»Was für ein erbärmlicher Anblick!«, schnauzte ich Gregor an, der ängstlich vor mir stand. Endlich hatte ich einen Grund dafür, ihm eine Abreibung zu verpassen. Hand in Hand mit einem Kerl über den Schulhof zu laufen, als wäre es normal. Allein schon bei dem Gedanken schauderte ich. Wieso denn mit einem Kerl? Die Hand zur Faust gehoben, drohte ich ihm, als ich plötzlich zur Seite gestoßen wurde. Gerade eben konnte mich noch auf den Beinen halten.
»Spinnst du eigentlich völlig, Reza? Gregor hat dir nichts getan!«, hörte ich die wütende Stimme von Freno neben mir. Verdammt, warum ausgerechnet er? Ich musste von ihm so viel Abstand halten wie möglich, daher trat ich ein paar Schritte zur Seite und senkte den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Freno mit Gregor sprach und er weglief. Freno ging auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Bloß nicht atmen jetzt.
»Also, was für eine dumme Ausrede hast du jetzt, Gregor zu drohen, hm? Sieh mich an!«, befahl er und ich hob den Blick. Fataler Fehler. Die eisblauen Augen blitzten mich herausfordernd an und mein Herz machte einen Satz. Ich hasste es, denn das machte es immer, wenn ich Freno in die Augen sah. Scheinbar hatte er mitbekommen, warum ich mir Gregor vornehmen wollte.
»Er ist lächerlich, reicht das nicht?«, fragte ich in einem jämmerlichen Versuch, mich zu rechtfertigen. Meine Stimme war leise und zittrig, überhaupt nicht überlegen wie vorhin. Wieso konnte ich Freno nicht auch einfach die Meinung geigen? Nur weil er Klassensprecher war, musste er nicht gleich einen auf Schulhofpolizei machen.
»Liebe ist für dich also lächerlich? Das ist traurig«, sagte er und es klang wirklich betroffen. Ich schüttelte mich. Scheiß auf den!
»Erzähl dein Geschwafel jemand anderem!«, rief ich und wollte gehen, doch er hielt mich am Arm fest.
»Lass uns einen Deal machen, Reza. Wenn du mit mir Hand in Hand zum Klassenraum läufst, erzähle ich dem Lehrer nicht, was du mit Gregor angestellt hast«, sagte er und hielt mir grinsend seine Hand hin. Irgendwie fand ich das total cool von ihm, sich so mutig vor mich zu stellen. Und dieses Grinsen erst...Was? Nein!
»Deal? Das ist Erpressung und eine richtig beschissene Idee.«
Freno ging nicht darauf ein, hielt mir nur seine Hand hin. Alles in mir schrie dagegen, seine Hand zu ergreifen. Wieso sollte ich das Gleiche tun, für das sich jemand von mir Drohungen eingefangen hat? Wieso sollte ich die Nähe zu jemandem zulassen, der so hilfsbereit und mutig war wie Freno? Der mich regelmäßig um den Verstand brachte, ohne dass ich es jemals in meinem Leben zugeben würde. Trotzdem wurde diese leise Stimme in mir immer lauter, bis sie alle anderen übertönte. Vorsichtig griff ich nach seiner Hand und die Berührung ließ mir einen Schauer durch den Körper fahren. Was tat ich hier eigentlich? Ich wollte nicht darüber nachdenken und irgendwann verstummten die Zweifel. Selbst die Kommentare oder Blicke der anderen gingen einfach an mir vorbei. Anstatt Richtung Klassenraum, gingen wir jedoch zu Gregor, der an seinen Freund gelehnt unter einem Baum auf dem Schulhof stand. Er sah ziemlich erstaunt aus von unserem Anblick.
»Also das musst du mir erklären, Freno. Oder es ist nur eine Halluzination«, merkte Gregor an und verdrehte dabei die Augen. Sein Freund starrte mich die ganze Zeit mit einem bösen Blick an, doch selbst das bekam ich nur am Rande mit. Freno war so nah, seine weiche Hand, sein Duft, sein Lächeln. Ich spürte, wie mir das Herz fast aus der Brust sprang.
»Weißt du, Gregor, ich glaube Reza findet es in Wirklichkeit gar nicht schlecht, mit einem Typen Hand in Hand über den Schulhof zu laufen. Nur das zuzugeben, fällt ihm scheinbar schwer«, erklärte Freno lächelnd und drückte meine Hand ein bisschen fester. Ich wollte widersprechen aber konnte nicht. Kurz sah ich Gregor an.
»Es tut mir leid, dass ich mich wie ein Idiot benommen habe, Gregor. Ich glaube Freno hat Recht. Vielleicht nicht mit jedem Typen, aber mit ihm schon.«
Was sage ich denn da? Ich erkannte mich nicht wieder, aber das war alles Frenos schuld. Bei ihm konnte ich einfach nicht anders. Gregor grinste.
»Verstehe. Entschuldigung angenommen. Ich hoffe du bist in Zukunft vorsichtiger in deinem Glashaus.«
Nach diesem Tag ließ ich jeden so leben, wie er wollte. Freno und ich wurden Freunde. Und vielleicht auch ein bisschen mehr.
11.07.2024
®HalcyTheWolf