren, auf welchem sie ihre Koffer und Taschen abstellen konnten. – Diese Aufgabe übernahm Sabine, während die beiden anderen mitsamt dem Gepäck eine Bank in der Nähe des Fahrplans besetzten, damit sie in dem Gewühl nicht verloren gingen.
Als Sabine in der Menschenmenge verschwunden war, wandte sich Doris an Christa: „Hör mal, deine Fröhlichkeit wirkt ziemlich gezwungen. Du scheinst dich gar nicht recht zu freuen, dass wir jetzt hier sind.“
Zunächst schaute Christa sie verwundert an, dann gab sie zu: „Der Abschied von zuhause ist mir schon schwer gefallen. Vor allem der von Wastl. Hoffentlich dauern diese Aufnahmen nicht allzu lange? Ich will doch endlich bei Papa meine Lehre anfangen.“
Doris runzelte die Stirn. „Ja, glaubst du denn, dass es nur bei diesen Studioaufnahmen bleibt? So wie Sabine das verstanden hat, will Robert danach mit uns auf Tournee gehen. Wir müssen doch Reklame für die CD machen.“
Christa erschrak sichtlich. „Du meine Güte! Ich dachte, mit den Aufnahmen ist die Sache erledigt. Wenn ich das gewusst hätte, hätt ich mich gar nicht drauf eingelassen.“
Doris merkte, dass ihre Freundin immer unwilliger wurde und versuchte, sie zu beschwichtigen: „Nach den Aufnahmen fahren wir bestimmt erst noch mal nach Hause. So'ne Tournee muss ja gründlich vorbereitet werden.“ –
In diesem Moment tauchte Sabine wieder auf, nicht nur mit einem Gepäckwagen, sondern auch mit einem recht verwegen aussehenden jungen Mann im Schlepptau, der einen Fotoapparat um den Hals trug und eifrig auf sie einredete. ---
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Mit von Tränen feuchten Augen starrte Christa auf das Malheur zu ihren Füßen.
Nein, sie weinte nicht wegen ihrer Kopfschmerzen. Obwohl sie einen gehörigen Brummschädel hatte, nach dieser wilden Party, bei welcher der Alkohol in Strömen geflossen war. –
Ihr Blick verharrte weiterhin auf dem einstmals so wunderschönen Paar Tanzschuhe, das ''ihr“ Wastl speziell für sie angefertigt hatte. Diese zerknautschten, nassen Dinger konnte man wohl kaum mehr mit den Prachtstücken vergleichen.
Oh nein, sie war nicht mit ihnen in einen Regenschauer geraten! Was man bei diesem traurigen Anblick vermuten konnte. Stattdessen hatten ein paar gut betuchte ältere Herren in übermäßiger Sektlaune Champagner daraus getrunken. ---
--- Christa seufzte abgrundtief. Warum musste sie die Schuhe auch zu dieser Party anziehen? – Weil sie damit angeben wollte! – Sie konnte ja nicht ahnen, zu was für einer Orgie diese ursprünglich harmlose Feier ausarten würde. –
Mühsam quälte sie sich aus dem Bett, hielt sich mit beiden Händen den Kopf und taumelte ins Badezimmer, auf der Suche nach einer Aspirin.
Als sie in den Spiegel über dem Waschbecken blickte, bekam sie einen Schreck. Sie sah genauso ramponiert aus wie die Schuhe. Ein paar Handvoll eiskaltes Wasser ins Gesicht halfen da auch nicht wirklich viel. Und genaue Erinnerungen an den Abend zeigten sich bei ihr auch nicht. Nur dass sie reichlich getrunken hatte. Was sonst überhaupt nicht ihre Art war. Sie vertrug eigentlich keinen Alkohol.
Ach, Schuld war nur ihre Sehnsucht nach zuhause – und nach Wastl besonders, redete sie sich ein. –
Gott sei Dank waren wenigstens die Tonaufnahmen fertig eingespielt, nach fast 2 Monaten! Und die CD konnte in den Verkauf gehen.
Aber dann hatte Robert tatsächlich mit ihnen über seine Idee einer anschließenden Tournee gesprochen.
'Ohne mich!' dachte Christa nur, denn sie hatte die Nase gestrichen voll vom Musik-Business.
Sie wollte endlich bei ihrem Papa die Lehre beginnen. – Und dann vielleicht sie und Wastl …? –
Sie nahm die in einem Wasserglas aufgelöste Tablette mit ins Schlafzimmer, und als sie die kaputten Schuhe vor dem Bett liegen sah, traten ihr wieder Tränen in die Augen. Wie sollte sie das nur Wastl beibringen?
Tatsächlich fand er die Idee von Sabine, Christa könnte sie auf ihrer Hochzeit tragen, gar nicht so schlecht und fühlte sich diesbezüglich veranlasst und ermutigt, ihr einen Antrag zu machen. ---
--- Christa leerte das Glas mit der aufgelösten Tablette in einem Zug und beschloss, den Freundinnen mitzuteilen, dass sie die Tournee nicht mitmachen, sondern stattdessen nach Hause zurück kehren wollte.
Die Songs waren ja geschrieben, und ein Ersatz für sie am Schlagzeug ließe sich bestimmt auch finden.
***
Wieder standen die drei Freundinnen mit ihrem Gepäck im Hauptbahnhof der großen Stadt. Doch dieses Mal führte ihre Reise nicht in ein ungewisses Abenteuer, sondern nach Hause, in ihr Heimatdorf und zu ihren Familien. ---
--- Christa hatte ihre Rückkehr durch zwei Briefe angekündigt. Einer ging an ihren Vater, in dem sie ihm erklärte, wie sehr sie sich darauf freute, endlich bei ihm ihre Ausbildung zum Schuhmacher zu beginnen.
Der Zweite, der an ihren Wastl gerichtet und besonders liebevoll und ausführlich war, enthielt eine Entschuldigung und die Schilderung des Malheurs mit den Schuhen. Christa hoffte inbrünstig, er könnte ihr diesen Leichtsinn verzeihen. –
Sie hätte sich keine Sorgen machen und ihren Wastl besser kennen sollen! ---
--- Als der Zug im Heimatbahnhof einfuhr, erwartete Wastl seine Christa schon sehnsüchtig. Und statt eines Blumenstraußes hielt er als Willkommensgeschenk einen Schuhkarton in Händen.
Den er zunächst einmal verblüfft fallen ließ, als Christa ihm, kaum ausgestiegen, stürmisch um den Hals fiel und ihn innig küsste, was er nur allzu gern erwiderte. –
Erst nach einer unendlich scheinenden Weile lösten sie sich voneinander, und Wastl hob den Karton wieder auf, der mit einer großen Schleife umwickelt und deshalb nicht aufgegangen war.
Verlegenen grinsend reichte er ihn Christa und bemerkte neckisch dazu: „Statt Blumen, aber von ganzem Herzen!“
Mit vor Aufregung zitternden Händen löste Christa die Schleife, klappte den Deckel hoch und zum Vorschein kam – ein Paar Brautschuhe, aus weißem Satin und verziert mit einem Herz aus Perlen.
Vor Rührung traten ihr Tränen in die Augen, und sie umarmte Wastl erneut, mit dem Karton. Was ihn zu dem mahnenden Ausruf veranlasste: „Vorsicht, zerquetsch die Schuhe nicht! Die werden doch noch gebraucht!“
„Wer ist eigentlich diese attraktive Frau, mit der du dich seit ein paar Tagen triffst?“ stellte Doris ihren Freund Robert zur Rede.
Der tat ganz unschuldig. „Wen meinst du denn?“ – „Ich meine diese Blonde, die seit einer Woche jeden Abend vor dem Tonstudio auf dich wartet.“ erklärte sie und sah ihn Stirn runzelnd an.
Da wurde er wahrhaftig ein bisschen verlegen und versuchte abzuwiegeln: „Nicht wichtig. Die verschwindet bald wieder. - Bist du etwa eifersüchtig?“ –
In diesem Moment bereute Doris zutiefst, sich so schnell mit Robert eingelassen zu haben. Dabei hatte er sich doch so besonders aufmerksam um sie bemüht, als sie mit den Freundinnen vor einem Monat hier angekommen war.
Gut, er kümmerte sich natürlich vorrangig um die drei Mädchen als Band und ermöglichte ihnen die versprochenen Aufnahmen im Tonstudio. – Gleichzeitig behauptete er aber Doris gegenüber, er hätte sich gleich im ersten Augenblick in sie verliebt, als er sie beim Dorffest im Zelt gesehen und singen gehört hatte.
Und Doris ging es ja nicht anders, sie war auch auf den ersten Blick von ihm fasziniert.
Deshalb sprach sie sich auch so vehement den Freundinnen gegenüber für Roberts Angebot aus.
***
Die Ankunft der drei Freundinnen vor einem Monat war schon etwa sonderbar.
Lange Zeit standen sie rat- und hilflos im Hauptbahnhof herum und warteten darauf, abgeholt zu werden. – Vor allem Doris konnte es kaum erwarten, Robert wiederzusehen. Leider hatte sie erst wenig mit ihm gesprochen, denn die meisten Telefonate hatte Sabine geführt, sie konnte besser verhandeln. – Eigentlich hatte sie im Stillen gehofft, er würde sie sehnsüchtig empfangen!
Und als Sabine sich schließlich auf die Suche nach einem Gepäckwagen machte, fing Christa auch noch an zu jammern. Du meine Güte!
Die Kleine schien jetzt schon Heimweh zu kriegen. Wie albern! –
Sie selbst war richtig froh, endlich mal aus diesem verschlafenen Kaff heraus zu kommen.
Seit dem Tod der Mutter vor 2 Jahren wurde das Zusammenleben mit ihrem Vater immer schwieriger. Er lebte nur noch für seine Blumen, vor allem für seine Rosenzucht, und ließ seine Tochter mit ihrer Trauer ganz allein. –
Doris mochte sich auch nicht ihren Freundinnen mit ihrem Kummer aufdrängen, aber sie versuchte, sich mit der Musik zu trösten.
Und irgendwie geriet auch ihr Plan, Floristin zu werden, ins Wanken. Viel lieber wollte sie sich auf ihren Gesang konzentrieren. –
Darum hielt sie auch das Angebot des Produzenten für eine große Chance. Hinzu kam noch ihr persönliches Interesse an diesem Mann. –
So stand sie hier im Bahnhof und wurde schon leicht ungehalten über Christas Gejammer, als endlich Sabine mit dem Gepäckwagen auftauchte. Aber wer war denn dieser Typ, der ihr auf den Fersen folgte? ---
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'Mann, war das 'ne Party!' dachte Doris, als sie in Roberts Armen erwachte.
Ja, sie hatte endlich seinem Drängen nachgegeben und die Nacht mit ihm verbracht. – Und er sprach gleich von Zusammenleben und hatte sogar weitere berufliche Pläne mit ihr.
Die Tournee für die Bewerbung ihrer CD sollte nur der Anfang sein. Robert stellte ihr eine Karriere als Solosängerin in Aussicht. ---
--- Doch vorher musste sie unbedingt noch einmal nach Hause, um sich gründlich mit ihrem Vater auszusprechen. Sie wollte ihm ernsthaft zu verstehen geben, dass ihr zukünftiger Beruf nicht Floristin, sondern Sängerin sein sollte.
Doris wusste schon im voraus, dass er dagegen sein würde, aber sie brauchte seine Zustimmung eigentlich gar nicht, denn sie war ja volljährig.
Über ihre berufliche Zukunft schien sich Doris also im Klaren zu sein. Anders sah es da mit ihrem Privatleben aus. – Sie konnte ihr Verhältnis zu Robert einfach nicht einschätzen.
Wenn sie alleine waren, gebärdete er sich so, als wäre sie für ihn die einzige Frau auf der Welt. Doch sobald sie in die Öffentlichkeit traten, ging er regelrecht auf Distanz und tat so, als wäre er nur an ihr als Sängerin interessiert. ---
--- Und dann gab es da immer noch diese andere Frau, deren permanente Anwesenheit Robert ihr noch nicht richtig erklärt hatte. – Allerdings hatte Doris die beiden auch noch nicht in einer verfänglichen Situation ertappt, sie pflegten einen vorgeblich rein freundschaftlichen Umgang. ---
--- Und in dieser etwas prekären Lage teilte Christa ihr unumwunden mit, dass sie nicht mit auf Tournee gehen, sondern lieber endgültig nach Hause zurück kehren wollte!
***
Wieder standen die drei Freundinnen mit ihrem Gepäck im Hauptbahnhof der großen Stadt. Doch dieses Mal führte sie ihre Reise nicht in ein ungewisses Abenteuer, sondern nach Hause, in ihr Heimatdorf und zu ihren Familien. ---
--- Doris hatte ihre Rückkehr wohlweislich nicht angekündigt. Denn es sollte ja keine richtige Rückkehr sein. Nur so eine Art Zwischenstopp. –
In 2 Wochen würde sie auf große Tournee gehen, allerdings ohne ihre beiden Freundinnen, aber mit einem eigenen Soloprogramm.
Inzwischen hatte sie auch heraus gefunden, wer die ominöse Frau war, die ständig um Robert herum schlich. Es handelte sich dabei tatsächlich um seine Zwillingsschwester, Roberta Prinz, eine sehr erfolgreiche Songschreiberin. –
Als zukünftige Schwägerin – Robert hatte Doris wahrhaftig einen richtig konventionellen Heiratsantrag gemacht! – wollte sie von nun an für sie die Songs schreiben, passend auf ihre außergewöhnliche Stimme. –
Und all diese Neuigkeiten, sie als Sängerin und Verlobte eines Musikproduzenten, musste Doris jetzt ihrem Vater schonend beibringen. Robert würde dann in ein paar Tagen nach kommen, um offiziell beim Vater um ihre Hand anzuhalten. ---
--- Natürlich wurde Doris nicht am Heimatbahnhof erwartet, so fuhr sie mit einem Taxi hinaus zu dem kleinen, von Rosen umgebenen Landhaus. Mit einem sehr mulmigen Gefühl läutete das Mädchen mit der altmodischen Ziehglocke.
Dann stand sie ihrem Vater gegenüber und wunderte sich über die Tränen in seinen Augenwinkeln. Völlig unverhofft schloss er sie in seine Arme und sagte mit vor Rührung bebender Stimme: „ Ach, mein Mädchen! Ich bin ja so stolz auf dich! Deine wundervolle Stimme gehört wirklich in die Welt hinaus und darf nicht hier im Dorf verkümmern.“
Und Doris staunte noch mehr, als hinter ihrem Vater plötzlich – Robert auftauchte, der sie liebevoll anlächelte und ihr zunickte.
Langsam wusste Sabine nicht mehr, wo ihr der Kopf stand!
Da war zum einen die Benachrichtigung mit der Aussicht auf einen Studienplatz in Medizin, welche sie gerade da erreichte, als die Band in die Stadt aufbrechen wollte. – Zum Glück erwartete man sie erst zum übernächsten Semester, das hieß im Herbst des kommenden Jahres.
Bis dahin wären wohl die Studioaufnahmen erledigt, und sie konnte sich voll und ganz auf ihr eigentliches berufliches Wunschziel konzentrieren. –
Doch kaum in der Stadt angekommen, wurde sie von einem Fotografen belagert, der unbedingt Modefotos mit ihr machen wollte. Und als sie sich schließlich zu Probeaufnahmen überreden ließ, stellte sich heraus, dass es sich um eine Werbung für sehr aufreizende Dessous handelte.
Nun, Sabine selbst hatte damit kein Problem, aber dann dachte sie an ihren arg konservativen Vater und was der wohl dazu sagen würde, wenn sie sich in dieser Weise zur Schau stellen wollte. – Andererseits konnte sie allein nur mit diesem einen Auftrag eine Menge Geld verdienen, und sich so einen großen Teil ihres Studiums finanzieren. –
Noch hatte sie sich nicht entschieden, da bekam sie einen alarmierenden Brief von Sepp, in dem er ihr berichtete, dass die 7 Hundewelpen, die eine Heimat im Forsthaus gefunden hatten, gestohlen und an ein Forschungslabor verkauft worden waren. –
Am liebsten hätte Sabine daraufhin alles liegen und stehen lassen und wäre sofort nach Hause zurück gekehrt. Aber sie konnte doch ihre beiden Freundinnen nicht einfach mitten in den Aufnahmen im Studio im Stich lassen?!
***
Die ganze Organisation schien Sabine von Anfang an etwas flapsig.
Schon ihre Ankunft im Hauptbahnhof war ein wenig sonderbar, denn keiner schien sie zu erwarten, um sie abzuholen.
Die Drei suchten sich einen strategisch günstigen Ort, eine Bank in der Nähe des Fahrplans, wo man sie mit Sicherheit finden konnte, und dann machte sich Sabine auf die Suche nach einem Gepäckwagen, wobei sie aufrichtig bedauerte, dass es wohl keine traditionellen Gepäckträger mehr gab; diese feschen Burschen in den schicken Uniformen mit den neckischen Käppis. –
Die Gedanken an die Benachrichtigung, welche ihren Studienplatz betraf, ließen ihr keine Ruhe.
Nun, sie hatte schon damit gerechnet, dass sie schnell an der Uni aufgenommen wurde, bei ihrem fabelhaften Abi. Allerdings ergaben sich da doch ein paar Schwierigkeiten.
Zuerst die Sache mit der Band und ihren Freundinnen. Auch Sabine hoffte, genau wie Christa, dass sie diese Studioaufnahmen rasch über die Bühne bringen konnten. Aber dadurch verdienten sie ja noch nicht direkt Geld, erst durch den Verkauf der CD. – Und da war Roberts Vorschlag mit der Tournee als Werbung eigentlich logisch, jedoch sehr zeitaufwändig. Das würden sie niemals bis zum kommenden Herbst schaffen, wenn ihr Studium beginnen sollte.
Das zweite Problem war das Geld. Als Förster verdiente ihr Vater wahrhaftig keine Reichtümer, und da war auch noch ihr kleiner Bruder, der gerade aufs Gymnasium gewechselt hatte und vielleicht auch irgendwann studieren wollte. Und gerade das Medizinstudium war teuer und dort wurden so gut wie keine Stipendien vergeben. –
So in Gedanken wurde Sabine plötzlich von einem Blitzlicht geblendet. Empört fuhr sie den jungen Mann mit der Kamera an: „He Sie, was soll das? Sie können mich doch nicht einfach so knipsen, ohne um Erlaubnis zu fragen!“
Gelassen entgegnete er, indem er eine Visitenkarte zückte und sie ihr gab: „Sorry, aber ich konnte nicht anders! Sie sind ein wunderschönes Model! Irgendwie erinnern Sie mich an eine Märchenfee.“
Über diesen Vergleich musste Sabine dann doch lachen und warf einen Blick auf das Kärtchen. Dort stand schlicht und einfach: '' Karl Bender – Modefotograf“ und auf der Rückseite eine Telefonnummer.
Sofort schoss ihr durch den Kopf: War dieser Mann vielleicht die Lösung für ihre Geldsorgen? ---
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Eigentlich war Sabine in jeder Hinsicht recht zufrieden mit sich. Beinah alles hatte sich für sie ganz fabelhaft entwickelt. – Ja, apropos entwickeln.
Tatsächlich konnte der Fotograf Karl Bender sie zu Probeaufnahmen überreden. Und obwohl sie schließlich halb nackt vor seiner Kamera posierte, war ihr das nicht besonders unangenehm, sie dachte dabei die ganze Zeit lediglich an das Geld, welches sie dadurch verdienen konnte. –
Doch als dieser Karl plötzlich zudringlich werden wollte, wies sie ihn sofort in die Schranken, mit der Bemerkung – und dem Bild von Sepp im Hinterkopf – sie wäre bereits verlobt und würde demnächst heiraten, und ihr Bräutigam wäre sehr eifersüchtig. –
So dachte sie zunächst, ihre Ablehnung hätte den Mann so verärgert, dass es Essig war mit dem Werbeauftrag. Doch Karl Bender war viel zu sehr Profi, um sich von einer persönlichen Schlappe abschrecken zu lassen. –
Er tauchte wahrhaftig auf der großen Party auf, um Sabine die Probeabzüge zu zeigen und hatte auch gleich den Vertrag dabei, den das Mädchen in seiner Euphorie, ohne ihn erst durch zu lesen, unterschrieb. Zumal er ihr als vorab Honorar einen Umschlag mit einer nicht geringen Geldsumme in die Hand drückte.
Sabine konnte ja nicht ahnen, dass sie dem Mann mit ihrer Unterschrift sämtliche Vollmacht zur Veröffentlichung ihrer Fotos gab. ---
--- Schon bald wurde sie auf diese Bilder angesprochen, denn es stellte sich heraus, dass eine Boutiquen-Kette in ihren Schaufenstern mit einem besonders freizügigen Foto von ihr für ihre Dessous warb.
So hatte sich Sabine das eigentlich nicht vorgestellt, und sie war richtig froh, dass es keine Filiale dieser Boutique in ihrem Heimatdorf oder auch nur in seiner Nähe gab. Allerdings brach sie jeden weiteren Kontakt zu Karl Bender ab und hoffte, dass sich die so entstandene Aufmerksamkeit für sie bald legen würde. ---
--- Die nächste kleine Unstimmigkeit ergab sich, als Robert den ''Märchenfeen“ die Idee mit der Tournee schmackhaft machen wollte.
Für Sabine war ihre Musik-Karriere mit der Aufnahme der CD abgeschlossen. Sie wollte studieren und Tierärztin werden, wie sie es immer schon vorgehabt hatte.
Außerdem wartete da ein gewisser Sepp auf sie, der ihr regelmäßig unerwartet liebevolle Briefe geschrieben hatte. – In einem teilte er ihr auch mit, dass die 7 Hundewelpen wieder wohlbehalten ins Forsthaus zurück gekehrt waren.
Ein Freund und Arbeitskollege von ihm hatte sie in besagtem Forschungslabor ausfindig gemacht, und sie hatten die Tiere gemeinsam in einer Nacht-und-Nebel-Aktion da raus geholt. –
So gab es für Sabine gleich mehrere Gründe, nach Hause zurück zu kehren.
***
Wieder standen die drei Freundinnen mit ihrem Gepäck im Hauptbahnhof der großen Stadt. Doch dieses Mal führte sie ihre Reise nicht in ein ungewisses Abenteuer, sondern nach Hause in ihr Heimatdorf und zu ihren Familien. ---
--- Sabine hatte auch, genau wie Christa, zwei Briefe los geschickt. Den einen an ihren Vater mit einer beigefügten Nachricht für Sepp.
Der zweite ging an die Uni, die ihre Aufnahme zum Herbst bestätigt hatte, in dem sie sich schriftlich und offiziell dort anmeldete ---
--- Sabine stand eine ganze Weile allein am Bahnhof des Dorfes und glaubte schon, man hätte sie vergessen.
Da fuhr der Jeep des Försters vor, doch es stieg nicht ihr Vater aus, sondern Sepp. Er winkte ihr kurz zu, ging hinten an den Wagen und öffnete die Ladeklappe. Heraus purzelten 7 kleine Hunde an ihren Leinen, welche in der Mitte zu einer einzigen dicken Leine zusammen geflochten waren, welche Sepp ergriff und festhielt, während die Hündchen in alle Richtungen zogen.
Sabine lachte herzlich und ging auf die lustige Bande zu. Und Sepp rief: „Na, wie findest du unsere Rasselbande? Wurde auch langsam Zeit, dass du nach Hause kommst und dich gemeinsam mit mir um diese Rabauken kümmerst.“
Als sie sich umarmten und küssten, verhedderten sie sich rettungslos in den vielen Leinen, weil die Hündchen fröhlich um sie herum wuselten.
Die Hochzeit von Christa und Sebastian (Wastl) Sonnleitner wurde zu einem großen Dorffest.
Der Schuhmacher-Meister Gotthart Talhuber – Christas Vater – war ein angesehener und beliebter Bürger der Ortschaft, nicht nur als aktives Mitglied im Schützen- und Jagdverein, sondern auch als ein Teil des Gemeinderats.
Außerdem heiratete seine einzige Tochter sozusagen ''Gewerbe-intern“ und sicherte somit das weitere Fortbestehen des gut eingesessenen Familienbetriebs. ---
--- So hatte Herr Talhuber auch von Anfang an die Verbindung zwischen seiner Tochter und dem neuen Gesellen nicht nur geduldet, sondern sogar forciert, als er bemerkte, dass sich da etwas bei den beiden jungen Leuten anbahnte. Spätestens als Wastl diese prachtvollen Tanzschuhe für Christa angefertigt hatte, war dem Vater alles klar. –
Aber dann musste dieses dumme Mädel ja unbedingt mit ihren beiden Freundinnen in die Stadt, um Musik zu machen!
Es hatte dem armen Jungen fast das Herz gebrochen, als Christa sich auf unbestimmte Zeit von ihm verabschiedete. – Und als Woche um Woche verging, begann Wastl fast daran zu zweifeln, dass ''seine“ Christa je wieder zu ihm zurück kehren würde. ---
--- Dann die große Erleichterung, als ihr Brief ihn erreichte! Zwar war er im ersten Moment betroffen über das Malheur mit den Tanzschuhen, doch dann kam ihm gleich die Idee mit den Brautschuhen. Womit er schließlich endgültig ihr Herz eroberte – natürlich nicht nur mit den Schuhen – und sie schon bald konkrete Hochzeitspläne schmiedeten.
***
Doris bekam eine Einladung, sogar mit der Bitte, doch als Christas Trauzeugin zu fungieren. Leider konnte die Freundin nicht sofort zusagen, denn sie steckte mitten in den Vorbereitungen für eine Reise nach Frankreich, wo sie ihre große Solo-Tournee beginnen sollte, welche Robert bereits in die Wege geleitet hatte. Sie musste sich erst mit ihm besprechen, ob sich Zeit dafür finden würde. ---
--- Ihre eigenen Hochzeitspläne waren vorerst auf Eis gelegt worden, denn die Tournee schien sowohl Robert als auch ihr selber zunächst wichtiger.
Roberts Zwillingsschwester, die schon recht bekannte Songschreiberin Roberta Prinz, hatte für Doris ein paar wunderschöne Chansons und Balladen geschrieben, aber zusätzlich wollte sie natürlich auch Songs der ''Märchenfeen“ singen, um die CD publik zu machen. –
Sie alle Drei wohnten zusammen in einem geräumigen Appartement, das Robert befristet gemietet hatte, nachdem sie vom Besuch bei Doris' Vater – dem im ländlichen Umkreis recht bekannten Rosenzüchters Berthold Küppers – in die Stadt zurück gekehrt waren. Gleichzeitig versprach er ihr aber auch, etwas Eigenes für sie zu suchen, wenn sie erst verheiratet wären.
Das war das letzte Mal, dass Robert überhaupt von Heirat sprach, danach wurde dieses Thema von ihm ad acta gelegt. ---
--- Doris erzählte den Geschwistern beim gemeinsamen Abendessen von der Einladung und fügte gleich hinzu, dass sie diese sehr gern annehmen würde. Dabei sah sie Robert bittend, ja beinah flehend an. Er runzelte die Stirn und bemerkte nur: „Ein sehr unpassender Zeitpunkt.“ – „Aber Robbi, was redest du denn da?“ rief seine Schwester verwundert. „Es gibt doch noch gar keinen konkreten Termin für Dodos Auftritt. Das wolltest du doch erst vor Ort regeln. Da kommt es doch auf ein paar Tage nicht an.“
Sofort fuhr Robert sie ungehalten an: „Mensch, Berta, halt doch dein dummes Plappermaul!“
Doris saß da wie vom Donner gerührt und schaute bestürzt zwischen den beiden hin und her. Dann fragte sie: „Was soll das bedeuten? Keine festen Termine? Ich denke, meine Auftritte sind schon alle fest gelegt.“
Robert warf seiner Schwester einen bösen Blick zu und wandte sich beschwichtigend an Doris: „Kein Thema, mein Schatz! Du wirst auftreten! Mein französischer Freund und Kollege hat da schon einige Lokalitäten ins Auge gefasst.“
Doris schüttelte ungläubig den Kopf. „Versteh ich das jetzt richtig? Wir fahren aufs Geratewohl nach Frankreich? Ohne zu wissen, ob ich da überhaupt auftreten kann?“ – „Süße, du wirst auftreten! Ich verspreche es dir!“ – „Ach, du immer mit deinen leeren Versprechungen!“ empörte sich Doris, sprang auf und lief aus dem Zimmer.
Betroffen schauten sich die Geschwister an, und Roberta meinte: „Warum hast du ihr nicht vernünftig erklärt, wie das alles abläuft? Jetzt fühlt sich Dodo von dir verraten. - Gibt's denn wirklich eine Aussicht, dass sie in absehbarer Zeit auftreten kann?“ – „Schwesterchen, vertrau mir! Es wird alles gut!“ – „Mich brauchst du nicht beruhigen! Ich kenn dich gut genug, um zu wissen, dass du alles irgendwie hinbiegen wirst. Mit Dodo solltest du reden und es ihr genau erklären!“
In diesem Moment hörten sie laut die Wohnungstür zuschlagen.
***
Sabine bekam auch eine Einladung, mit derselben Bitte. –
Wastl war voll und ganz mit Christas Wahl der Trauzeugen einverstanden, denn er hätte niemanden für diese Aufgabe benennen können, er hatte weder Familie noch besonders gute Freunde. –
Jedenfalls zeigte sich Sabine begeistert und sagte sofort zu. Dann erst überlegte sie, wie sie das zeitlich regeln konnte.
Noch hatte sie ihr Studium nicht begonnen, aber sie half dem ortsansässigen Tierarzt Dr.Schäfer im Nachbardorf stundenweise, um schon mal eine gewisse Praxis zu bekommen.
Außerdem arbeitete sie, ebenfalls stundenweise, aber ehrenamtlich - in einem Tierheim in einem anderen Dorf in der Nähe.
Dann kümmerte sie sich natürlich um den Haushalt für den Vater, den Revierförster Wolfgang Schrader, und den kleinen Bruder.
Und dann waren da ja noch die 7 kleinen Hunde-Rabauken, doch bei denen bekam sie Hilfe von Sepp - der Waldarbeiter Josef Uhland – allerdings erst nach Feierabend. Aber sobald er seine Arbeit erledigt hatte, fand er sich im Forsthaus ein, beinah als wäre er dort schon zuhause. In seiner kleinen Junggesellenbude hielt er sich kaum noch auf.
Zwar war auch bei Sabine und Sepp schon die Rede vom Heiraten gewesen, doch so eilig wie Christa und Wastl hatten sie es damit noch nicht. Schließlich wollte Sabine zumindest mal ihr Zwischenexamen erreichen, bevor sie an die Gründung einer eigenen Familie denken konnte. Und bis dahin hatten sie ja die Hunde, quasi als Kinderersatz. –
Trotzdem äußerte sich Sepp gerade erst kurz vor Erhalt der Einladung beim gemeinsamen Abendbrot: „So lieb wir unsre Rasselbande auch haben. Auf Dauer können wir nicht alle 7 behalten. Allerhöchstens 2 oder vielleicht noch 3. Für den Rest müssen wir ein schönes Zuhause finden.“
Da erklärte Sabine lachend: „Na, zwei wüsste ich schon unterzubringen.“ – „Etwa bei deinen beiden Freundinnen? - Naja, bei Christa könnte es klappen. Aber Doris? Wenn die doch dauernd unterwegs ist.“
Sabine winkte lässig ab. „Es gibt genug Künstler, die ihre Haustiere trotzdem immer bei sich haben und auf Reisen mitnehmen.“
***
Doris war so aufgewühlt, dass sie blind für ihre Umgebung aus dem Haus und bis auf die Straße lief. Ein altes, klappriges Auto konnte gerade noch rechtzeitig mit quietschenden Reifen bremsen. Erschrocken sprang Doris zurück auf den Bürgersteig und sah erstaunt, wie der Wagen ein Stück weiter am Bordstein hielt.
Ein junger Mann stieg aus und eilte besorgt auf sie zu. Als sie sich gegenüber standen, erkannten sie einander sofort.
„Nanu? Doris … ähm, ich meine Frau Küppers. Eine der Märchenfeen. Welch netter Zufall!“ – „Sieh da, Herr Bender! Der Fotograf, der meine Freundin übers Ohr gehauen hat. Als NETTEN Zufall würde ich das nicht grad bezeichnen.“ – „Ich hoffe, Ihnen ist nichts passiert?“ – „Nein, nein, alles in Ordnung.“
Doris wollte sich abwenden und ihn einfach stehen lassen, doch er fragte sie aufgeregt: „Wie geht es Sabine?“
Verblüfft sah sie ihn an und antwortete nur zögernd: „Ich weiß zwar nicht, was Sie das angeht. Aber ihr geht’s gut. Sie ist wieder zuhause. Die Band hat sich ja aufgelöst.“
Nun zeigte sich Karl betroffen. „Schade! Sie waren wirklich gut. Und was macht die Dritte im Bunde? Die mit den schicken Schuhen.Wie hieß sie doch noch?“
Bei der Bemerkung über die Schuhe musste Doris schmunzeln und gab bereitwillig Auskunft: „Christa ist auch wieder zuhause.Sie heiratet in Kürze.“ – „Wie schön für sie. Und Sie? Wie geht's Ihnen? Was machen Sie denn jetzt so?“ fragte er sie ungeniert weiter aus.
Für einen Moment starrte sie ihn mit gerunzelter Stirn an. Doch dann antwortete sie freimütig: „Ich trete jetzt allein auf. Als Sängerin. Demnächst in Frankreich.“
Sie wusste eigentlich selber nicht recht, warum sie ihm das erzählte. Außerdem fiel ihr da wieder ein, was sie eben erfahren musste, wie Robert sie belogen hatte. Sofort wurde sie ganz traurig, was Karl nicht verborgen blieb. Er spürte instinktiv, dass sie etwas bedrückte, und weil er von Natur aus schrecklich neugierig war, schlug er ihr vor: „Kommen Sie, ich lade sie auf einen Kaffee ein! Gleich da vorn ist ein Bistro. Und dann erzählen Sie mir ein bisschen von Ihrer neuen Karriere. – Sie wissen ja, ich bin Fotograf. - Vielleicht ….“ - er blickte sie schräg unterm Berg her an - „Vielleicht können wir ja was füreinander tun?“
Doris überlegte und betrachtete ihn genauer. Er wirkte etwas abgerissen, in billigen, nicht gerade sehr sauberen Klamotten, Haare und Bart leicht ungepflegt, ihm schien es wohl nicht so besonders gut zu gehen. Sofort bekam die gute Seele Mitleid.
Unwillkürlich blickte Doris hoch zu ihrem Wohnzimmerfenster, wo wahrhaftig Robert stand und wie zufällig zu ihr herab schaute.
Da hakte sie sich ungeniert bei Karl ein und sagte: „Gehen wir also Kaffee trinken. - Aber ich lade Sie ein!“
***
Christa berichtete Wastl verwundert von Doris' geheimnisvollem Anruf: „Stell dir vor, Schatz, sie klang ganz aufgeregt. Hat wohl vom Handy aus irgendeinem Lokal angerufen.Diese ganzen Hintergrundgeräusche. Aber sie hat ihr Kommen zugesagt. Mit männlicher Begleitung. Allerdings nicht Robert. Ist das nicht seltsam?“
Wastl grinste nur. „Vielleicht hat sie 'nen Neuen, von dem wir noch nix wissen? Hauptsache ist doch, sie kommt. Und Sabine hat auch schon zugesagt. Damit stehen unsere Trauzeugen schon mal fest.“ – „Hast ja Recht, mein Schatz! Aber ich bin trotzdem gespannt, was für'n Typ sie da anschleppt. Und vor allem, was mit ihr und Robert los ist.“
Wastl lachte. „Das wirst du alles noch erfahren, mein Liebling. - Aber weißt du auch, was ich über Sabine gehört hab? Sie scheint gar nicht mehr so erpicht aufs Studium. Hat sich beim Dr.Schäfer erkundigt, ob sie sich nicht als Tierpflegerin ausbilden lassen könnte. Eine Ausbildung wäre ja wohl nicht so langwierig wie ein Studium.“ – „Na so was!“ staunte Christa. „Dabei war Tierärztin doch immer ihr großer Traum.“
Da nahm Wastl sie lachend in seine Arme und behauptete: „Manche Träume ändern sich. Ich denk da grad an eine Schlagzeugerin und Songtexterin, die mal eine große Musik-Karriere anstrebte.“ – „Unsinn!“ wehrte Christa, ebenfalls lachend, ab. „Ich wollte nie ernsthaft die Musik zum Beruf machen. Das war nur mal ein kleiner Ausflug in einer andre Welt. Hier im Dorf gefällt es mir bedeutend besser. Und das Schuster-Handwerk ist auf Dauer eine viel solidere Basis für eine Existenz.“
Dann gab sie ihm einen herzhaften Kuss und meinte auffordernd: „Also, in diesem Sinne, wieder ran an die Arbeit!“
***
Sabine hatte gründlich über alles nachgedacht, das Für und Wider abgewogen, da spielten ja auch Zeit und Ort eine große Rolle. Auf der einen Seite das Studium in einer sehr weit entfernten Stadt. An regelmäßige Besuche zuhause war wohl kaum zu denken. Und es würde sich über mindestens 10 Semester, also 5 Jahre hinziehen. – Eine Ausbildung zur Tierpflegerin hingegen dauerte ''nur“ 3 Jahre, und sie könnte sie tatsächlich hier in der näheren Umgebung machen, da hatte sie sich schon bei Dr.Schäfer erkundigt. Und eine spätere Anstellung hätte sie auch schon in Aussicht, in einem Wildpark, auch ganz in der Nähe.
Also sprach doch alles für diese Ausbildung?! Aber sollte sie ihren großen Wunschtraum, Tierärztin zu werden, einfach so begraben? –
Wenn sie sich gemeinsam mit Sepp um die 7 kleinen Hunde kümmerte, oder in den paar Stunden im Tierheim fühlte sie sich in ihrem Entschluss bestärkt. Doch wenn sie Dr.Schäfer in seiner Praxis half, geriet dieser sofort wieder ins Wanken.
Die endgültige Entscheidung fiel ihr wirklich nicht leicht, und sie wollte sie ganz allein treffen, ohne Absprache mit irgendwem, weder mit ihrem Vater noch mit Sepp, das machte es ja so besonders schwer. –
Sie beneidete Christa direkt um ihre Unerschütterlichkeit, ihren festen Willen, was den Beruf anging, aber auch was die Liebe zu Wastl betraf. – Nicht dass sie sich über Sepps Aufmerksamkeit ihr gegenüber beschweren konnte! Im Grunde genommen lebten sie schon quasi zusammen, teilten sogar das Bett unter dem Dach des Forsthauses, mit Billigung von Herrn Schrader. –
Und doch musste sie plötzlich an den Fotografen Karl Bender denken! So freizügig, wie sie sich ihm und seiner Kamera präsentiert hatte, kannte Sepp sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Daher war Sabines Abwehr von Karls Zudringlichkeit auch eher halbherzig gewesen. Im Grunde genommen hatte er sie schon ein wenig beeindruckt, aber obwohl noch keine richtige Beziehung zwischen ihr und Sepp bestand, kam es ihr doch so vor, als würde sie ihn betrügen, wenn sie sich mit Karl einließ. –
Im Nachhinein war sie natürlich froh, dass sie standhaft geblieben war, zumal sich die Beziehung zu Sepp nach ihrer Rückkehr sehr schnell und positiv entwickelte. –
Warum also spukte auf einmal dieser Fotograf durch Sabines Kopf?
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Doris hatte tatsächlich – warum auch immer – ihren Frust über die geplante Tournee dem Fotografen Karl anvertraut. Als sie bei einem Kaffee in dem kleinen Bistro an der Ecke zusammen saßen, erzählte sie ihm davon. Doch Karl fand die vage Planung von Robert gar nicht so ungewöhnlich und erklärte ihr, dass in der Branche solch eine Vorgehensweise, gerade bei noch unbekannten Künstlern, ob Sänger oder sonstige Musiker, eigentlich sogar üblich war.
„Sehen Sie, Doris, die Leute, die ihre Lokalität zur Verfügung stellen, wollen sich gern vorher selbst ein Bild von dem Künstler machen, der da auftreten will. Die wollen sich nicht allein auf die schwärmerische Anpreisung eines Produzenten verlassen. Sie sind ja noch nie irgendwo öffentlich aufgetreten. Abgesehen von diesen Dorfveranstaltungen. Und das zusammen mit einer Band. Niemand kennt Sie doch bisher als Solokünstlerin.“
Nun, diesen Argumenten konnte Doris schwer widersprechen. Trotzdem schimpfte sie: „Und warum konnte mir Robert das nicht so in aller Ruhe erklären?“
Worauf Karl achselzuckend meinte: „Vielleicht befürchtet er, dass Sie vor diesem Sprung ins kalte Wasser zurück schrecken. Denn das ist es ja gewissermaßen.“
Diese Bemerkung machte Doris schon sehr nachdenklich. Robert wusste von ihrem scheußlichen Lampenfieber vor jedem Auftritt bei diesen dörflichen Veranstaltungen. Wie würde sie erst reagieren, allein vor einem großen Publikum? Aber war das wirklich der Grund, warum er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte? –
Schnell versuchte Doris, das Thema zu wechseln, indem sie sich bei Karl erkundigte, was er denn so zur Zeit machte. Da wurde der Fotograf ganz verlegen und kleinlaut und gestand ihr schließlich, dass er schon seit einer geraumen Weile keine Aufträge mehr hatte. Dann fügte er mit einem gezwungenen Lächeln hinzu: „Als Selbständiger ohne feste Anstellung hat man's eben nicht leicht.“
Da kam Doris eine – in ihren Augen gute – Idee! Sie schlug ihm vor: „Begleiten Sie mich doch zur Hochzeit meiner Freundin! Sie könnten Fotos machen. Als Reklame für die ''Märchenfeen“. Damit sich die CD gut verkauft.“
Karl überlegte nicht lange, sondern erklärte sich freudig einverstanden. – Leider hatte Doris bei ihrem spontanen Einfall nicht bedacht, dass sich auf diese Weise Karl und Sabine wiedersehen würden! –
Nachdem Doris sich noch im Bistro über Handy bei Christa angemeldet hatte, tauschten sie und Karl ihre Telefonnummern aus, damit sie sich in Verbindung setzen und den genauen Termin ihrer Fahrt ins Dorf vereinbaren konnten.
Schließlich verabschiedeten sie sich, und Doris ging nach Hause, um Robert ihren Entschluss, die Einladung der Freundin anzunehmen, mitzuteilen.
***
Christa sah betrübt aus dem Fenster der Schuster-Werkstatt in den stetig fallenden Nieselregen und seufzte abgrundtief. Mit trauriger Stimme sagte sie zu Herrn Talhuber, der an einem anderen Tisch arbeitete: „Ach, Papa! Meine Hochzeit ist übermorgen, und dieser blöde Regen will einfach nicht aufhören. Ich fürchte nicht nur um mein Kleid, sondern auch um meine schönen Schuhe.Die sind ganz gewiss nicht Regen tauglich!“
Der Vater nahm das Paar Schuhe, an dem er gerade letzte Hand angelegt hatte, hoch und zeigte es seiner Tochter, mit den Worten: „Da wird es deinem Wastl mit deinem Geschenk nicht viel besser gehen.“
Es handelte sich wahrhaftig um schwarze Lackschuhe – Herrenschuhe – in Größe 47! - die Christa unter Anweisung ihres Vaters angefertigt hatte, sozusagen als Bräutigam-Schuhe und Gegenstücke zu denen, die Wastl ihr geschenkt hatte.
Herr Talhuber schüttelte amüsiert den Kopf und bemerkte: „Schon eine verrückte Idee von dir! Lackschuhe für einen Mann!“
Christa konnte schon wieder lachen. „Ich bin auch auf Wastls Gesicht gespannt. - Pack sie schnell weg! Er kommt doch gleich aus der Stadt zurück.“ ---
--- Dass Christa sich Sorgen um ihr Schuhwerk machte, war verständlich, denn am Hochzeitstag hatte das Brautpaar mehrere Wege zurück zu legen: vom Standesamt im Rathaus zur Kirche, und von dort aus zur Gemeindehalle, die am Rand des Dorfes lag, wo die Feier stattfinden sollte. –
Dann kam Förster Schrader auf die gute Idee, eine Kutsche zu organisieren. Was seine Tochter Sabine zu der heiteren Äußerung veranlasste: „Natürlich braucht unsere Cinderella eine Hochzeitskutsche! Da hättest du auch eher drauf kommen können, Papa! Klappt denn die Buchung jetzt noch?“
Nun, Herr Schrader hatte da so seine Beziehungen, und außerdem bot Herr Küppers an, seine Rosenzucht zu plündern, um die Kutsche damit zu schmücken, ebenso für den Brautstrauß. ---
--- Der Vater freute sich sehr, dass seine Tochter Doris auch zur Hochzeit kam. Allerdings war er über ihren Begleiter nicht so begeistert. Zumal Doris den Fotografen Karl statt im Dorfgasthof im elterlichen Landhaus einquartierte. –
Und noch waren Karl und Sabine nicht aufeinander getroffen.
***
Sabine stand vor der Spiegeltür ihres Kleiderschranks und betrachtete sich kritisch von Kopf bis Fuß. Irgendwie kam sie sich lächerlich vor in diesem fliederfarbenen Gebilde aus Taft und Tüll. Obwohl die Farbe gut zu ihrem pechschwarzen Haar harmonierte. Aber diese Art und Form war so gar nicht ihr Stil. Sie mochte es lieber sportlich leger. – Naja, das würde wohl weniger zu dem Anlass passen, und sie brauchte dieses bauschige lange Kleid ja auch nur einen Tag lang tragen. –
Tatsächlich hatte sie sich von Christa überreden lassen, nicht nur Trauzeugin, sondern auch Brautjungfer zu spielen. Und Doris stand dasselbe Schicksal bevor, in einem gleichen Kleid. Denn Christa bestand darauf, dass die Brautjungfern einheitlich auftraten. Darum hatte sie sich für die Farbe Flieder entschieden, weil das sowohl zu Sabines pechschwarzem Bubikopf, als auch zu Doris' kastanienbrauner Lockenpracht passte. ---
--- Als Sabine an Doris dachte, fiel ihr diese Halluzination ein, welche sie glaubte gesehen zu haben, und zwar am frühen Nachmittag im Dorf, als sie das Kleid von der Schneiderin abgeholt hatte. – Denn eine Halluzination musste es gewesen sein, diese klapprige Rostlaube, mit dem Fotografen Karl Bender am Steuer, und auf dem Beifahrersitz saß Doris.
Was hatte dieser Karl hier zu suchen? Noch dazu zusammen mit Doris? ---
--- In diesem Moment ging die Tür auf, und Sepp betrat das Schlafzimmer, ihm auf den Fersen die quirlige Hundeschar. Erschrocken rief Sabine: „Draußen bleiben! Ich mein die Hunde. Die reißen mir sonst in ihrem Übermut das Kleid kaputt.“
Zu spät! Eifrig schnüffelnd umkreisten die Hündchen sie, aber zum Glück sprang keines an ihr hoch. Sepp sammelte lachend einen nach dem anderen ein und bugsierte sie zur Tür hinaus, welche er nach dem letzten energisch schloss.
Sofort startete ein Jaulkonzert, was er jedoch tunlichst ignorierte und sich Sabine zu wandte. Nach einem musternden Blick stieß er einen bewundernden Pfiff aus. „Aber Hallo! Siehst du toll aus! Wie eine richtige Prinzessin.“
Sabine lächelte geschmeichelt. „Möchtest du mein Prinz sein? Ich hoffe, du hast einen passenden Anzug?“
Nun zeigte sich Sepp betroffen. „Ich kann doch nicht auf diese Feier! Erstens hab ich keine offizielle Einladung. Und zweitens bin ich kein einheimischer Dörfler, sondern aus dem Nachbardorf. Das nehmen die Honoratioren schon sehr genau. Bei einem dörflichen Familienfest.“
Sabine wusste, dass Sepp im Prinzip Recht hatte. Trotzdem widersprach sie: „Aber du gehörst doch zu mir! Wir sind doch ein Paar!“ – „Nicht offiziell, mein Schatz! Wir sind ja noch nicht mal verlobt.“
Etwas lauernd behauptete sie: „Dafür brauchst du mir doch nur einen Ring anstecken.“ – „Also für mich ist dies Diridari kein Grund für'ne Verlobung. Außerdem mach immer noch ich den Antrag. – Wenn überhaupt.“ – „Was soll das denn jetzt heißen?“ empörte sich Sabine.
„Das heißt, wir waren uns einig, so schnell nicht zu heiraten.Also brauchen wir uns auch nicht so Hals über Kopf verloben. Einfach so zum Schein.“
Irgendwie machte Sepps Abwehr Sabine wütend, denn sie stampfte wie eine trotzige Göre mit dem Fuß auf und schrie ihn an: „Wenn das so ist, dann verzieh dich wieder in deine Junggesellenbude und lass dich hier nicht mehr blicken!“
Zunächst starrte Sepp sie verdutzt an, dann schrie er zurück: „Aber die Hunde gehören mir! Ich hab sie gefunden und auch wieder zurück geholt.“
Sabine schnaubte nur verächtlich. „Wo willst du sie denn lassen, in deiner winzigen Bude?“ – „Wer sagt denn, dass ich da bleibe? Vielleicht miete ich mir ja ein kleines Haus?“ – „Das kannst du dir doch gar nicht leisten!“ – „Und ob, meine Liebe! Du hast ja keine Ahnung von meinen Finanzen.“ – er blickte sie etwas traurig an – „Ich hab schon länger geplant, ein Haus für uns zu kaufen. Aber noch reichen meine Ersparnisse nicht ganz für einen Kauf. Also kann ich vorerst nur mieten. Weil du mich ja so plötzlich loswerden willst.“
Da wurde Sabine ganz kleinlaut. „Das will ich doch gar nicht.“ – „Ach nee? Du hast mich doch grad raus geschmissen.“
Die Zwei blickten sich an und … begannen beide zu grinsen.
Dann drehte Sabine ihm den Rücken zu – am Kleid befand sich ein langer Reißverschluss – und forderte ihn auf: „Sei so lieb und hilf mir, das Kleid ausziehen!“ …
***
Doris rief Sabine an, um sie zum Kaffeetrinken ins Landhaus einzuladen. Vorrangig wollte sie mit ihr über den Ablauf der Hochzeit und ihre Rollen bei dem Ganzen sprechen. Doch Sabine spürte instinktiv, dass da noch unterschwellig ein anderer Grund vorlag, weshalb sie die Freundin besuchen sollte.
Ihr war zu Ohren gekommen, dass Doris nicht allein ins Dorf gekommen war, sondern in Begleitung eines fremden Mannes. Nun wusste Sabine, dass sie keiner Halluzination unterlegen war, und sie wappnete sich in Gedanken für das Zusammentreffen mit Karl. ---
--- Doch tatsächlich war Doris allein, als Sabine pünktlich dort eintraf, selbst Herr Küppers glänzte durch Abwesenheit, und auf dem hübsch gedeckten Kaffeetisch standen nur zwei Tassen bereit.
Doris hatte Karl zu den Talhubers geschickt, damit er mit dem Brautpaar besprechen sollte, was er alles fotografieren könnte.
Natürlich nahm Doris an, dass Sabine bereits von Karls Hiersein wusste, so was sprach sich im Dorf ja schnell herum, zumal er auch noch im Landhaus wohnte. –
So breitete sich zunächst eine gewisse Verlegenheit zwischen den Freundinnen aus, und keine der beiden wagte es, zuerst zu sprechen.
Dieses ungemütliche Schweigen hielt Sabine aber nicht lange aus, und sie fragte Doris frei heraus: „Sag mal, stimmt das, du bist nicht mit Robert hier? Sondern mit 'nem andren Mann? Kann es sein, dass es sich dabei um Karl, den Fotografen, handelt?“
Als Doris nur wortlos nickte, schien Sabine richtig erleichtert. „Hab ich mir das also doch nicht eingebildet! - Aber kannst du mir auch verraten, was der hier will?“
Endlich fand Doris ihre Sprache wieder. „Na, was wohl? Fotos machen! Schließlich ist er Fotograf. Er will auf der Hochzeit knipsen, quasi als Reklame für die CD der ''Märchenfeen“.“ – „Wie ist er denn auf die blöde Idee gekommen?“ – „Na hör mal! Was heißt denn hier blöde Idee? Der Einfall stammt von mir. Herr Bender und ich haben uns zufällig getroffen. Und er hat grad nichts anderweitig zu tun.“
Wie schlecht es Karl wirklich ging, wollte sie Sabine nicht gerade auf die Nase binden. Diese wurde nachdenklich und gab dann zu: „Ist eigentlich doch keine so dumme Idee. – Aber jetzt erzähl mal von deinen Plänen! Dein Vater erzählt stolz im Dorf herum, dass du auf große Tournee gehen willst.“
Da umwölkte sich Doris' Stirn, und sie dachte mit Unbehagen an den Streit mit Robert, als Karl sie abgeholt hatte.
***
Robert wollte sich eigentlich bei Doris entschuldigen und in Ruhe mit ihr über die Tournee reden. Doch als sie fröhlich und gut gelaunt die Wohnung betrat, runzelte er die Stirn und fragte mürrisch: „Woher kommt denn plötzlich diese Heiterkeit?“
Bereitwillig und mit einem Lächeln gab sie Auskunft: „Ich hab grad auf Crissys Einladung bei ihr angerufen und zugesagt. Da ich ja doch keine Termine hab, kann ich zu ihrer Hochzeit fahren. - Übrigens fahre ich mit Karl Bender. - Du weißt schon, der Fotograf, der Sabsi geknipst hat. - Er wird auf der Hochzeit Fotos machen. Als Reklame für die ''Märchenfeen“. War meine Idee, und er war gleich einverstanden.“
Da meinte Robert wütend: „Und das entscheidest du einfach so, ohne dich vorher mit mir abzusprechen?“
Worauf Doris auch ungehalten wurde: „Du besprichst ja auch nichts mit mir! - Du kannst ja mitkommen, wenn du bei all deinen Verpflichtungen Zeit findest.“
Die letzte Bemerkung triefte nur so von Sarkasmus, und Robert konterte mit Zorn blitzenden Augen: „Nein danke! Ich halte nix von so dörflichen Vergnügungen. Außerdem hast du ja einen Begleiter.“ …..
In dieser Nacht schlief Doris in Robertas Zimmer. Diese war ausgegangen und hatte ihrem Bruder freimütig mitgeteilt, dass sie die Nacht woanders verbringen würde. ---
--- Am folgenden Morgen telefonierten Doris und Karl miteinander und beschlossen, bereits am nächsten Tag zu fahren. Als Doris dies Robert mitteilte, fragte er: „Und was ist, wenn mein Freund sich aus Frankreich meldet?“ – „Dann sagst du ihm von mir, ich komme erst dahin, wenn ein genauer Termin für meinen Auftritt feststeht.“ – „Süße, du bist ganz schön eingebildet! Führst dich auf, als wärst du schon ein Star.“ – „Das hast du mir doch eingeredet. Du hast behauptet, du machst mich zum Star.“ – „Ja, weil ich an dein Talent glaube. Dein Gesang war von Anfang an für mich etwas Besonderes. Von euch Dreien warst du Diejenige, die mich am meisten beeindruckt hat.“
Für einen Moment schwieg Doris verblüfft, aber dann hakte sie nach: „Ach so, mein Gesang hat dich beeindruckt! Nicht ich als Frau?“
Schnell versicherte er: „Natürlich auch du als Frau!“ – „Aber du verhältst dich mir gegenüber nicht so. - Mal abgesehen davon, dass du mit mir ins Bett gehst, benimmst du dich nur wie mein Manager und Produzent. Vor allem in der Öffentlichkeit.“ – „Aber ich hab dir doch einen Heiratsantrag gemacht!“ protestierte Robert.
Doris schnaubte nur verächtlich. „Ja, ein Gag für die Presse!“
Diese ungerechte Bemerkung machte Robert schier sprachlos, und er starrte sie nur entsetzt an. Da schien sich Doris zu besinnen, dass sie vielleicht ein wenig zu weit gegangen war. Trotzdem wollte sie jetzt nicht nachgeben. In ihren Augen wurde es Zeit, ihre Beziehung endlich einmal klar zu definieren. So erklärte sie ihm sachlich: „Ich werde allein zu Crissys Hochzeit fahren! Das gibt uns beiden die Gelegenheit, gründlich über unser Verhältnis nachzudenken.“ – „Was soll das denn jetzt heißen?“ fragte er sie betroffen.
Worauf sie ihn eindringlich anblickte und antwortete: „Ich werde mir überlegen, ob ich vielleicht doch lieber auf eine unsichere Sänger-Karriere verzichte und wie anfangs geplant Floristin werde. Und du denkst darüber nach, ob dir eine einfache Floristin als Ehefrau genügt! Oder ob du dich vielleicht doch nur in den zukünftigen Gesangsstar verliebt hast?“
Mit diesen verhängnisvollen Worten ließ sie ihn einfach stehen und ging ihre Sachen packen.
***
Doris erzählte ihrer Freundin nur vage von ihrem Streit mit Robert, aber Sabine erkannte genau ihr Dilemma. Ihr ging es ja mit Sepp nicht anders. Vorgeblich schien er sie zu lieben, aber trotzdem reizte ihn das Thema Heiraten zum Widerspruch.
Sie seufzte und bemerkte: „Tja, es ist schon ein Kreuz mit den Männern!“ –
Da tauchte Karl im Türrahmen auf, und als er Sabine sah, eilte er freudig auf sie zu, ergriff ungeniert ihre Hand, schüttelte sie und begrüßte sie: „Sabine! Wie schön, dich wiederzusehen! Du siehst fantastisch aus! Wie einem Modemagazin entstiegen.“
Über dieses plumpe Kompliment musste sie ungewollt herzlich lachen – sie trug ganz lässig Jeans und T-Shirt. – Sabine erwiderte seinen Händedruck kräftig.
„Du hast schon immer maßlos übertrieben, mein lieber Karl! Dodo erzählte mir gerade, weswegen du hier bist.“
Dann ließen sie sich wieder los, und Doris bat ihn, Platz zu nehmen und auch einen Kaffee zu trinken. Sie ließ die beiden kurz allein, um eine weitere Tasse zu holen. Das nutzte Karl aus, indem er Sabine gestand: „Ich freu mich ehrlich riesig, dich wiederzusehen! Allein aus diesem Grund war ich mit Frau Küppers' Vorschlag einverstanden.“ – „Das hab ich mir schon beinah gedacht.“ gab Sabine zu und blickte ihn leicht verlegen an.
Da fragte er vorsichtig: „Werde ich auch deinen Verlobten treffen? Oder seid ihr sogar schon verheiratet?“
Sie zögerte mit einer Antwort. – Da tauchte Doris wieder mit der Tasse auf, und während sie für Karl Kaffee eingoss, blickte sie fragend zwischen den beiden hin und her.
„Hab ich euer Gespräch unterbrochen?“
Karl antwortete mit einem Seitenblick auf Sabine: „Ach, ich hab mich nur grad nach Sabines Verlobtem erkundigt.“
Doris schaltete nicht schnell genug und fragte verdutzt: „Welcher Verlobte?“
Karl reagierte sofort. „Ach, du bist gar nicht verlobt?“
Rasch versuchte Doris, ihren kleinen Fehler wieder auszubügeln, als sie Sabines waidwunden Blick bemerkte. „Oh, ich war grad etwas verwirrt, von wegen verlobt. Sabsi ist ja schon verheiratet!“
Nun starrte Sabine die Freundin entsetzt an. Und als Karl mit traurigem Unterton sagte: „Na, dann gratuliere ich dir, Sabine!“ – wurde es ihr zu viel.
Sie sprang auf, verabschiedete sich hastig und lief davon. …
***
Der Tag der Hochzeit begann wahrhaftig mit strahlendem Sonnenschein, und schon war die Welt für Christa in Ordnung.
„Das ist ein gutes Zeichen!“ sagte sie freudestrahlend zu ihrem Vater.
Und es schien auch wirklich alles wie geplant zu klappen. –
Im Trauzimmer im Rathaus gaben sich Christa und Wastl nur in Anwesenheit von Doris und Sabine als Trauzeugen das Jawort.
Als sie sitzend die kurze launige Rede des Standesbeamten anhörten, musste Christa mehrmals schmunzeln, nicht über die Worte des Mannes, sondern weil sie aus den Augenwinkeln beobachtete, wie Wastl abwechselnd seine Schuhe an den Hosenbeinen glänzend rieb. – Er war ja so stolz auf seine Hochzeitsschuhe!
Den kurzen Weg vom Rathaus zur Kirche legten sie zu Fuß zurück, er gestaltete sich wie eine Prozession. –
Doch nach der feierlichen Zeremonie am Altar wartete vor dem Portal eine prächtige Hochzeitskutsche, welche Förster Schrader höchstpersönlich zur Gemeindehalle lenkte. ---
--- Auf der Feier herrschte eine fröhliche, ausgelassene Stimmung, mit nur einem kleinen Wermutstropfen, die beiden Brautjungfern blieben ohne männliche Begleitung. Tatsächlich ließen sich weder Sepp noch Robert blicken, obwohl sie beide nochmals eine offizielle Einladung vom Brautpaar erhalten hatten.
Trotzdem wurden Doris und Sabine nicht zu Mauerblümchen, denn sämtliche Dorfburschen rissen sich darum, mit diesen zwei Prinzessinnen zu tanzen, sodass schließlich doch alle auf ihre Kosten kamen. ---
--- Als die Kirchturmglocken zur Mitternacht läuteten, gab es im Schein eines Feuerwerks eine überraschende wahrhaft filmreife Inszenierung: Zwei Reiter nahten in prächtigen Prinzgewändern!
– Und schnell vertauschte Karl seinen Fotoapparat gegen eine Video-Kamera! –
Als die Männer ihre Pferde anhielten und abstiegen, schoben Christa und Wastl die Brautjungfern Doris und Sabine in den Vordergrund. Die beiden ''Prinzen“ entpuppten sich nämlich als Sepp und Robert, die nun jeweils vor ihren ''Prinzessinnen“ nieder knieten und beinah synchron ein Schächtelchen aus der Tasche zogen, dem sie einen Ring entnahmen, welchen sie ihren verblüfften Damen an den Finger steckten.
Das alles geschah in atemloser Stille, nur vom Knallen des Feuerwerks untermalt, und erst als die beiden Paare jeweils in einem innigen Kuss versanken, jubelte das versammelte Volk. …
Und wenn sie nicht gestorben sind …..
ENDE